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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
sung normirt lediglich die Abstimmung im Bundesrathe, aber mit
keinem Worte die Instruktionsertheilung, welche res interna jedes
einzelnen Staates ist. Sie enthält daher auch weder ausdrücklich
noch stillschweigend den Grundsatz, daß die Ertheilung der In-
struktion an die Bevollmächtigten ausschließlich den Landesherren,
beziehentlich den Staatsregierungen zustehen müsse.

Die ganze Frage hat übrigens, abgesehen von der Aufhebung
von Individualrechten von Bundesgliedern, ein lediglich theoreti-
sches Interesse. Praktisch dürfte es wohl nicht leicht sich ereignen,
daß ein Staat ein Gesetz erließe, welches dem Landtage eine
Mitwirkung bei der Instruktion der Bevollmächtigten einräumte.
Denn abgesehen davon, daß die Landesherren kaum geneigt sein
werden, ein so wichtiges Regierungsrecht aufzuopfern, würde das
Gesetz keine andere Wirkung haben, als daß der Staat sein Stimm-
recht im Bundesrathe in allen Fällen einbüßen würde, in denen
es unthunlich ist, den Landtag vorher zu befragen, oder in denen
die Regierung dem Votum des Landtages nicht beipflichten könnte.
Der Bevollmächtigte des Staates wäre dann nicht instruirt und
die Stimme desselben würde bei der Beschlußfassung des Bundes-
rathes einfach nicht gezählt werden. Ein solches Gesetz würde
nicht den Einfluß des Landtages des Einzelstaates auf die Wil-
lensentschlüsse des Reiches erhöhen, sondern den Einfluß des Ein-
zelstaates auf die Bundesraths-Beschlüsse überhaupt vernichten;
der gegen die Regierung geführte Streich träfe den Staat.
Auch ist nicht zu verkennen, daß auch aus anderen politischen
Gründen ein solches Gesetz verwerflich wäre, da das Volk in seiner
Gesammtheit durch den Reichstag eine Vertretung erhalten hat,
neben welcher die Volksvertretungen der einzelnen Staaten zurück-
treten müssen.

Anders verhält es sich bei der Aufopferung von Sonderrech-
ten oder der Uebernahme besonderer Lasten und Beschränkungen,
überhaupt bei Beschlüssen des Bundesrathes, welche nur "mit Zu-
stimmung" eines einzelnen Staates gefaßt werden können. Da hier
eine positive Erklärung des betreffenden Staates erforderlich
ist, kann der Beschluß des Bundesrathes nicht rechtswirksam ge-
faßt werden, so lange der Bevollmächtigte nicht in der Lage ist,
die zustimmende Erklärung abzugeben. Eine landesgesetzliche Vor-
schrift, daß die Regierung ohne Genehmigung des Landtages nicht

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§. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
ſung normirt lediglich die Abſtimmung im Bundesrathe, aber mit
keinem Worte die Inſtruktionsertheilung, welche res interna jedes
einzelnen Staates iſt. Sie enthält daher auch weder ausdrücklich
noch ſtillſchweigend den Grundſatz, daß die Ertheilung der In-
ſtruktion an die Bevollmächtigten ausſchließlich den Landesherren,
beziehentlich den Staatsregierungen zuſtehen müſſe.

Die ganze Frage hat übrigens, abgeſehen von der Aufhebung
von Individualrechten von Bundesgliedern, ein lediglich theoreti-
ſches Intereſſe. Praktiſch dürfte es wohl nicht leicht ſich ereignen,
daß ein Staat ein Geſetz erließe, welches dem Landtage eine
Mitwirkung bei der Inſtruktion der Bevollmächtigten einräumte.
Denn abgeſehen davon, daß die Landesherren kaum geneigt ſein
werden, ein ſo wichtiges Regierungsrecht aufzuopfern, würde das
Geſetz keine andere Wirkung haben, als daß der Staat ſein Stimm-
recht im Bundesrathe in allen Fällen einbüßen würde, in denen
es unthunlich iſt, den Landtag vorher zu befragen, oder in denen
die Regierung dem Votum des Landtages nicht beipflichten könnte.
Der Bevollmächtigte des Staates wäre dann nicht inſtruirt und
die Stimme deſſelben würde bei der Beſchlußfaſſung des Bundes-
rathes einfach nicht gezählt werden. Ein ſolches Geſetz würde
nicht den Einfluß des Landtages des Einzelſtaates auf die Wil-
lensentſchlüſſe des Reiches erhöhen, ſondern den Einfluß des Ein-
zelſtaates auf die Bundesraths-Beſchlüſſe überhaupt vernichten;
der gegen die Regierung geführte Streich träfe den Staat.
Auch iſt nicht zu verkennen, daß auch aus anderen politiſchen
Gründen ein ſolches Geſetz verwerflich wäre, da das Volk in ſeiner
Geſammtheit durch den Reichstag eine Vertretung erhalten hat,
neben welcher die Volksvertretungen der einzelnen Staaten zurück-
treten müſſen.

Anders verhält es ſich bei der Aufopferung von Sonderrech-
ten oder der Uebernahme beſonderer Laſten und Beſchränkungen,
überhaupt bei Beſchlüſſen des Bundesrathes, welche nur „mit Zu-
ſtimmung“ eines einzelnen Staates gefaßt werden können. Da hier
eine poſitive Erklärung des betreffenden Staates erforderlich
iſt, kann der Beſchluß des Bundesrathes nicht rechtswirkſam ge-
faßt werden, ſo lange der Bevollmächtigte nicht in der Lage iſt,
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ſchrift, daß die Regierung ohne Genehmigung des Landtages nicht

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[243/0263] §. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe. ſung normirt lediglich die Abſtimmung im Bundesrathe, aber mit keinem Worte die Inſtruktionsertheilung, welche res interna jedes einzelnen Staates iſt. Sie enthält daher auch weder ausdrücklich noch ſtillſchweigend den Grundſatz, daß die Ertheilung der In- ſtruktion an die Bevollmächtigten ausſchließlich den Landesherren, beziehentlich den Staatsregierungen zuſtehen müſſe. Die ganze Frage hat übrigens, abgeſehen von der Aufhebung von Individualrechten von Bundesgliedern, ein lediglich theoreti- ſches Intereſſe. Praktiſch dürfte es wohl nicht leicht ſich ereignen, daß ein Staat ein Geſetz erließe, welches dem Landtage eine Mitwirkung bei der Inſtruktion der Bevollmächtigten einräumte. Denn abgeſehen davon, daß die Landesherren kaum geneigt ſein werden, ein ſo wichtiges Regierungsrecht aufzuopfern, würde das Geſetz keine andere Wirkung haben, als daß der Staat ſein Stimm- recht im Bundesrathe in allen Fällen einbüßen würde, in denen es unthunlich iſt, den Landtag vorher zu befragen, oder in denen die Regierung dem Votum des Landtages nicht beipflichten könnte. Der Bevollmächtigte des Staates wäre dann nicht inſtruirt und die Stimme deſſelben würde bei der Beſchlußfaſſung des Bundes- rathes einfach nicht gezählt werden. Ein ſolches Geſetz würde nicht den Einfluß des Landtages des Einzelſtaates auf die Wil- lensentſchlüſſe des Reiches erhöhen, ſondern den Einfluß des Ein- zelſtaates auf die Bundesraths-Beſchlüſſe überhaupt vernichten; der gegen die Regierung geführte Streich träfe den Staat. Auch iſt nicht zu verkennen, daß auch aus anderen politiſchen Gründen ein ſolches Geſetz verwerflich wäre, da das Volk in ſeiner Geſammtheit durch den Reichstag eine Vertretung erhalten hat, neben welcher die Volksvertretungen der einzelnen Staaten zurück- treten müſſen. Anders verhält es ſich bei der Aufopferung von Sonderrech- ten oder der Uebernahme beſonderer Laſten und Beſchränkungen, überhaupt bei Beſchlüſſen des Bundesrathes, welche nur „mit Zu- ſtimmung“ eines einzelnen Staates gefaßt werden können. Da hier eine poſitive Erklärung des betreffenden Staates erforderlich iſt, kann der Beſchluß des Bundesrathes nicht rechtswirkſam ge- faßt werden, ſo lange der Bevollmächtigte nicht in der Lage iſt, die zuſtimmende Erklärung abzugeben. Eine landesgeſetzliche Vor- ſchrift, daß die Regierung ohne Genehmigung des Landtages nicht 16*

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/263>, abgerufen am 24.11.2024.