erheblich, ob die Abstimmung, so wie sie erfolgt ist, wirklich durch die erhaltene Instruktion gerechtfertigt erscheint oder nicht 1).
5) Der Antheil der einzelnen Staaten an der, dem Bundes- rathe zugewiesenen Thätigkeit erstreckt sich gleichmäßig für alle Staaten auf die gesammte, dem Bundesrath zustehende Kompetenz. Auch wenn ein Beschluß des Bundesrathes, sei es über eine Ge- setzesvorlage, sei es über eine Einrichtung oder eine Verwaltungs- maaßregel, thatsächlich nur einen Theil des Bundesgebietes oder der Bundesglieder betrifft, so ist doch die Gesammtheit aller Staaten berechtigt, an der Beschlußfassung Theil zu nehmen. Denn es handelt sich auch bei solchen Angelegenheiten um das Interesse des Reiches als eines Ganzen, nicht um das zufällig gemeinsame Interesse einiger Bundesglieder.
Dieses Princip erleidet jedoch eine Modifikation in Folge der, den Süddeutschen Staaten zugestandenen Reservatrechte. Insoweit das Reich von der Ausübung einzelner Hoheitsrechte in den Süd- deutschen Staaten ausgeschlossen ist, sind auch die Süddeutschen Staaten von der Theilnahme an dieser Ausübung ausgeschlossen. Die Beschränkung der Reichsgewalt einzelnen Mitgliedern gegen- über hat ihr Correlat in der Beschränkung des Antheils dieser Mitglieder an der Reichsgewalt. Die R.-V. gibt diesem Gedanken in Art. 7 Abs. 4. einen Ausdruck durch die Bestimmung: "Bei der Beschlußfassung über eine Angelegenheit, welche nach den Bestimmungen dieser Verfassung nicht dem ganzen Reiche gemeinschaftlich ist, werden die Stimmen nur der- jenigen Bundesstaaten gezählt, welchen die Angelegenheit gemeinschaftlich ist 2)."
Die Beschränkung des Stimmrechts tritt nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung nur ein bei denjenigen Angelegen- heiten, welche nach der Verfassung nicht gemeinschaftlich sind; dagegen nicht bei Bundesraths-Beschlüssen, welche sich thatsächlich nur auf einen Theil des Bundesgebietes oder der Bundes-Mit- glieder beschränken, oder welche sich auf Reichsgesetze beziehen, welche nicht für das ganze Bundesgebiet erlassen worden sind 3).
1) Dies gilt auch von der im Bundesrath erklärten Zustimmung zur Auf- hebung von Sonderrechten. Siehe oben S. 119--121.
2) Vgl. hierüber Thudichum in v. Holtzendorff's Jahrb. I. S. 23.
3) Vgl. Staatsmin. Delbrück im II. Außerordentl. Reichstage 1870.
§. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
erheblich, ob die Abſtimmung, ſo wie ſie erfolgt iſt, wirklich durch die erhaltene Inſtruktion gerechtfertigt erſcheint oder nicht 1).
5) Der Antheil der einzelnen Staaten an der, dem Bundes- rathe zugewieſenen Thätigkeit erſtreckt ſich gleichmäßig für alle Staaten auf die geſammte, dem Bundesrath zuſtehende Kompetenz. Auch wenn ein Beſchluß des Bundesrathes, ſei es über eine Ge- ſetzesvorlage, ſei es über eine Einrichtung oder eine Verwaltungs- maaßregel, thatſächlich nur einen Theil des Bundesgebietes oder der Bundesglieder betrifft, ſo iſt doch die Geſammtheit aller Staaten berechtigt, an der Beſchlußfaſſung Theil zu nehmen. Denn es handelt ſich auch bei ſolchen Angelegenheiten um das Intereſſe des Reiches als eines Ganzen, nicht um das zufällig gemeinſame Intereſſe einiger Bundesglieder.
Dieſes Princip erleidet jedoch eine Modifikation in Folge der, den Süddeutſchen Staaten zugeſtandenen Reſervatrechte. Inſoweit das Reich von der Ausübung einzelner Hoheitsrechte in den Süd- deutſchen Staaten ausgeſchloſſen iſt, ſind auch die Süddeutſchen Staaten von der Theilnahme an dieſer Ausübung ausgeſchloſſen. Die Beſchränkung der Reichsgewalt einzelnen Mitgliedern gegen- über hat ihr Correlat in der Beſchränkung des Antheils dieſer Mitglieder an der Reichsgewalt. Die R.-V. gibt dieſem Gedanken in Art. 7 Abſ. 4. einen Ausdruck durch die Beſtimmung: „Bei der Beſchlußfaſſung über eine Angelegenheit, welche nach den Beſtimmungen dieſer Verfaſſung nicht dem ganzen Reiche gemeinſchaftlich iſt, werden die Stimmen nur der- jenigen Bundesſtaaten gezählt, welchen die Angelegenheit gemeinſchaftlich iſt 2).“
Die Beſchränkung des Stimmrechts tritt nach dem klaren Wortlaut dieſer Beſtimmung nur ein bei denjenigen Angelegen- heiten, welche nach der Verfaſſung nicht gemeinſchaftlich ſind; dagegen nicht bei Bundesraths-Beſchlüſſen, welche ſich thatſächlich nur auf einen Theil des Bundesgebietes oder der Bundes-Mit- glieder beſchränken, oder welche ſich auf Reichsgeſetze beziehen, welche nicht für das ganze Bundesgebiet erlaſſen worden ſind 3).
1) Dies gilt auch von der im Bundesrath erklärten Zuſtimmung zur Auf- hebung von Sonderrechten. Siehe oben S. 119—121.
2) Vgl. hierüber Thudichum in v. Holtzendorff’s Jahrb. I. S. 23.
3) Vgl. Staatsmin. Delbrück im II. Außerordentl. Reichstage 1870.
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§. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
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5) Der Antheil der einzelnen Staaten an der, dem Bundes-
rathe zugewieſenen Thätigkeit erſtreckt ſich gleichmäßig für alle
Staaten auf die geſammte, dem Bundesrath zuſtehende Kompetenz.
Auch wenn ein Beſchluß des Bundesrathes, ſei es über eine Ge-
ſetzesvorlage, ſei es über eine Einrichtung oder eine Verwaltungs-
maaßregel, thatſächlich nur einen Theil des Bundesgebietes oder
der Bundesglieder betrifft, ſo iſt doch die Geſammtheit aller Staaten
berechtigt, an der Beſchlußfaſſung Theil zu nehmen. Denn es
handelt ſich auch bei ſolchen Angelegenheiten um das Intereſſe
des Reiches als eines Ganzen, nicht um das zufällig gemeinſame
Intereſſe einiger Bundesglieder.
Dieſes Princip erleidet jedoch eine Modifikation in Folge der,
den Süddeutſchen Staaten zugeſtandenen Reſervatrechte. Inſoweit
das Reich von der Ausübung einzelner Hoheitsrechte in den Süd-
deutſchen Staaten ausgeſchloſſen iſt, ſind auch die Süddeutſchen
Staaten von der Theilnahme an dieſer Ausübung ausgeſchloſſen.
Die Beſchränkung der Reichsgewalt einzelnen Mitgliedern gegen-
über hat ihr Correlat in der Beſchränkung des Antheils dieſer
Mitglieder an der Reichsgewalt. Die R.-V. gibt dieſem Gedanken
in Art. 7 Abſ. 4. einen Ausdruck durch die Beſtimmung:
„Bei der Beſchlußfaſſung über eine Angelegenheit, welche
nach den Beſtimmungen dieſer Verfaſſung nicht dem ganzen
Reiche gemeinſchaftlich iſt, werden die Stimmen nur der-
jenigen Bundesſtaaten gezählt, welchen die Angelegenheit
gemeinſchaftlich iſt 2).“
Die Beſchränkung des Stimmrechts tritt nach dem klaren
Wortlaut dieſer Beſtimmung nur ein bei denjenigen Angelegen-
heiten, welche nach der Verfaſſung nicht gemeinſchaftlich ſind;
dagegen nicht bei Bundesraths-Beſchlüſſen, welche ſich thatſächlich
nur auf einen Theil des Bundesgebietes oder der Bundes-Mit-
glieder beſchränken, oder welche ſich auf Reichsgeſetze beziehen,
welche nicht für das ganze Bundesgebiet erlaſſen worden ſind 3).
1) Dies gilt auch von der im Bundesrath erklärten Zuſtimmung zur Auf-
hebung von Sonderrechten. Siehe oben S. 119—121.
2) Vgl. hierüber Thudichum in v. Holtzendorff’s Jahrb. I. S. 23.
3) Vgl. Staatsmin. Delbrück im II. Außerordentl. Reichstage 1870.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/266>, abgerufen am 24.11.2024.
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