berechtigte Subjecte, sondern nur der Staat selbst ist das alleinige Subject der gesammten und ungetheilten Staatsgewalt. Amtsge- walt ist Nichts anderes als Staatsgewalt. Es folgt hieraus, daß niemals eine Behörde dem Staate gegenüber ein subjectives Recht hat. Dadurch ist der begriffliche Gegensatz zwischen einer Staatsbehörde und einem Selbstverwaltungs-Körper, oder dem Inhaber eines patrimonialen (feudalen) Hoheitsrechts gegeben. Nur den Unterthanen gegenüber erscheint die Behörde als Subject von Hoheitsrechten, indem sie gewissermassen die concrete Mani- festation des Staates darstellt und mit dem Staate selbst identisch wird. Im Verhältniß zum Staate dagegen hat die Behörde nur etwa die Bedeutung wie ein Rad oder eine Schraube an einer Maschinerie.
Es kann daher der Staat nach freiem Ermessen den Geschäfts- kreis einer Behörde verändern, erweitern oder verengern, auf eine andere Behörde übertragen u. s. w. und dadurch die öffentlich- rechtlichen Befugnisse, welche eine Behörde bis dahin ausgeübt hat, ihr ganz oder theilweise entziehen, ohne daß die Behörde ein Widerspruchsrecht dagegen hat. Wenn ein gewisser Kreis von Geschäften einer Behörde abgenommen und einer anderen über- tragen wird, so finden darauf in keiner Beziehung die Grund- sätze von der Succession in Rechte Anwendung, weder von der Universal-Succession noch von der Singular-Succession, denn es hat ein Uebergang subjectiver Rechte überhaupt nicht stattgefunden. Wenn Jemand, sei es eine Privatperson oder eine andere Staats- behörde unbefugter Weise oder mit Ueberschreitung ihrer Kompetenz in den Geschäftskreis einer Behörde eingreift, so ist dies nicht die Verletzung eines subjectiven Rechts dieser Behörde oder ihrer Mitglieder, sondern eine Verletzung der objectiven Rechts-Ordnung. Es kann weder durch Privat-Transactionen unter den betheiligten Behörden oder Beamten eine derartige Störung der objectiven Grundsätze über die planmäßige Vertheilung der staatlichen Ge- schäfte gesühnt oder legalisirt werden, noch hat andererseits die Behörde oder der Beamte wegen eines Eingriffes in die Kompe- tenz einen subjectiven Anspruch auf eine Genugthuung irgend wel- cher Art.
III. Auf Grund dieser allgemeinen Sätze über das Wesen
§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden.
berechtigte Subjecte, ſondern nur der Staat ſelbſt iſt das alleinige Subject der geſammten und ungetheilten Staatsgewalt. Amtsge- walt iſt Nichts anderes als Staatsgewalt. Es folgt hieraus, daß niemals eine Behörde dem Staate gegenüber ein ſubjectives Recht hat. Dadurch iſt der begriffliche Gegenſatz zwiſchen einer Staatsbehörde und einem Selbſtverwaltungs-Körper, oder dem Inhaber eines patrimonialen (feudalen) Hoheitsrechts gegeben. Nur den Unterthanen gegenüber erſcheint die Behörde als Subject von Hoheitsrechten, indem ſie gewiſſermaſſen die concrete Mani- feſtation des Staates darſtellt und mit dem Staate ſelbſt identiſch wird. Im Verhältniß zum Staate dagegen hat die Behörde nur etwa die Bedeutung wie ein Rad oder eine Schraube an einer Maſchinerie.
Es kann daher der Staat nach freiem Ermeſſen den Geſchäfts- kreis einer Behörde verändern, erweitern oder verengern, auf eine andere Behörde übertragen u. ſ. w. und dadurch die öffentlich- rechtlichen Befugniſſe, welche eine Behörde bis dahin ausgeübt hat, ihr ganz oder theilweiſe entziehen, ohne daß die Behörde ein Widerſpruchsrecht dagegen hat. Wenn ein gewiſſer Kreis von Geſchäften einer Behörde abgenommen und einer anderen über- tragen wird, ſo finden darauf in keiner Beziehung die Grund- ſätze von der Succeſſion in Rechte Anwendung, weder von der Univerſal-Succeſſion noch von der Singular-Succeſſion, denn es hat ein Uebergang ſubjectiver Rechte überhaupt nicht ſtattgefunden. Wenn Jemand, ſei es eine Privatperſon oder eine andere Staats- behörde unbefugter Weiſe oder mit Ueberſchreitung ihrer Kompetenz in den Geſchäftskreis einer Behörde eingreift, ſo iſt dies nicht die Verletzung eines ſubjectiven Rechts dieſer Behörde oder ihrer Mitglieder, ſondern eine Verletzung der objectiven Rechts-Ordnung. Es kann weder durch Privat-Transactionen unter den betheiligten Behörden oder Beamten eine derartige Störung der objectiven Grundſätze über die planmäßige Vertheilung der ſtaatlichen Ge- ſchäfte geſühnt oder legaliſirt werden, noch hat andererſeits die Behörde oder der Beamte wegen eines Eingriffes in die Kompe- tenz einen ſubjectiven Anſpruch auf eine Genugthuung irgend wel- cher Art.
III. Auf Grund dieſer allgemeinen Sätze über das Weſen
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§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden.
berechtigte Subjecte, ſondern nur der Staat ſelbſt iſt das alleinige
Subject der geſammten und ungetheilten Staatsgewalt. Amtsge-
walt iſt Nichts anderes als Staatsgewalt. Es folgt hieraus, daß
niemals eine Behörde dem Staate gegenüber ein ſubjectives
Recht hat. Dadurch iſt der begriffliche Gegenſatz zwiſchen einer
Staatsbehörde und einem Selbſtverwaltungs-Körper, oder dem
Inhaber eines patrimonialen (feudalen) Hoheitsrechts gegeben. Nur
den Unterthanen gegenüber erſcheint die Behörde als Subject
von Hoheitsrechten, indem ſie gewiſſermaſſen die concrete Mani-
feſtation des Staates darſtellt und mit dem Staate ſelbſt identiſch
wird. Im Verhältniß zum Staate dagegen hat die Behörde nur
etwa die Bedeutung wie ein Rad oder eine Schraube an einer
Maſchinerie.
Es kann daher der Staat nach freiem Ermeſſen den Geſchäfts-
kreis einer Behörde verändern, erweitern oder verengern, auf
eine andere Behörde übertragen u. ſ. w. und dadurch die öffentlich-
rechtlichen Befugniſſe, welche eine Behörde bis dahin ausgeübt
hat, ihr ganz oder theilweiſe entziehen, ohne daß die Behörde ein
Widerſpruchsrecht dagegen hat. Wenn ein gewiſſer Kreis von
Geſchäften einer Behörde abgenommen und einer anderen über-
tragen wird, ſo finden darauf in keiner Beziehung die Grund-
ſätze von der Succeſſion in Rechte Anwendung, weder von der
Univerſal-Succeſſion noch von der Singular-Succeſſion, denn es
hat ein Uebergang ſubjectiver Rechte überhaupt nicht ſtattgefunden.
Wenn Jemand, ſei es eine Privatperſon oder eine andere Staats-
behörde unbefugter Weiſe oder mit Ueberſchreitung ihrer Kompetenz
in den Geſchäftskreis einer Behörde eingreift, ſo iſt dies nicht die
Verletzung eines ſubjectiven Rechts dieſer Behörde oder ihrer
Mitglieder, ſondern eine Verletzung der objectiven Rechts-Ordnung.
Es kann weder durch Privat-Transactionen unter den betheiligten
Behörden oder Beamten eine derartige Störung der objectiven
Grundſätze über die planmäßige Vertheilung der ſtaatlichen Ge-
ſchäfte geſühnt oder legaliſirt werden, noch hat andererſeits die
Behörde oder der Beamte wegen eines Eingriffes in die Kompe-
tenz einen ſubjectiven Anſpruch auf eine Genugthuung irgend wel-
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/315>, abgerufen am 24.11.2024.
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