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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.

Für das Reichsrecht ist es durch das durch Verord. v. 30.
Juni 1873 publizirte Verzeichniß der Reichsbeamten (R.-G.-Bl.
S. 169 fg.) unzweifelhaft, daß auch die Unterbeamten zu den
Reichsbeamten gehören.

Endlich ist zu erwähnen, daß der Staatsbeamte in der Wahr-
nehmung seiner Amtsgeschäfte nicht nothwendig seinen wesent-
lichen oder gar ausschließlichen Lebensberuf zu haben braucht.
Der Gesichtspunkt, daß der Beamte sich regelmäßig dem Staats-
dienst berufsmäßig widmet, daß er in der Erfüllung seiner dienst-
lichen Pflichten seine Lebensaufgabe erblickt, daß das Beamtenrecht
demgemäß ein Berufs- und Standesrecht ist, hat politisch seine
hohe Berechtigung und vielseitige Bedeutung und ist auch juristisch
in mehrfacher Hinsicht von Wichtigkeit 1). Aber wenn es sich

(II. S. 19). Schulze I. S. 315. v. Gerber S. 110 Note 11. Mau-
renbrecher
§. 160 sagt: "Sie sind durchaus als Staatsdiener nicht zu be-
trachten, obgleich sie dem Namen nach und der Formen ihrer Anstellung wegen
häufig als solche passiren." (!) Dem bureaukratischen Dünkel mochte es nicht
behagen, daß der Herr Rath und der Bote unter dieselbe juristische Begriffs-
Kategorie gehören sollten. Aber es ist schon oben S. 385 Note 1 hervorgehoben,
daß nicht die Art der Dienste, sondern die Art des Dienstverhältnisses (der
Anstellung) für die Eigenschaft eines Beamten entscheidend ist. Das Reichs-
beamtengesetz
unterscheidet zwischen oberen und unteren Reichsbeamten
nicht und die Motive vom 8. April 1872 (Drucksachen des Reichstages von
1872 Nr. 9 S. 30. 31) erklären sich ausdrücklich gegen eine solche Unter-
scheidung.
1) Im politischen Kampfe gegen das absolutistische System des persönlichen
Regiments, welches in den Beamten nur fürstliche Civil- und Militär-Bediente
erblickte, ist die Anerkennung dieses Grundsatzes errungen worden. Nachdem
er in der Literatur schon öfters angedeutet worden war, insbesondere auch in
der verdienstlichen Abhandlung Heffter's in seinen Beiträgen zum Deutschen
Staatsrecht S. 106 ff., fand er eine glänzende und höchst fesselnd geschriebene
Darlegung in der trefflichen Schrift von Perthes Der Staatsdienst in Preu-
ßen. (Hamburg 1838), insbesondere S. 44 ff. Diese mehr politisch als juri-
stisch gehaltene Monographie war von nachhaltigem Einfluß auf die spätere
Literatur. Seitdem kehrt der Satz immer und immer wieder in allen Erör-
terungen über den Staatsdienst; auch in solchen, die streng juristisch gehalten
sind, wie z. B. bei v. Gerber §. 36. Mit übermäßigem Pathos ist dieser
Grundsatz betont und als der eigentliche Kernpunkt des ganzen Beamtenbegrif-
fes ausgegeben worden von Lorenz Stein Verwaltungslehre I. 1 S. 207 ff.,
dem hierin Schulze Preuß. Staatsr. I. S. 315. 323 ff. sich anschließt. Für
das Staatsrecht aber ist zur Zeit nichts dringender nöthig als die Erkenntniß,
daß sich eine juristische Deduktion nicht ersetzen läßt durch historisch-politische,
ethische und sociale "Betrachtungen."
§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.

Für das Reichsrecht iſt es durch das durch Verord. v. 30.
Juni 1873 publizirte Verzeichniß der Reichsbeamten (R.-G.-Bl.
S. 169 fg.) unzweifelhaft, daß auch die Unterbeamten zu den
Reichsbeamten gehören.

Endlich iſt zu erwähnen, daß der Staatsbeamte in der Wahr-
nehmung ſeiner Amtsgeſchäfte nicht nothwendig ſeinen weſent-
lichen oder gar ausſchließlichen Lebensberuf zu haben braucht.
Der Geſichtspunkt, daß der Beamte ſich regelmäßig dem Staats-
dienſt berufsmäßig widmet, daß er in der Erfüllung ſeiner dienſt-
lichen Pflichten ſeine Lebensaufgabe erblickt, daß das Beamtenrecht
demgemäß ein Berufs- und Standesrecht iſt, hat politiſch ſeine
hohe Berechtigung und vielſeitige Bedeutung und iſt auch juriſtiſch
in mehrfacher Hinſicht von Wichtigkeit 1). Aber wenn es ſich

(II. S. 19). Schulze I. S. 315. v. Gerber S. 110 Note 11. Mau-
renbrecher
§. 160 ſagt: „Sie ſind durchaus als Staatsdiener nicht zu be-
trachten, obgleich ſie dem Namen nach und der Formen ihrer Anſtellung wegen
häufig als ſolche paſſiren.“ (!) Dem bureaukratiſchen Dünkel mochte es nicht
behagen, daß der Herr Rath und der Bote unter dieſelbe juriſtiſche Begriffs-
Kategorie gehören ſollten. Aber es iſt ſchon oben S. 385 Note 1 hervorgehoben,
daß nicht die Art der Dienſte, ſondern die Art des Dienſtverhältniſſes (der
Anſtellung) für die Eigenſchaft eines Beamten entſcheidend iſt. Das Reichs-
beamtengeſetz
unterſcheidet zwiſchen oberen und unteren Reichsbeamten
nicht und die Motive vom 8. April 1872 (Druckſachen des Reichstages von
1872 Nr. 9 S. 30. 31) erklären ſich ausdrücklich gegen eine ſolche Unter-
ſcheidung.
1) Im politiſchen Kampfe gegen das abſolutiſtiſche Syſtem des perſönlichen
Regiments, welches in den Beamten nur fürſtliche Civil- und Militär-Bediente
erblickte, iſt die Anerkennung dieſes Grundſatzes errungen worden. Nachdem
er in der Literatur ſchon öfters angedeutet worden war, insbeſondere auch in
der verdienſtlichen Abhandlung Heffter’s in ſeinen Beiträgen zum Deutſchen
Staatsrecht S. 106 ff., fand er eine glänzende und höchſt feſſelnd geſchriebene
Darlegung in der trefflichen Schrift von Perthes Der Staatsdienſt in Preu-
ßen. (Hamburg 1838), insbeſondere S. 44 ff. Dieſe mehr politiſch als juri-
ſtiſch gehaltene Monographie war von nachhaltigem Einfluß auf die ſpätere
Literatur. Seitdem kehrt der Satz immer und immer wieder in allen Erör-
terungen über den Staatsdienſt; auch in ſolchen, die ſtreng juriſtiſch gehalten
ſind, wie z. B. bei v. Gerber §. 36. Mit übermäßigem Pathos iſt dieſer
Grundſatz betont und als der eigentliche Kernpunkt des ganzen Beamtenbegrif-
fes ausgegeben worden von Lorenz Stein Verwaltungslehre I. 1 S. 207 ff.,
dem hierin Schulze Preuß. Staatsr. I. S. 315. 323 ff. ſich anſchließt. Für
das Staatsrecht aber iſt zur Zeit nichts dringender nöthig als die Erkenntniß,
daß ſich eine juriſtiſche Deduktion nicht erſetzen läßt durch hiſtoriſch-politiſche,
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[391/0411] §. 37. Der Begriff der Reichsbeamten. Für das Reichsrecht iſt es durch das durch Verord. v. 30. Juni 1873 publizirte Verzeichniß der Reichsbeamten (R.-G.-Bl. S. 169 fg.) unzweifelhaft, daß auch die Unterbeamten zu den Reichsbeamten gehören. Endlich iſt zu erwähnen, daß der Staatsbeamte in der Wahr- nehmung ſeiner Amtsgeſchäfte nicht nothwendig ſeinen weſent- lichen oder gar ausſchließlichen Lebensberuf zu haben braucht. Der Geſichtspunkt, daß der Beamte ſich regelmäßig dem Staats- dienſt berufsmäßig widmet, daß er in der Erfüllung ſeiner dienſt- lichen Pflichten ſeine Lebensaufgabe erblickt, daß das Beamtenrecht demgemäß ein Berufs- und Standesrecht iſt, hat politiſch ſeine hohe Berechtigung und vielſeitige Bedeutung und iſt auch juriſtiſch in mehrfacher Hinſicht von Wichtigkeit 1). Aber wenn es ſich 2) 1) Im politiſchen Kampfe gegen das abſolutiſtiſche Syſtem des perſönlichen Regiments, welches in den Beamten nur fürſtliche Civil- und Militär-Bediente erblickte, iſt die Anerkennung dieſes Grundſatzes errungen worden. Nachdem er in der Literatur ſchon öfters angedeutet worden war, insbeſondere auch in der verdienſtlichen Abhandlung Heffter’s in ſeinen Beiträgen zum Deutſchen Staatsrecht S. 106 ff., fand er eine glänzende und höchſt feſſelnd geſchriebene Darlegung in der trefflichen Schrift von Perthes Der Staatsdienſt in Preu- ßen. (Hamburg 1838), insbeſondere S. 44 ff. Dieſe mehr politiſch als juri- ſtiſch gehaltene Monographie war von nachhaltigem Einfluß auf die ſpätere Literatur. Seitdem kehrt der Satz immer und immer wieder in allen Erör- terungen über den Staatsdienſt; auch in ſolchen, die ſtreng juriſtiſch gehalten ſind, wie z. B. bei v. Gerber §. 36. Mit übermäßigem Pathos iſt dieſer Grundſatz betont und als der eigentliche Kernpunkt des ganzen Beamtenbegrif- fes ausgegeben worden von Lorenz Stein Verwaltungslehre I. 1 S. 207 ff., dem hierin Schulze Preuß. Staatsr. I. S. 315. 323 ff. ſich anſchließt. Für das Staatsrecht aber iſt zur Zeit nichts dringender nöthig als die Erkenntniß, daß ſich eine juriſtiſche Deduktion nicht erſetzen läßt durch hiſtoriſch-politiſche, ethiſche und ſociale „Betrachtungen.“ 2) (II. S. 19). Schulze I. S. 315. v. Gerber S. 110 Note 11. Mau- renbrecher §. 160 ſagt: „Sie ſind durchaus als Staatsdiener nicht zu be- trachten, obgleich ſie dem Namen nach und der Formen ihrer Anſtellung wegen häufig als ſolche paſſiren.“ (!) Dem bureaukratiſchen Dünkel mochte es nicht behagen, daß der Herr Rath und der Bote unter dieſelbe juriſtiſche Begriffs- Kategorie gehören ſollten. Aber es iſt ſchon oben S. 385 Note 1 hervorgehoben, daß nicht die Art der Dienſte, ſondern die Art des Dienſtverhältniſſes (der Anſtellung) für die Eigenſchaft eines Beamten entſcheidend iſt. Das Reichs- beamtengeſetz unterſcheidet zwiſchen oberen und unteren Reichsbeamten nicht und die Motive vom 8. April 1872 (Druckſachen des Reichstages von 1872 Nr. 9 S. 30. 31) erklären ſich ausdrücklich gegen eine ſolche Unter- ſcheidung.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/411>, abgerufen am 25.11.2024.