amte, welcher entweder vom Kaiser angestellt oder nach Vorschrift der Reichsverfassung den Anordnungen des Kaisers Folge zu leisten verpflichtet ist" 1).
Es gibt sonach zwei Klassen von Reichs-Beamten im Sinne dieses Gesetzes.
1. Die erste Klasse bilden die vom Kaiser oder in seinem Auftrage kraft Delegation angestellten Beamten des Reiches. Da der Art. 18 der Reichsverf. bestimmt: "Der Kaiser ernennt die Reichsbeamten", so ist die Begriffs-Bestimmung dieser Klasse nichts- sagend. Es kann zwar -- wie soeben ausgeführt worden ist -- Reichsbehörden geben, welche der Kaiser nicht oder nicht aus- schließlich besetzt; aber nach dem Art. 18 versteht es sich für die Reichsbeamten von selbst, daß sie vom Kaiser oder in dessen Namen kraft kaiserlicher Ermächtigung ernannt sind. Die erste Kate- gorie des §. cit. sagt weiter Nichts als: Reichsbeamter im Sinne dieses Gesetzes ist jeder Beamte, welcher Reichsbeamter ist.
Eine praktische Bedeutung erlangt die Definition des §. 1 lediglich wegen der Hinzufügung der zweiten Kategorie.
2. Die zweite Klasse umfaßt Personen, welche nicht Reichs- beamte, sondern Beamte der Einzelstaaten sind, trotzdem aber nach Vorschrift der Reichsverfassung den Anordnungen des Kaisers Folge zu leisten verpflichtet sind. Der §. 1 will sagen: Dieses Gesetz findet Anwendung nicht nur auf die Reichsbeamten, sondern auch auf diejenigen Beamten der Einzelstaaten, welche u. s. w. Durch die Gesetze vom 2. Juni 1869 und vom 31. März 1873 sind die praktischen Uebelstände zum Theil beseitigt worden, welche sich aus den Anordnungen der Reichsverf. über die Anstellung der Beamten der Post- nnd Telegraphen-Verwaltung und über das Heerwesen ergeben mußten. Die im Art 50. Abs. 5 der R.-V. aufgeführten Post- und Telegraphen-Beamten werden nicht vom Kaiser, sondern von den Landesherren ernannt, soweit nicht besondere Conventionen eine Ausnahme begründen. Sie sind mithin Landesbeamte2). Ebenso ist die Militär-Ver-
1) Diese Definition ist wörtlich entnommen dem Gesetz vom 2. Juni 1869 über die Kautionen der Bundesbeamten §. 1 (B.-G.-Bl. S. 161); nur daß hier selbstverständlich statt "Kaiser" "Bundespräsidium" stand.
2) Es ist dies vom Präsidenten des Reichskanzler-Amtes ausdrücklich an- erkannt worden bei der Berathung des Beamten-Gesetzes im Reichstage von 1868
§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
amte, welcher entweder vom Kaiſer angeſtellt oder nach Vorſchrift der Reichsverfaſſung den Anordnungen des Kaiſers Folge zu leiſten verpflichtet iſt“ 1).
Es gibt ſonach zwei Klaſſen von Reichs-Beamten im Sinne dieſes Geſetzes.
1. Die erſte Klaſſe bilden die vom Kaiſer oder in ſeinem Auftrage kraft Delegation angeſtellten Beamten des Reiches. Da der Art. 18 der Reichsverf. beſtimmt: „Der Kaiſer ernennt die Reichsbeamten“, ſo iſt die Begriffs-Beſtimmung dieſer Klaſſe nichts- ſagend. Es kann zwar — wie ſoeben ausgeführt worden iſt — Reichsbehörden geben, welche der Kaiſer nicht oder nicht aus- ſchließlich beſetzt; aber nach dem Art. 18 verſteht es ſich für die Reichsbeamten von ſelbſt, daß ſie vom Kaiſer oder in deſſen Namen kraft kaiſerlicher Ermächtigung ernannt ſind. Die erſte Kate- gorie des §. cit. ſagt weiter Nichts als: Reichsbeamter im Sinne dieſes Geſetzes iſt jeder Beamte, welcher Reichsbeamter iſt.
Eine praktiſche Bedeutung erlangt die Definition des §. 1 lediglich wegen der Hinzufügung der zweiten Kategorie.
2. Die zweite Klaſſe umfaßt Perſonen, welche nicht Reichs- beamte, ſondern Beamte der Einzelſtaaten ſind, trotzdem aber nach Vorſchrift der Reichsverfaſſung den Anordnungen des Kaiſers Folge zu leiſten verpflichtet ſind. Der §. 1 will ſagen: Dieſes Geſetz findet Anwendung nicht nur auf die Reichsbeamten, ſondern auch auf diejenigen Beamten der Einzelſtaaten, welche u. ſ. w. Durch die Geſetze vom 2. Juni 1869 und vom 31. März 1873 ſind die praktiſchen Uebelſtände zum Theil beſeitigt worden, welche ſich aus den Anordnungen der Reichsverf. über die Anſtellung der Beamten der Poſt- nnd Telegraphen-Verwaltung und über das Heerweſen ergeben mußten. Die im Art 50. Abſ. 5 der R.-V. aufgeführten Poſt- und Telegraphen-Beamten werden nicht vom Kaiſer, ſondern von den Landesherren ernannt, ſoweit nicht beſondere Conventionen eine Ausnahme begründen. Sie ſind mithin Landesbeamte2). Ebenſo iſt die Militär-Ver-
1) Dieſe Definition iſt wörtlich entnommen dem Geſetz vom 2. Juni 1869 über die Kautionen der Bundesbeamten §. 1 (B.-G.-Bl. S. 161); nur daß hier ſelbſtverſtändlich ſtatt „Kaiſer“ „Bundespräſidium“ ſtand.
2) Es iſt dies vom Präſidenten des Reichskanzler-Amtes ausdrücklich an- erkannt worden bei der Berathung des Beamten-Geſetzes im Reichstage von 1868
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0418"n="398"/><fwplace="top"type="header">§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.</fw><lb/>
amte, welcher entweder vom Kaiſer angeſtellt oder nach Vorſchrift<lb/>
der Reichsverfaſſung den Anordnungen des Kaiſers Folge zu<lb/>
leiſten verpflichtet iſt“<noteplace="foot"n="1)">Dieſe Definition iſt wörtlich entnommen dem Geſetz vom 2. Juni<lb/>
1869 über die Kautionen der Bundesbeamten §. 1 (B.-G.-Bl. S. 161); nur<lb/>
daß hier ſelbſtverſtändlich ſtatt „Kaiſer“„Bundespräſidium“ſtand.</note>.</p><lb/><p>Es gibt ſonach zwei Klaſſen von Reichs-Beamten im Sinne<lb/>
dieſes Geſetzes.</p><lb/><p>1. Die erſte Klaſſe bilden die vom Kaiſer oder in ſeinem<lb/>
Auftrage kraft Delegation angeſtellten Beamten des Reiches. Da<lb/>
der Art. 18 der Reichsverf. beſtimmt: „Der Kaiſer ernennt die<lb/>
Reichsbeamten“, ſo iſt die Begriffs-Beſtimmung dieſer Klaſſe nichts-<lb/>ſagend. Es kann zwar — wie ſoeben ausgeführt worden iſt —<lb/>
Reich<hirendition="#g">sbehörden</hi> geben, welche der Kaiſer nicht oder nicht aus-<lb/>ſchließlich beſetzt; aber nach dem Art. 18 verſteht es ſich für die<lb/>
Reich<hirendition="#g">sbeamte</hi>n von ſelbſt, daß ſie vom Kaiſer oder in deſſen<lb/>
Namen kraft kaiſerlicher Ermächtigung ernannt ſind. Die erſte Kate-<lb/>
gorie des §. cit. ſagt weiter Nichts als: Reichsbeamter im Sinne<lb/>
dieſes Geſetzes iſt jeder Beamte, welcher Reichsbeamter iſt.</p><lb/><p>Eine praktiſche Bedeutung erlangt die Definition des §. 1<lb/>
lediglich wegen der Hinzufügung der zweiten Kategorie.</p><lb/><p>2. Die zweite Klaſſe umfaßt Perſonen, welche <hirendition="#g">nicht</hi> Reichs-<lb/>
beamte, ſondern Beamte der Einzelſtaaten ſind, trotzdem aber<lb/>
nach Vorſchrift der Reichsverfaſſung den Anordnungen des Kaiſers<lb/>
Folge zu leiſten verpflichtet ſind. Der §. 1 will ſagen: Dieſes<lb/>
Geſetz findet Anwendung nicht nur auf die Reichsbeamten, ſondern<lb/>
auch auf diejenigen Beamten der Einzelſtaaten, welche u. ſ. w.<lb/>
Durch die Geſetze vom 2. Juni 1869 und vom 31. März 1873<lb/>ſind die praktiſchen Uebelſtände zum Theil beſeitigt worden, welche<lb/>ſich aus den Anordnungen der Reichsverf. über die Anſtellung<lb/>
der Beamten der Poſt- nnd Telegraphen-Verwaltung und über<lb/>
das Heerweſen ergeben mußten. Die im Art 50. Abſ. 5 der<lb/>
R.-V. aufgeführten Poſt- und Telegraphen-Beamten werden nicht<lb/>
vom Kaiſer, ſondern von den Landesherren ernannt, ſoweit nicht<lb/>
beſondere Conventionen eine Ausnahme begründen. <hirendition="#g">Sie ſind<lb/>
mithin Landesbeamte</hi><notexml:id="seg2pn_45_1"next="#seg2pn_45_2"place="foot"n="2)">Es iſt dies vom Präſidenten des Reichskanzler-Amtes ausdrücklich an-<lb/>
erkannt worden bei der Berathung des Beamten-Geſetzes im Reichstage von 1868</note>. Ebenſo iſt die Militär-Ver-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[398/0418]
§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
amte, welcher entweder vom Kaiſer angeſtellt oder nach Vorſchrift
der Reichsverfaſſung den Anordnungen des Kaiſers Folge zu
leiſten verpflichtet iſt“ 1).
Es gibt ſonach zwei Klaſſen von Reichs-Beamten im Sinne
dieſes Geſetzes.
1. Die erſte Klaſſe bilden die vom Kaiſer oder in ſeinem
Auftrage kraft Delegation angeſtellten Beamten des Reiches. Da
der Art. 18 der Reichsverf. beſtimmt: „Der Kaiſer ernennt die
Reichsbeamten“, ſo iſt die Begriffs-Beſtimmung dieſer Klaſſe nichts-
ſagend. Es kann zwar — wie ſoeben ausgeführt worden iſt —
Reichsbehörden geben, welche der Kaiſer nicht oder nicht aus-
ſchließlich beſetzt; aber nach dem Art. 18 verſteht es ſich für die
Reichsbeamten von ſelbſt, daß ſie vom Kaiſer oder in deſſen
Namen kraft kaiſerlicher Ermächtigung ernannt ſind. Die erſte Kate-
gorie des §. cit. ſagt weiter Nichts als: Reichsbeamter im Sinne
dieſes Geſetzes iſt jeder Beamte, welcher Reichsbeamter iſt.
Eine praktiſche Bedeutung erlangt die Definition des §. 1
lediglich wegen der Hinzufügung der zweiten Kategorie.
2. Die zweite Klaſſe umfaßt Perſonen, welche nicht Reichs-
beamte, ſondern Beamte der Einzelſtaaten ſind, trotzdem aber
nach Vorſchrift der Reichsverfaſſung den Anordnungen des Kaiſers
Folge zu leiſten verpflichtet ſind. Der §. 1 will ſagen: Dieſes
Geſetz findet Anwendung nicht nur auf die Reichsbeamten, ſondern
auch auf diejenigen Beamten der Einzelſtaaten, welche u. ſ. w.
Durch die Geſetze vom 2. Juni 1869 und vom 31. März 1873
ſind die praktiſchen Uebelſtände zum Theil beſeitigt worden, welche
ſich aus den Anordnungen der Reichsverf. über die Anſtellung
der Beamten der Poſt- nnd Telegraphen-Verwaltung und über
das Heerweſen ergeben mußten. Die im Art 50. Abſ. 5 der
R.-V. aufgeführten Poſt- und Telegraphen-Beamten werden nicht
vom Kaiſer, ſondern von den Landesherren ernannt, ſoweit nicht
beſondere Conventionen eine Ausnahme begründen. Sie ſind
mithin Landesbeamte 2). Ebenſo iſt die Militär-Ver-
1) Dieſe Definition iſt wörtlich entnommen dem Geſetz vom 2. Juni
1869 über die Kautionen der Bundesbeamten §. 1 (B.-G.-Bl. S. 161); nur
daß hier ſelbſtverſtändlich ſtatt „Kaiſer“ „Bundespräſidium“ ſtand.
2) Es iſt dies vom Präſidenten des Reichskanzler-Amtes ausdrücklich an-
erkannt worden bei der Berathung des Beamten-Geſetzes im Reichstage von 1868
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/418>, abgerufen am 24.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.