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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
massen die rechtsgeschichtliche Brücke zwischen der alten Bundes-
Verfassung und der neuen Bundesstaats-Verfassung bilden. Es
war zum ersten Male, daß die Umrisse des neu zu schaffenden
Bau's deutlich entgegen traten.

Es war zugleich zum letzten Male, daß eine Bundes-
reform
angestrebt wurde. Zwischen den Preußischen Vorschlägen
vom 11. Mai 1866 und den alsbald zu erwähnenden vom 10. Juni
1866 liegt eine staatsrechtlich überaus bedeutsame Kluft. Die
ersteren haben die Fortdauer des Bundes, die letzteren seine
Auflösung zur Voraussetzung; wären die Reform-Vorschläge
vom 11. Mai von Erfolg gewesen, so bestünde zwischen dem alten
Bunde und dem heutigen Verfassungszustande rechtliche Con-
tinuität
; die Ereignisse vom 14. Juni 1866 haben dieselbe zer-
stört; der Bund wurde vernichtet, nicht reformirt; und es mußte
erst wieder die Grundlage zu einem staatsrechtlichen Neubau ge-
schaffen werden.

Unmittelbar vor der Katastrophe, am 10. Juni 1866 richtete
Fürst Bismarck an die deutschen Regierungen eine Circular-Depesche 1),
in welcher er ihnen "Grundzüge zu einer neuen Bundes-
verfassung
" zur Erwägung mittheilte und sie ersuchte, sich zu-
gleich über die Frage schlüssig machen zu wollen,
"ob sie eventuell, wenn in der Zwischenzeit bei der
drohenden Kriegsgefahr die bisherigen Bun-
desverhältnisse sich lösen sollten
, einem auf der
Basis dieser Modifikationen des alten Bundesvertrages
neu zu errichtenden Bunde beizutreten geneigt sein
würden."

Die "Grundzüge" 2) gehen davon aus, daß das Bundesgebiet
aus denjenigen Staaten besteht, welche bisher dem Bunde an-
gehört haben, mit Ausnahme der österreichischen und niederländi-
schen Landestheile (Art I). Es sollten demnach die nicht zum ehe-
maligen Bunde gehörenden Landestheile Preußens und Schleswig
eingeschlossen werden, Oesterreich und die niederländischen Landes-
theile 3) ausscheiden. Die Beziehungen des Bundes zu den deutschen

1) Hahn S. 123.
2) Hahn S. 121. Glaser I. 1. S. 29.
3) d. h. Limburg; denn Luxemburg steht mit Holland nur in Personal-

§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
maſſen die rechtsgeſchichtliche Brücke zwiſchen der alten Bundes-
Verfaſſung und der neuen Bundesſtaats-Verfaſſung bilden. Es
war zum erſten Male, daß die Umriſſe des neu zu ſchaffenden
Bau’s deutlich entgegen traten.

Es war zugleich zum letzten Male, daß eine Bundes-
reform
angeſtrebt wurde. Zwiſchen den Preußiſchen Vorſchlägen
vom 11. Mai 1866 und den alsbald zu erwähnenden vom 10. Juni
1866 liegt eine ſtaatsrechtlich überaus bedeutſame Kluft. Die
erſteren haben die Fortdauer des Bundes, die letzteren ſeine
Auflöſung zur Vorausſetzung; wären die Reform-Vorſchläge
vom 11. Mai von Erfolg geweſen, ſo beſtünde zwiſchen dem alten
Bunde und dem heutigen Verfaſſungszuſtande rechtliche Con-
tinuität
; die Ereigniſſe vom 14. Juni 1866 haben dieſelbe zer-
ſtört; der Bund wurde vernichtet, nicht reformirt; und es mußte
erſt wieder die Grundlage zu einem ſtaatsrechtlichen Neubau ge-
ſchaffen werden.

Unmittelbar vor der Kataſtrophe, am 10. Juni 1866 richtete
Fürſt Bismarck an die deutſchen Regierungen eine Circular-Depeſche 1),
in welcher er ihnen „Grundzüge zu einer neuen Bundes-
verfaſſung
“ zur Erwägung mittheilte und ſie erſuchte, ſich zu-
gleich über die Frage ſchlüſſig machen zu wollen,
„ob ſie eventuell, wenn in der Zwiſchenzeit bei der
drohenden Kriegsgefahr die bisherigen Bun-
desverhältniſſe ſich löſen ſollten
, einem auf der
Baſis dieſer Modifikationen des alten Bundesvertrages
neu zu errichtenden Bunde beizutreten geneigt ſein
würden.“

Die „Grundzüge“ 2) gehen davon aus, daß das Bundesgebiet
aus denjenigen Staaten beſteht, welche bisher dem Bunde an-
gehört haben, mit Ausnahme der öſterreichiſchen und niederländi-
ſchen Landestheile (Art I). Es ſollten demnach die nicht zum ehe-
maligen Bunde gehörenden Landestheile Preußens und Schleswig
eingeſchloſſen werden, Oeſterreich und die niederländiſchen Landes-
theile 3) ausſcheiden. Die Beziehungen des Bundes zu den deutſchen

1) Hahn S. 123.
2) Hahn S. 121. Glaſer I. 1. S. 29.
3) d. h. Limburg; denn Luxemburg ſteht mit Holland nur in Perſonal-
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[13/0033] §. 2. Die Gründung des nordd. Bundes. maſſen die rechtsgeſchichtliche Brücke zwiſchen der alten Bundes- Verfaſſung und der neuen Bundesſtaats-Verfaſſung bilden. Es war zum erſten Male, daß die Umriſſe des neu zu ſchaffenden Bau’s deutlich entgegen traten. Es war zugleich zum letzten Male, daß eine Bundes- reform angeſtrebt wurde. Zwiſchen den Preußiſchen Vorſchlägen vom 11. Mai 1866 und den alsbald zu erwähnenden vom 10. Juni 1866 liegt eine ſtaatsrechtlich überaus bedeutſame Kluft. Die erſteren haben die Fortdauer des Bundes, die letzteren ſeine Auflöſung zur Vorausſetzung; wären die Reform-Vorſchläge vom 11. Mai von Erfolg geweſen, ſo beſtünde zwiſchen dem alten Bunde und dem heutigen Verfaſſungszuſtande rechtliche Con- tinuität; die Ereigniſſe vom 14. Juni 1866 haben dieſelbe zer- ſtört; der Bund wurde vernichtet, nicht reformirt; und es mußte erſt wieder die Grundlage zu einem ſtaatsrechtlichen Neubau ge- ſchaffen werden. Unmittelbar vor der Kataſtrophe, am 10. Juni 1866 richtete Fürſt Bismarck an die deutſchen Regierungen eine Circular-Depeſche 1), in welcher er ihnen „Grundzüge zu einer neuen Bundes- verfaſſung“ zur Erwägung mittheilte und ſie erſuchte, ſich zu- gleich über die Frage ſchlüſſig machen zu wollen, „ob ſie eventuell, wenn in der Zwiſchenzeit bei der drohenden Kriegsgefahr die bisherigen Bun- desverhältniſſe ſich löſen ſollten, einem auf der Baſis dieſer Modifikationen des alten Bundesvertrages neu zu errichtenden Bunde beizutreten geneigt ſein würden.“ Die „Grundzüge“ 2) gehen davon aus, daß das Bundesgebiet aus denjenigen Staaten beſteht, welche bisher dem Bunde an- gehört haben, mit Ausnahme der öſterreichiſchen und niederländi- ſchen Landestheile (Art I). Es ſollten demnach die nicht zum ehe- maligen Bunde gehörenden Landestheile Preußens und Schleswig eingeſchloſſen werden, Oeſterreich und die niederländiſchen Landes- theile 3) ausſcheiden. Die Beziehungen des Bundes zu den deutſchen 1) Hahn S. 123. 2) Hahn S. 121. Glaſer I. 1. S. 29. 3) d. h. Limburg; denn Luxemburg ſteht mit Holland nur in Perſonal-

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/33>, abgerufen am 24.11.2024.