des am 18. Januar gefaßten Beschlusses der Bevollmächtigten sämmtlicher Staaten durch Patent vom 13. Febr. 1867 den Reichs- tag des norddeutschen Bundes auf Sonntag den 24. Februar 1867 nach Berlin.
In der Thronrede, mit welcher der Reichstag eröffnet wurde, ist der Entwurf, welcher Namens der Regierungen dem Reichstag vorgelegt werden sollte, dahin charakterisirt, "daß die verbündeten Regierungen, im Anschlusse an gewohnte frühere Verhältnisse, sich über eine An- zahl bestimmter und begrenzter, aber factisch bedeutsamer Einrichtungen verständigt haben, welche eben so im Bereiche der unmittelbaren Möglichkeit, wie des zweifellosen Bedürf- nisses liegen."
Für das Verständniß der Verfassung ist dieser Gesichtspunkt von größter Wichtigkeit; trotzdem rechtlich die Continuität mit den Verhältnissen des deutschen Bundes gelöst war, ist sie den- noch so viel wie möglich erhalten worden. Der Bundestag mit seinem Plenum und mit seinen Ausschüssen und Matrikularbeiträgen, der Zollverein und manche andere Institution der älteren Zeit bilden die Grundlage der zunächst ins Leben gerufenen Einrichtungen; die Einfügung des Parlaments, die Ersetzung der früher erforderten Einstimmigkeit durch Majoritätsbeschlüsse, die Erweiterung der Kompe- tenz auf das gesammte Gebiet der Verkehrs-Verhältnisse, die Organi- sation des Bundesheeres, der Marine, der Diplomatie, des Kon- sulatwesens -- das sind die wesentlichen Neuerungen.
Es ist das Programm, welches der Preußische Antrag vom 9. April 1866 verfolgte, mit den durch die veränderten politischen Verhältnisse nothwendig gewordenen Modifikationen durchgeführt; bei der Neugründung des Bundes blieben dieselben Gesichts- punkte maßgebend von denen aus die Bundesreform angestrebt worden war.
Bei den Berathungen des Reichstages fehlte es nicht an einer Fluth von Abänderungs-Vorschlägen, unter denen sich viele befan- den, "die -- wie Fürst Bismark sagte -- von Allem, was wir gethan und geleistet haben, abstrahiren, von dem in der Geschichte unerhörten Fall, daß die Regierungen von 30 Millionen Deutschen sich nicht blos dem Wortlaute nach, wie bei der alten Bundesacte, sondern auch dem Geiste nach über einen solchen Entwurf geeinigt
§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
des am 18. Januar gefaßten Beſchluſſes der Bevollmächtigten ſämmtlicher Staaten durch Patent vom 13. Febr. 1867 den Reichs- tag des norddeutſchen Bundes auf Sonntag den 24. Februar 1867 nach Berlin.
In der Thronrede, mit welcher der Reichstag eröffnet wurde, iſt der Entwurf, welcher Namens der Regierungen dem Reichstag vorgelegt werden ſollte, dahin charakteriſirt, „daß die verbündeten Regierungen, im Anſchluſſe an gewohnte frühere Verhältniſſe, ſich über eine An- zahl beſtimmter und begrenzter, aber factiſch bedeutſamer Einrichtungen verſtändigt haben, welche eben ſo im Bereiche der unmittelbaren Möglichkeit, wie des zweifelloſen Bedürf- niſſes liegen.“
Für das Verſtändniß der Verfaſſung iſt dieſer Geſichtspunkt von größter Wichtigkeit; trotzdem rechtlich die Continuität mit den Verhältniſſen des deutſchen Bundes gelöst war, iſt ſie den- noch ſo viel wie möglich erhalten worden. Der Bundestag mit ſeinem Plenum und mit ſeinen Ausſchüſſen und Matrikularbeiträgen, der Zollverein und manche andere Inſtitution der älteren Zeit bilden die Grundlage der zunächſt ins Leben gerufenen Einrichtungen; die Einfügung des Parlaments, die Erſetzung der früher erforderten Einſtimmigkeit durch Majoritätsbeſchlüſſe, die Erweiterung der Kompe- tenz auf das geſammte Gebiet der Verkehrs-Verhältniſſe, die Organi- ſation des Bundesheeres, der Marine, der Diplomatie, des Kon- ſulatweſens — das ſind die weſentlichen Neuerungen.
Es iſt das Programm, welches der Preußiſche Antrag vom 9. April 1866 verfolgte, mit den durch die veränderten politiſchen Verhältniſſe nothwendig gewordenen Modifikationen durchgeführt; bei der Neugründung des Bundes blieben dieſelben Geſichts- punkte maßgebend von denen aus die Bundesreform angeſtrebt worden war.
Bei den Berathungen des Reichstages fehlte es nicht an einer Fluth von Abänderungs-Vorſchlägen, unter denen ſich viele befan- den, „die — wie Fürſt Bismark ſagte — von Allem, was wir gethan und geleiſtet haben, abſtrahiren, von dem in der Geſchichte unerhörten Fall, daß die Regierungen von 30 Millionen Deutſchen ſich nicht blos dem Wortlaute nach, wie bei der alten Bundesacte, ſondern auch dem Geiſte nach über einen ſolchen Entwurf geeinigt
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§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
des am 18. Januar gefaßten Beſchluſſes der Bevollmächtigten
ſämmtlicher Staaten durch Patent vom 13. Febr. 1867 den Reichs-
tag des norddeutſchen Bundes auf Sonntag den 24. Februar
1867 nach Berlin.
In der Thronrede, mit welcher der Reichstag eröffnet wurde,
iſt der Entwurf, welcher Namens der Regierungen dem Reichstag
vorgelegt werden ſollte, dahin charakteriſirt,
„daß die verbündeten Regierungen, im Anſchluſſe an
gewohnte frühere Verhältniſſe, ſich über eine An-
zahl beſtimmter und begrenzter, aber factiſch bedeutſamer
Einrichtungen verſtändigt haben, welche eben ſo im Bereiche
der unmittelbaren Möglichkeit, wie des zweifelloſen Bedürf-
niſſes liegen.“
Für das Verſtändniß der Verfaſſung iſt dieſer Geſichtspunkt
von größter Wichtigkeit; trotzdem rechtlich die Continuität mit
den Verhältniſſen des deutſchen Bundes gelöst war, iſt ſie den-
noch ſo viel wie möglich erhalten worden. Der Bundestag mit
ſeinem Plenum und mit ſeinen Ausſchüſſen und Matrikularbeiträgen,
der Zollverein und manche andere Inſtitution der älteren Zeit bilden
die Grundlage der zunächſt ins Leben gerufenen Einrichtungen;
die Einfügung des Parlaments, die Erſetzung der früher erforderten
Einſtimmigkeit durch Majoritätsbeſchlüſſe, die Erweiterung der Kompe-
tenz auf das geſammte Gebiet der Verkehrs-Verhältniſſe, die Organi-
ſation des Bundesheeres, der Marine, der Diplomatie, des Kon-
ſulatweſens — das ſind die weſentlichen Neuerungen.
Es iſt das Programm, welches der Preußiſche Antrag vom
9. April 1866 verfolgte, mit den durch die veränderten politiſchen
Verhältniſſe nothwendig gewordenen Modifikationen durchgeführt;
bei der Neugründung des Bundes blieben dieſelben Geſichts-
punkte maßgebend von denen aus die Bundesreform angeſtrebt
worden war.
Bei den Berathungen des Reichstages fehlte es nicht an einer
Fluth von Abänderungs-Vorſchlägen, unter denen ſich viele befan-
den, „die — wie Fürſt Bismark ſagte — von Allem, was wir
gethan und geleiſtet haben, abſtrahiren, von dem in der Geſchichte
unerhörten Fall, daß die Regierungen von 30 Millionen Deutſchen
ſich nicht blos dem Wortlaute nach, wie bei der alten Bundesacte,
ſondern auch dem Geiſte nach über einen ſolchen Entwurf geeinigt
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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