Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches. bildet er die eigentliche Instanz; das Collegium, welchem er dieEntscheidung der Streitfrage aufträgt, hat keine eigene Competenz, sondern erstattet nur ein sachverständiges Gutachten, welches nur dadurch bindende Kraft und rechtliche Bedeutung erlangt, daß es der Bundesrath bestätigt. Aus der Natur der Sache ergiebt sich, daß es den streitenden Ueber das Verfahren, welches der Bundesrath einzuschlagen Auch in dem, in der Wiener Schlußacte Art. 30 vorgesehenen 1) Vgl. über das Bundes-Austrägal-Verfahren Klüber §. 172 ff. Zöpfl I. §. 159 ff. Zachariä II. §. 267. 270 fg., woselbst auch die Literatur an- gegeben ist. 2) Das Nähere bei Klüber §. 176. Zöpfl I. §. 157. Zacharia II. §. 273. 3) Es ist allerdings zuzugeben, daß Fälle denkbar sind, welche weder
§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches. bildet er die eigentliche Inſtanz; das Collegium, welchem er dieEntſcheidung der Streitfrage aufträgt, hat keine eigene Competenz, ſondern erſtattet nur ein ſachverſtändiges Gutachten, welches nur dadurch bindende Kraft und rechtliche Bedeutung erlangt, daß es der Bundesrath beſtätigt. Aus der Natur der Sache ergiebt ſich, daß es den ſtreitenden Ueber das Verfahren, welches der Bundesrath einzuſchlagen Auch in dem, in der Wiener Schlußacte Art. 30 vorgeſehenen 1) Vgl. über das Bundes-Auſträgal-Verfahren Klüber §. 172 ff. Zöpfl I. §. 159 ff. Zachariä II. §. 267. 270 fg., woſelbſt auch die Literatur an- gegeben iſt. 2) Das Nähere bei Klüber §. 176. Zöpfl I. §. 157. Zacharia II. §. 273. 3) Es iſt allerdings zuzugeben, daß Fälle denkbar ſind, welche weder
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§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
bildet er die eigentliche Inſtanz; das Collegium, welchem er die
Entſcheidung der Streitfrage aufträgt, hat keine eigene Competenz,
ſondern erſtattet nur ein ſachverſtändiges Gutachten, welches nur
dadurch bindende Kraft und rechtliche Bedeutung erlangt, daß es
der Bundesrath beſtätigt.
Aus der Natur der Sache ergiebt ſich, daß es den ſtreitenden
Staaten unbenommen iſt, durch Compromiß oder durch irgend eine
Form der Austräge ihren Zwiſt zu entſcheiden. Der Art. 76 will
nicht dem Bundesrath eine ausſchließende richterliche Kompetenz
bei Streitigkeiten unter den deutſchen Staaten beilegen, ſondern
er will nur ein Mittel gewähren, um den Landfrieden für alle
Fälle aufrecht halten zu können. Da der Krieg unter den im
Reiche ſtaatlich verbundenen Gliedern abſolut ausgeſchloſſen iſt, ſo
muß eine Inſtanz vorhanden ſein, welche Streitigkeiten zu erledigen
vermag, wenn alle ſonſt zuläſſigen Mittel einer friedlichen Ent-
ſcheidung erſchöpft ſind. Deshalb iſt die Kompetenz des Bundes-
rathes dann nicht begründet, wenn keiner der ſtreitenden Staaten
ſeine Einmiſchung anruft.
Ueber das Verfahren, welches der Bundesrath einzuſchlagen
hat, wenn derſelbe angerufen wird, hat weder die Geſetzgebung
noch die Praxis bisher Regeln aufgeſtellt. Es ſteht aber nichts
im Wege und würde ſich aus praktiſchen Gründen wohl empfehlen,
diejenigen Vorſchriften zur Anwendung zu bringen, welche zu Zeiten
des deutſchen Bundes für das Bundes-Auſträgal-Verfahren beſtanden
haben 1).
Auch in dem, in der Wiener Schlußacte Art. 30 vorgeſehenen
Falle, daß Forderungen von Privatperſonen deshalb nicht befrie-
digt werden können, weil die Verpflichtung, denſelben Genüge zu
leiſten, zwiſchen mehreren Bundesgliedern zweifelhaft oder beſtritten
iſt 2), wird der Bundesrath regelmäßig entweder wegen Art. 76
Abſ. 1 oder wegen Art 77 zur Erledigung der Streitfrage com-
petent ſein 3), ſoweit nicht in Folge des Geſetzes vom 6. Juni
1) Vgl. über das Bundes-Auſträgal-Verfahren Klüber §. 172 ff. Zöpfl
I. §. 159 ff. Zachariä II. §. 267. 270 fg., woſelbſt auch die Literatur an-
gegeben iſt.
2) Das Nähere bei Klüber §. 176. Zöpfl I. §. 157. Zacharia II.
§. 273.
3) Es iſt allerdings zuzugeben, daß Fälle denkbar ſind, welche weder
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