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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 30. Die formelle Erledigung der Geschäfte des Bundesrathes.
desrathes. Die ersteren sind diejenigen, welche mit den ordent-
lichen Sitzungsperioden des Reichstages zusammenfallen, unbescha-
det der Abweichung, daß sie früher eröffnet und später geschlossen
werden können. Außerordentliche Sessionen sind alle übrigen
Fälle, in denen der Bundesrath berufen wird. Eine staatsrecht-
liche Bedeutung hat die Unterscheidung nicht. Zwischen den ver-
schiedenen Sessionen des Bundesrathes besteht das sogen. Prinzip
der Kontinuität
; d. h. Angelegenheiten, welche in einer
Sitzungs-Periode nicht völlig erledigt sind, werden in einer fol-
genden Sitzungs-Periode an dem Punkte, bis zu welchem sie ge-
diehen sind, fortgeführt. Es ist nicht erforderlich, daß sie den
geschäftsordnungsmäßigen Weg der Behandlung nochmals von
Anfang an durchmachen.

II. Der Vorsitz im Bundesrathe und die Lei-
tung der Geschäfte steht dem Reichskanzler zu, wel-
cher vom Kaiser zu ernennen ist
. R.-V. Art. 15 Abs. 1.

1) Der Vorsitz im Bundesrathe ist ein von der Prä-
sidialstellung des Königs von Preußen abgeleitetes Recht. Dem
Präsidium Preußens im Bunde entspricht das Präsidium des
stimmführenden Bevollmächtigten Preußens im Bundesrathe. Die
Reichsverfassung giebt diesem Verhältniß keinen unmittelbaren und
bestimmten Ausdruck; denn sie knüpft den Vorsitz im Bundes-
rathe nicht an die Eigenschaft, Preußischer Bevollmächtigter zu
sein, sondern an die Eigenschaft, Reichskanzler zu sein. Sachlich
besteht aber kein Unterschied, da der Reichskanzler immer zugleich
Preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrathe sein muß; denn
der Kaiser als solcher kann keine Bundesraths-Mitglieder ernen-
nen, sondern nur der König von Preußen 1), der Reichskanzler
aber muß zu Folge Art. 15 Mitglied des Bundesrathes sein und
zwar ein vom Kaiser ernanntes, woraus sich von selbst ergiebt,
daß der Reichskanzler immer zu den vom Kaiser als König von
Preußen ernannten Bevollmächtigten gehören muß, oder mit an-
deren Worten, daß der Reichskanzler immer zugleich auch der
(stimmführende) Bevollmächtigte des Preußischen Staates ist 2).
In der alsbald zu erwähnenden Bestimmung des Bayer. Schluß-

1) Siehe oben S. 234.
2) Vgl. auch unten §. 33.

§. 30. Die formelle Erledigung der Geſchäfte des Bundesrathes.
desrathes. Die erſteren ſind diejenigen, welche mit den ordent-
lichen Sitzungsperioden des Reichstages zuſammenfallen, unbeſcha-
det der Abweichung, daß ſie früher eröffnet und ſpäter geſchloſſen
werden können. Außerordentliche Seſſionen ſind alle übrigen
Fälle, in denen der Bundesrath berufen wird. Eine ſtaatsrecht-
liche Bedeutung hat die Unterſcheidung nicht. Zwiſchen den ver-
ſchiedenen Seſſionen des Bundesrathes beſteht das ſogen. Prinzip
der Kontinuität
; d. h. Angelegenheiten, welche in einer
Sitzungs-Periode nicht völlig erledigt ſind, werden in einer fol-
genden Sitzungs-Periode an dem Punkte, bis zu welchem ſie ge-
diehen ſind, fortgeführt. Es iſt nicht erforderlich, daß ſie den
geſchäftsordnungsmäßigen Weg der Behandlung nochmals von
Anfang an durchmachen.

II. Der Vorſitz im Bundesrathe und die Lei-
tung der Geſchäfte ſteht dem Reichskanzler zu, wel-
cher vom Kaiſer zu ernennen iſt
. R.-V. Art. 15 Abſ. 1.

1) Der Vorſitz im Bundesrathe iſt ein von der Prä-
ſidialſtellung des Königs von Preußen abgeleitetes Recht. Dem
Präſidium Preußens im Bunde entſpricht das Präſidium des
ſtimmführenden Bevollmächtigten Preußens im Bundesrathe. Die
Reichsverfaſſung giebt dieſem Verhältniß keinen unmittelbaren und
beſtimmten Ausdruck; denn ſie knüpft den Vorſitz im Bundes-
rathe nicht an die Eigenſchaft, Preußiſcher Bevollmächtigter zu
ſein, ſondern an die Eigenſchaft, Reichskanzler zu ſein. Sachlich
beſteht aber kein Unterſchied, da der Reichskanzler immer zugleich
Preußiſcher Bevollmächtigter zum Bundesrathe ſein muß; denn
der Kaiſer als ſolcher kann keine Bundesraths-Mitglieder ernen-
nen, ſondern nur der König von Preußen 1), der Reichskanzler
aber muß zu Folge Art. 15 Mitglied des Bundesrathes ſein und
zwar ein vom Kaiſer ernanntes, woraus ſich von ſelbſt ergiebt,
daß der Reichskanzler immer zu den vom Kaiſer als König von
Preußen ernannten Bevollmächtigten gehören muß, oder mit an-
deren Worten, daß der Reichskanzler immer zugleich auch der
(ſtimmführende) Bevollmächtigte des Preußiſchen Staates iſt 2).
In der alsbald zu erwähnenden Beſtimmung des Bayer. Schluß-

1) Siehe oben S. 234.
2) Vgl. auch unten §. 33.
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[274/0294] §. 30. Die formelle Erledigung der Geſchäfte des Bundesrathes. desrathes. Die erſteren ſind diejenigen, welche mit den ordent- lichen Sitzungsperioden des Reichstages zuſammenfallen, unbeſcha- det der Abweichung, daß ſie früher eröffnet und ſpäter geſchloſſen werden können. Außerordentliche Seſſionen ſind alle übrigen Fälle, in denen der Bundesrath berufen wird. Eine ſtaatsrecht- liche Bedeutung hat die Unterſcheidung nicht. Zwiſchen den ver- ſchiedenen Seſſionen des Bundesrathes beſteht das ſogen. Prinzip der Kontinuität; d. h. Angelegenheiten, welche in einer Sitzungs-Periode nicht völlig erledigt ſind, werden in einer fol- genden Sitzungs-Periode an dem Punkte, bis zu welchem ſie ge- diehen ſind, fortgeführt. Es iſt nicht erforderlich, daß ſie den geſchäftsordnungsmäßigen Weg der Behandlung nochmals von Anfang an durchmachen. II. Der Vorſitz im Bundesrathe und die Lei- tung der Geſchäfte ſteht dem Reichskanzler zu, wel- cher vom Kaiſer zu ernennen iſt. R.-V. Art. 15 Abſ. 1. 1) Der Vorſitz im Bundesrathe iſt ein von der Prä- ſidialſtellung des Königs von Preußen abgeleitetes Recht. Dem Präſidium Preußens im Bunde entſpricht das Präſidium des ſtimmführenden Bevollmächtigten Preußens im Bundesrathe. Die Reichsverfaſſung giebt dieſem Verhältniß keinen unmittelbaren und beſtimmten Ausdruck; denn ſie knüpft den Vorſitz im Bundes- rathe nicht an die Eigenſchaft, Preußiſcher Bevollmächtigter zu ſein, ſondern an die Eigenſchaft, Reichskanzler zu ſein. Sachlich beſteht aber kein Unterſchied, da der Reichskanzler immer zugleich Preußiſcher Bevollmächtigter zum Bundesrathe ſein muß; denn der Kaiſer als ſolcher kann keine Bundesraths-Mitglieder ernen- nen, ſondern nur der König von Preußen 1), der Reichskanzler aber muß zu Folge Art. 15 Mitglied des Bundesrathes ſein und zwar ein vom Kaiſer ernanntes, woraus ſich von ſelbſt ergiebt, daß der Reichskanzler immer zu den vom Kaiſer als König von Preußen ernannten Bevollmächtigten gehören muß, oder mit an- deren Worten, daß der Reichskanzler immer zugleich auch der (ſtimmführende) Bevollmächtigte des Preußiſchen Staates iſt 2). In der alsbald zu erwähnenden Beſtimmung des Bayer. Schluß- 1) Siehe oben S. 234. 2) Vgl. auch unten §. 33.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/294>, abgerufen am 24.11.2024.