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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
dern er ist die Willenserklärung eines selbstständigen, öffentlich
rechtlichen Subjekts, welchem die staatliche Herrschaft über die Ein-
zelstaaten zusteht, das aber durch die Gesammtheit der letzteren
gebildet wird.

Es mag hier nochmals daran erinnert werden, was oben
S. 388 fg. bereits ausgeführt worden ist, daß dem Bundesrath nicht
die Souveränetät zusteht, daß er nicht Subjekt der Reichsgewalt
ist 1). Er ist nur ein Organ, dessen sich dieses Subjekt zur Aus-
übung gewisser Funktionen bedient. Sowie in diesem ideellen
Subjekt die Personen der Mitglieder, aus denen es gebildet ist,
als Individuen verschwinden, so erscheint auch der Bundesrath
als Einheit, sobald er an der Ausübung der Reichsgewalt und
an der Durchführung der dem Reiche obliegenden Aufgaben Antheil
nimmt.

Man kann daher auch nicht behaupten, die Souveränetät
des Reiches sei zwischen Bundesrath und Kaiser getheilt. Die
souveräne Gewalt ist untheilbar und weder dem Bundesrath noch
dem Kaiser steht ein Theil derselben zu; sie gehört vielmehr ganz
und vollständig der Gesammtheit der deutschen Staaten. Aber
die Funktionen der Staatsthätigkeit, die Leistung der staatlichen
Arbeit im Reich, die Handhabung der souveränen Gewalt auf
verschiedenen Gebieten des staatlichen Lebens sind an mehrere
Organe vertheilt und von dem Zusammenwirken derselben abhän-
gig gemacht. Die Art dieser Vertheilung beruht oft mehr auf
politischen Gründen und Zweckmäßigkeits-Erwägungen als auf juri-
stischen Principien und logischen Consequenzen. Mit einer Defini-
tion des Bundesrathes den Wirkungskreis desselben so zu bestim-
men, daß Alles was ihm obliegt, eingeschlossen, und alles Andere
ausgeschlossen ist, erweist sich als unmöglich.

Wohl aber kann man die Stellung des Bundesrathes im Or-
ganismus des Reiches näher bestimmen, namentlich im Gegensatz
zu der Stellung des Kaisers.

Schon aus den dem Kaiser zugewiesenen Funktionen ergibt
sich, was für den Bundesrath übrig bleibt. Dem Kaiser steht zu:

1) Das Verhältniß ist dasselbe wie bei privatrechtlichen Korporationen
das Verhältniß der Beschlüsse der General-Versammlung zu den Abstimmungen
und anderen Willensbethätigungen der einzelnen Mitglieder.

§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
dern er iſt die Willenserklärung eines ſelbſtſtändigen, öffentlich
rechtlichen Subjekts, welchem die ſtaatliche Herrſchaft über die Ein-
zelſtaaten zuſteht, das aber durch die Geſammtheit der letzteren
gebildet wird.

Es mag hier nochmals daran erinnert werden, was oben
S. 388 fg. bereits ausgeführt worden iſt, daß dem Bundesrath nicht
die Souveränetät zuſteht, daß er nicht Subjekt der Reichsgewalt
iſt 1). Er iſt nur ein Organ, deſſen ſich dieſes Subjekt zur Aus-
übung gewiſſer Funktionen bedient. Sowie in dieſem ideellen
Subjekt die Perſonen der Mitglieder, aus denen es gebildet iſt,
als Individuen verſchwinden, ſo erſcheint auch der Bundesrath
als Einheit, ſobald er an der Ausübung der Reichsgewalt und
an der Durchführung der dem Reiche obliegenden Aufgaben Antheil
nimmt.

Man kann daher auch nicht behaupten, die Souveränetät
des Reiches ſei zwiſchen Bundesrath und Kaiſer getheilt. Die
ſouveräne Gewalt iſt untheilbar und weder dem Bundesrath noch
dem Kaiſer ſteht ein Theil derſelben zu; ſie gehört vielmehr ganz
und vollſtändig der Geſammtheit der deutſchen Staaten. Aber
die Funktionen der Staatsthätigkeit, die Leiſtung der ſtaatlichen
Arbeit im Reich, die Handhabung der ſouveränen Gewalt auf
verſchiedenen Gebieten des ſtaatlichen Lebens ſind an mehrere
Organe vertheilt und von dem Zuſammenwirken derſelben abhän-
gig gemacht. Die Art dieſer Vertheilung beruht oft mehr auf
politiſchen Gründen und Zweckmäßigkeits-Erwägungen als auf juri-
ſtiſchen Principien und logiſchen Conſequenzen. Mit einer Defini-
tion des Bundesrathes den Wirkungskreis deſſelben ſo zu beſtim-
men, daß Alles was ihm obliegt, eingeſchloſſen, und alles Andere
ausgeſchloſſen iſt, erweiſt ſich als unmöglich.

Wohl aber kann man die Stellung des Bundesrathes im Or-
ganismus des Reiches näher beſtimmen, namentlich im Gegenſatz
zu der Stellung des Kaiſers.

Schon aus den dem Kaiſer zugewieſenen Funktionen ergibt
ſich, was für den Bundesrath übrig bleibt. Dem Kaiſer ſteht zu:

1) Das Verhältniß iſt daſſelbe wie bei privatrechtlichen Korporationen
das Verhältniß der Beſchlüſſe der General-Verſammlung zu den Abſtimmungen
und anderen Willensbethätigungen der einzelnen Mitglieder.
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[251/0271] §. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches. dern er iſt die Willenserklärung eines ſelbſtſtändigen, öffentlich rechtlichen Subjekts, welchem die ſtaatliche Herrſchaft über die Ein- zelſtaaten zuſteht, das aber durch die Geſammtheit der letzteren gebildet wird. Es mag hier nochmals daran erinnert werden, was oben S. 388 fg. bereits ausgeführt worden iſt, daß dem Bundesrath nicht die Souveränetät zuſteht, daß er nicht Subjekt der Reichsgewalt iſt 1). Er iſt nur ein Organ, deſſen ſich dieſes Subjekt zur Aus- übung gewiſſer Funktionen bedient. Sowie in dieſem ideellen Subjekt die Perſonen der Mitglieder, aus denen es gebildet iſt, als Individuen verſchwinden, ſo erſcheint auch der Bundesrath als Einheit, ſobald er an der Ausübung der Reichsgewalt und an der Durchführung der dem Reiche obliegenden Aufgaben Antheil nimmt. Man kann daher auch nicht behaupten, die Souveränetät des Reiches ſei zwiſchen Bundesrath und Kaiſer getheilt. Die ſouveräne Gewalt iſt untheilbar und weder dem Bundesrath noch dem Kaiſer ſteht ein Theil derſelben zu; ſie gehört vielmehr ganz und vollſtändig der Geſammtheit der deutſchen Staaten. Aber die Funktionen der Staatsthätigkeit, die Leiſtung der ſtaatlichen Arbeit im Reich, die Handhabung der ſouveränen Gewalt auf verſchiedenen Gebieten des ſtaatlichen Lebens ſind an mehrere Organe vertheilt und von dem Zuſammenwirken derſelben abhän- gig gemacht. Die Art dieſer Vertheilung beruht oft mehr auf politiſchen Gründen und Zweckmäßigkeits-Erwägungen als auf juri- ſtiſchen Principien und logiſchen Conſequenzen. Mit einer Defini- tion des Bundesrathes den Wirkungskreis deſſelben ſo zu beſtim- men, daß Alles was ihm obliegt, eingeſchloſſen, und alles Andere ausgeſchloſſen iſt, erweiſt ſich als unmöglich. Wohl aber kann man die Stellung des Bundesrathes im Or- ganismus des Reiches näher beſtimmen, namentlich im Gegenſatz zu der Stellung des Kaiſers. Schon aus den dem Kaiſer zugewieſenen Funktionen ergibt ſich, was für den Bundesrath übrig bleibt. Dem Kaiſer ſteht zu: 1) Das Verhältniß iſt daſſelbe wie bei privatrechtlichen Korporationen das Verhältniß der Beſchlüſſe der General-Verſammlung zu den Abſtimmungen und anderen Willensbethätigungen der einzelnen Mitglieder.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/271>, abgerufen am 24.11.2024.