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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 37. Der Begriff des Reichsbeamten.
allen Darstellungen des Staatsrechts ein großes Gewicht gelegt
wird, ist aber gänzlich unpraktisch. Die im Staatsdienste
angestellten Personen, welche die Domänen und Forsten, die Eisen-
bahnen und Bergwerke, die Magazine und industriellen Etablisse-
ments des Staates verwalten, welche an den Universitäten und
Gymnasien Unterricht ertheilen, oder welche als Gesandte den
diplomatischen Dienst leisten, sind nicht weniger als Staatsbeamte
zu erachten, wie Polizeibeamte und Richter 1).

Sodann macht es für den Beamten-Begriff keinen Unterschied,
ob die Dienste höherer oder niederer Art sind, d. h. ob sie ver-
bunden sind mit einer Dekretur, mit der Fällung von Entscheidun-
gen und dem Erlaß von Verfügungen, oder ob sie lediglich in
der Ausführung von dienstlichen Befehlen bestehen. Von Wichtig-
keit kann dies sein für die Klassifizirung der Beamten und für
das Maaß von Rechten, melches dem Beamten zukömmt; denn
es ist selbstverständlich, daß keineswegs alle Beamte dieselbe recht-
liche Stellung dem Staate gegenüber haben. Aber für den Be-
griff der Staatsbeamten ist es unerheblich, von welcher Gattung
die Geschäfte sind, welche der Staat verlangt. Auch die Boten,
Heizer, Portiers und Kastellane in den Dienstgebäuden des Staa-
tes sind Staatsbeamte, wenngleich sie als Unterbeamte "eine be-
sondere Klasse derselben bilden", wofern sie nur "angestellt sind",
d. h. nicht in einem privatrechtlichen Miethsverhältniß zum Fiskus
stehen 2).


1) Richtig Zöpfl II. §. 513 Note 3. Das Reichsbeamtengesetz
macht keinen Unterschied zwischen Beamten mit obrigkeitlichen Funktionen und
solchen mit technischen oder wirthschaftlichen Funktionen. Die bei der Ver-
waltung der Reichs-Eisenbahnen oder der Reichsbank, bei der Seewarte in
Hamburg oder dem Archäolog. Institut in Rom angestellten Personen sind
Reichsbeamte, so gut wie die Mitglieder des Reichs-Oberhandelsgerichts oder
des Reichskanzleramts.
2) Die Thatsache, daß das Unterpersonal der Behörden sehr häufig nur
nach Art der Dienstboten gemiethet wird, sowie daß die Rechte, welche die
Staatsdienergesetze der Einzelstaaten den Staatsbeamten zusichern, meistens
nur den höheren Beamten eingeräumt wurden, hatte die Wirkung, daß man
in der Literatur sich vielfach abmühte, zwischen den "eigentlichen" Staatsbe-
amten und dem Hülfspersonal einen begrifflichen Gegensatz aufzustellen. Vgl.
namentlich Heffter Beiträge S. 113 ff. Ferner Marquardsen in Rot-
teck's Staatslexicon 3. Aufl. I. S. 483. Bluntschli II. S. 122. Pözl
in
Bluntschli und Braters Staatswörterbuch IX. S. 687. Zachariä §. 133

§. 37. Der Begriff des Reichsbeamten.
allen Darſtellungen des Staatsrechts ein großes Gewicht gelegt
wird, iſt aber gänzlich unpraktiſch. Die im Staatsdienſte
angeſtellten Perſonen, welche die Domänen und Forſten, die Eiſen-
bahnen und Bergwerke, die Magazine und induſtriellen Etabliſſe-
ments des Staates verwalten, welche an den Univerſitäten und
Gymnaſien Unterricht ertheilen, oder welche als Geſandte den
diplomatiſchen Dienſt leiſten, ſind nicht weniger als Staatsbeamte
zu erachten, wie Polizeibeamte und Richter 1).

Sodann macht es für den Beamten-Begriff keinen Unterſchied,
ob die Dienſte höherer oder niederer Art ſind, d. h. ob ſie ver-
bunden ſind mit einer Dekretur, mit der Fällung von Entſcheidun-
gen und dem Erlaß von Verfügungen, oder ob ſie lediglich in
der Ausführung von dienſtlichen Befehlen beſtehen. Von Wichtig-
keit kann dies ſein für die Klaſſifizirung der Beamten und für
das Maaß von Rechten, melches dem Beamten zukömmt; denn
es iſt ſelbſtverſtändlich, daß keineswegs alle Beamte dieſelbe recht-
liche Stellung dem Staate gegenüber haben. Aber für den Be-
griff der Staatsbeamten iſt es unerheblich, von welcher Gattung
die Geſchäfte ſind, welche der Staat verlangt. Auch die Boten,
Heizer, Portiers und Kaſtellane in den Dienſtgebäuden des Staa-
tes ſind Staatsbeamte, wenngleich ſie als Unterbeamte „eine be-
ſondere Klaſſe derſelben bilden“, wofern ſie nur „angeſtellt ſind“,
d. h. nicht in einem privatrechtlichen Miethsverhältniß zum Fiskus
ſtehen 2).


1) Richtig Zöpfl II. §. 513 Note 3. Das Reichsbeamtengeſetz
macht keinen Unterſchied zwiſchen Beamten mit obrigkeitlichen Funktionen und
ſolchen mit techniſchen oder wirthſchaftlichen Funktionen. Die bei der Ver-
waltung der Reichs-Eiſenbahnen oder der Reichsbank, bei der Seewarte in
Hamburg oder dem Archäolog. Inſtitut in Rom angeſtellten Perſonen ſind
Reichsbeamte, ſo gut wie die Mitglieder des Reichs-Oberhandelsgerichts oder
des Reichskanzleramts.
2) Die Thatſache, daß das Unterperſonal der Behörden ſehr häufig nur
nach Art der Dienſtboten gemiethet wird, ſowie daß die Rechte, welche die
Staatsdienergeſetze der Einzelſtaaten den Staatsbeamten zuſichern, meiſtens
nur den höheren Beamten eingeräumt wurden, hatte die Wirkung, daß man
in der Literatur ſich vielfach abmühte, zwiſchen den „eigentlichen“ Staatsbe-
amten und dem Hülfsperſonal einen begrifflichen Gegenſatz aufzuſtellen. Vgl.
namentlich Heffter Beiträge S. 113 ff. Ferner Marquardſen in Rot-
teck’s Staatslexicon 3. Aufl. I. S. 483. Bluntſchli II. S. 122. Pözl
in
Bluntſchli und Braters Staatswörterbuch IX. S. 687. Zachariä §. 133
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[390/0410] §. 37. Der Begriff des Reichsbeamten. allen Darſtellungen des Staatsrechts ein großes Gewicht gelegt wird, iſt aber gänzlich unpraktiſch. Die im Staatsdienſte angeſtellten Perſonen, welche die Domänen und Forſten, die Eiſen- bahnen und Bergwerke, die Magazine und induſtriellen Etabliſſe- ments des Staates verwalten, welche an den Univerſitäten und Gymnaſien Unterricht ertheilen, oder welche als Geſandte den diplomatiſchen Dienſt leiſten, ſind nicht weniger als Staatsbeamte zu erachten, wie Polizeibeamte und Richter 1). Sodann macht es für den Beamten-Begriff keinen Unterſchied, ob die Dienſte höherer oder niederer Art ſind, d. h. ob ſie ver- bunden ſind mit einer Dekretur, mit der Fällung von Entſcheidun- gen und dem Erlaß von Verfügungen, oder ob ſie lediglich in der Ausführung von dienſtlichen Befehlen beſtehen. Von Wichtig- keit kann dies ſein für die Klaſſifizirung der Beamten und für das Maaß von Rechten, melches dem Beamten zukömmt; denn es iſt ſelbſtverſtändlich, daß keineswegs alle Beamte dieſelbe recht- liche Stellung dem Staate gegenüber haben. Aber für den Be- griff der Staatsbeamten iſt es unerheblich, von welcher Gattung die Geſchäfte ſind, welche der Staat verlangt. Auch die Boten, Heizer, Portiers und Kaſtellane in den Dienſtgebäuden des Staa- tes ſind Staatsbeamte, wenngleich ſie als Unterbeamte „eine be- ſondere Klaſſe derſelben bilden“, wofern ſie nur „angeſtellt ſind“, d. h. nicht in einem privatrechtlichen Miethsverhältniß zum Fiskus ſtehen 2). 1) Richtig Zöpfl II. §. 513 Note 3. Das Reichsbeamtengeſetz macht keinen Unterſchied zwiſchen Beamten mit obrigkeitlichen Funktionen und ſolchen mit techniſchen oder wirthſchaftlichen Funktionen. Die bei der Ver- waltung der Reichs-Eiſenbahnen oder der Reichsbank, bei der Seewarte in Hamburg oder dem Archäolog. Inſtitut in Rom angeſtellten Perſonen ſind Reichsbeamte, ſo gut wie die Mitglieder des Reichs-Oberhandelsgerichts oder des Reichskanzleramts. 2) Die Thatſache, daß das Unterperſonal der Behörden ſehr häufig nur nach Art der Dienſtboten gemiethet wird, ſowie daß die Rechte, welche die Staatsdienergeſetze der Einzelſtaaten den Staatsbeamten zuſichern, meiſtens nur den höheren Beamten eingeräumt wurden, hatte die Wirkung, daß man in der Literatur ſich vielfach abmühte, zwiſchen den „eigentlichen“ Staatsbe- amten und dem Hülfsperſonal einen begrifflichen Gegenſatz aufzuſtellen. Vgl. namentlich Heffter Beiträge S. 113 ff. Ferner Marquardſen in Rot- teck’s Staatslexicon 3. Aufl. I. S. 483. Bluntſchli II. S. 122. Pözl in Bluntſchli und Braters Staatswörterbuch IX. S. 687. Zachariä §. 133

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/410>, abgerufen am 25.11.2024.