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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
Militärbefehlshabern stehen, tritt an die Stelle der Disciplinar-
kammer die Disciplinarkommission. (Gesetz vom 31. März 1873
§. 121.)

Die Kompetenz derselben ergiebt sich aus folgenden Sätzen:

Die Kompetenz ist ausgeschlossen hinsichtlich aller Per-
sonen des Soldatenstandes (Ges. §. 157), über welche die mili-
tärischen Vorgesetzten die Disciplinar-Strafgewalt ausüben gemäß
der Disciplinar-Strafordnung für das deutsche Heer vom 31. Okto-
ber 1872 und der Disciplinar-Strafordnung für die Kaiserliche
Marine vom 23. November 1872. Ferner hinsichtlich der richter-
lichen Militär-Justizbeamten, Auditeure, (Ges. §. 158), hin-
sichtlich deren die Vorschriften der Landesgesetze Anwendung finden 1).
Sodann hinsichtlich derjenigen Beamten des Militärs und der
Marine, welche sich in einem doppelten Unterordnungs-Ver-
hältniß, einerseits zu einem Militär-Befehlshaber, andererseits zu
einer ihnen vorgesetzten Verwaltungsbehörde befinden. Dieselben
stehen "bei Verletzung der Dienst-Vorschriften, welche die Grund-
lage ihrer Amtswirksamkeit bilden," unter der Disciplinar-Gewalt
der vorgesetzten Verwaltungsbehörde; hinsichtlich aller übrigen zur
Disciplinar-Bestrafung geeigneten Handlungen ist der vorgesetzte
Militär-Befehlshaber zuständig 2). Wenn gegen solche Militär-
oder Marine-Beamte im Wege des Disciplinarverfahrens auf Amts-
Entsetzung erkannt werden soll, so ist die Disciplinar-Kammer
zuständig und es finden alle, in dem Gesetz vom 31. März 1873
gegebenen Vorschriften über die Zusammensetzung der Disciplinar-
Kammern volle Anwendung 3). Hinsichtlich derjenigen Militär-

1) In Betreff der Auditeure der unter Preußischer Verwaltung ste-
henden Kontingente und der Marine-Auditeure finden die Vorschriften des
Preuß. Gesetzes vom 7. Mai 1851 über die Dienstvergehen der Richter (Ges.-
Sammlung S. 218), insbesondere §. 70. 72 Anwendung. Darnach ist das
General-Auditoriat das zuständige Disciplinar-Gericht für die Auditeure, das
Ober-Tribunal das zuständige Disciplinar-Gericht für die Mitglieder des Ge-
neral-Auditoriats. Vgl. auch Militär-Strafgerichts-Ordn. §. 86 ff. (B.-G.-Bl.
1867 S. 248.) Ausführliche Mittheilungen aus den Motiven des Reichsbe-
amtengesetzes bei Kanngießer S. 245 ff.
2) Motive a. a. O. S. 48. Daselbst wird hinzugefügt: "Wo die Gren-
zen dieser beiden Subordinations-Verhältnisse zweifelhaft sein sollten, müssen
bei Ausübung der Disciplinarstrafgewalt die für diese Beamten ertheilten be-
sonderen Dienstvorschriften und Instruktionen berücksichtigt werden."
3) Motive a. a. O. Kanngießer S. 215.

§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
Militärbefehlshabern ſtehen, tritt an die Stelle der Disciplinar-
kammer die Disciplinarkommiſſion. (Geſetz vom 31. März 1873
§. 121.)

Die Kompetenz derſelben ergiebt ſich aus folgenden Sätzen:

Die Kompetenz iſt ausgeſchloſſen hinſichtlich aller Per-
ſonen des Soldatenſtandes (Geſ. §. 157), über welche die mili-
täriſchen Vorgeſetzten die Disciplinar-Strafgewalt ausüben gemäß
der Disciplinar-Strafordnung für das deutſche Heer vom 31. Okto-
ber 1872 und der Disciplinar-Strafordnung für die Kaiſerliche
Marine vom 23. November 1872. Ferner hinſichtlich der richter-
lichen Militär-Juſtizbeamten, Auditeure, (Geſ. §. 158), hin-
ſichtlich deren die Vorſchriften der Landesgeſetze Anwendung finden 1).
Sodann hinſichtlich derjenigen Beamten des Militärs und der
Marine, welche ſich in einem doppelten Unterordnungs-Ver-
hältniß, einerſeits zu einem Militär-Befehlshaber, andererſeits zu
einer ihnen vorgeſetzten Verwaltungsbehörde befinden. Dieſelben
ſtehen „bei Verletzung der Dienſt-Vorſchriften, welche die Grund-
lage ihrer Amtswirkſamkeit bilden,“ unter der Disciplinar-Gewalt
der vorgeſetzten Verwaltungsbehörde; hinſichtlich aller übrigen zur
Disciplinar-Beſtrafung geeigneten Handlungen iſt der vorgeſetzte
Militär-Befehlshaber zuſtändig 2). Wenn gegen ſolche Militär-
oder Marine-Beamte im Wege des Disciplinarverfahrens auf Amts-
Entſetzung erkannt werden ſoll, ſo iſt die Disciplinar-Kammer
zuſtändig und es finden alle, in dem Geſetz vom 31. März 1873
gegebenen Vorſchriften über die Zuſammenſetzung der Disciplinar-
Kammern volle Anwendung 3). Hinſichtlich derjenigen Militär-

1) In Betreff der Auditeure der unter Preußiſcher Verwaltung ſte-
henden Kontingente und der Marine-Auditeure finden die Vorſchriften des
Preuß. Geſetzes vom 7. Mai 1851 über die Dienſtvergehen der Richter (Geſ.-
Sammlung S. 218), insbeſondere §. 70. 72 Anwendung. Darnach iſt das
General-Auditoriat das zuſtändige Disciplinar-Gericht für die Auditeure, das
Ober-Tribunal das zuſtändige Disciplinar-Gericht für die Mitglieder des Ge-
neral-Auditoriats. Vgl. auch Militär-Strafgerichts-Ordn. §. 86 ff. (B.-G.-Bl.
1867 S. 248.) Ausführliche Mittheilungen aus den Motiven des Reichsbe-
amtengeſetzes bei Kanngießer S. 245 ff.
2) Motive a. a. O. S. 48. Daſelbſt wird hinzugefügt: „Wo die Gren-
zen dieſer beiden Subordinations-Verhältniſſe zweifelhaft ſein ſollten, müſſen
bei Ausübung der Disciplinarſtrafgewalt die für dieſe Beamten ertheilten be-
ſonderen Dienſtvorſchriften und Inſtruktionen berückſichtigt werden.“
3) Motive a. a. O. Kanngießer S. 215.
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[373/0393] §. 36. Die richterlichen Reichsbehörden. Militärbefehlshabern ſtehen, tritt an die Stelle der Disciplinar- kammer die Disciplinarkommiſſion. (Geſetz vom 31. März 1873 §. 121.) Die Kompetenz derſelben ergiebt ſich aus folgenden Sätzen: Die Kompetenz iſt ausgeſchloſſen hinſichtlich aller Per- ſonen des Soldatenſtandes (Geſ. §. 157), über welche die mili- täriſchen Vorgeſetzten die Disciplinar-Strafgewalt ausüben gemäß der Disciplinar-Strafordnung für das deutſche Heer vom 31. Okto- ber 1872 und der Disciplinar-Strafordnung für die Kaiſerliche Marine vom 23. November 1872. Ferner hinſichtlich der richter- lichen Militär-Juſtizbeamten, Auditeure, (Geſ. §. 158), hin- ſichtlich deren die Vorſchriften der Landesgeſetze Anwendung finden 1). Sodann hinſichtlich derjenigen Beamten des Militärs und der Marine, welche ſich in einem doppelten Unterordnungs-Ver- hältniß, einerſeits zu einem Militär-Befehlshaber, andererſeits zu einer ihnen vorgeſetzten Verwaltungsbehörde befinden. Dieſelben ſtehen „bei Verletzung der Dienſt-Vorſchriften, welche die Grund- lage ihrer Amtswirkſamkeit bilden,“ unter der Disciplinar-Gewalt der vorgeſetzten Verwaltungsbehörde; hinſichtlich aller übrigen zur Disciplinar-Beſtrafung geeigneten Handlungen iſt der vorgeſetzte Militär-Befehlshaber zuſtändig 2). Wenn gegen ſolche Militär- oder Marine-Beamte im Wege des Disciplinarverfahrens auf Amts- Entſetzung erkannt werden ſoll, ſo iſt die Disciplinar-Kammer zuſtändig und es finden alle, in dem Geſetz vom 31. März 1873 gegebenen Vorſchriften über die Zuſammenſetzung der Disciplinar- Kammern volle Anwendung 3). Hinſichtlich derjenigen Militär- 1) In Betreff der Auditeure der unter Preußiſcher Verwaltung ſte- henden Kontingente und der Marine-Auditeure finden die Vorſchriften des Preuß. Geſetzes vom 7. Mai 1851 über die Dienſtvergehen der Richter (Geſ.- Sammlung S. 218), insbeſondere §. 70. 72 Anwendung. Darnach iſt das General-Auditoriat das zuſtändige Disciplinar-Gericht für die Auditeure, das Ober-Tribunal das zuſtändige Disciplinar-Gericht für die Mitglieder des Ge- neral-Auditoriats. Vgl. auch Militär-Strafgerichts-Ordn. §. 86 ff. (B.-G.-Bl. 1867 S. 248.) Ausführliche Mittheilungen aus den Motiven des Reichsbe- amtengeſetzes bei Kanngießer S. 245 ff. 2) Motive a. a. O. S. 48. Daſelbſt wird hinzugefügt: „Wo die Gren- zen dieſer beiden Subordinations-Verhältniſſe zweifelhaft ſein ſollten, müſſen bei Ausübung der Disciplinarſtrafgewalt die für dieſe Beamten ertheilten be- ſonderen Dienſtvorſchriften und Inſtruktionen berückſichtigt werden.“ 3) Motive a. a. O. Kanngießer S. 215.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/393>, abgerufen am 22.11.2024.