allumfassender ist; daß der Kaiser rechtlich befugt sei, mit verbind- licher Kraft für das Reich, jeden Vertrag abzuschließen, der ihm beliebt. Er kann hierin sehr wohl an die Zustimmung des Bun- desrathes und Reichstages gebunden oder durch Reichsgesetze mate- riell beschränkt sein, was in der That der Fall ist 1).
Aber das Reich hat keinen andern Vertreter als den Kaiser, beziehentlich die von ihm ernannten Beamten als dessen Gehülfen. Weder der Bundesrath allein noch Bundesrath und Reichstag zusammen, noch die einzelnen deutschen Landes- herren in Person können für das Reich einen Vertrag abschließen; der Kaiser allein ist zur Vertretung des Reiches befugt; für das Reich kann kein Vertrags-Verhältniß begründet werden, ohne daß der Kaiser es contrahirt.
Es folgt ferner aus diesem Grundsatz, daß alle vom Kaiser im Namen des deutschen Reiches innerhalb seiner verfassungs- mäßigen Vertretungsbefugniß abgeschlossenen Verträge für das Reich rechtswirksam sind, Rechte und Pflichten für das Reich be- gründen.
Diese Funktion des Kaisers als Vertreter des Reiches ist in der Reichsverfassung Art. 11 Abs. 1 für die völkerrechtlichen Beziehungen anerkannt: "Der Kaiser hat das Reich völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Reiches Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen."
Allein es ist unrichtig, die Vertretung des Reiches durch den Kaiser auf die völkerrechtlichen Beziehungen des Reiches zu be- schränken. Der Kaiser ist auch in allen übrigen Beziehungen, in welche das Reich zu dritten Personen treten kann, sein Vertreter. Insbesondere auch bei allen privatrechtlichen (fiskalischen) Erwerbungen für das Reich und Belastungen des Reiches. Zur Aufnahme von Anleihen und zur Uebernahme von Garantien zu Lasten des Reiches, zur Veräußerung von Reichsvermögen, zur Erwerbung von Vermögen für das Reich und zu allen anderen privatrechtlichen Geschäften des Reichsfiskus mit Dritten ist allein der Kaiser, beziehentlich der von ihm zu seiner Vertretung ermäch-
1) Vgl. R.-V. Art. 11 Abs. 3.
§. 26. Der Inhalt der kaiſerlichen Rechte.
allumfaſſender iſt; daß der Kaiſer rechtlich befugt ſei, mit verbind- licher Kraft für das Reich, jeden Vertrag abzuſchließen, der ihm beliebt. Er kann hierin ſehr wohl an die Zuſtimmung des Bun- desrathes und Reichstages gebunden oder durch Reichsgeſetze mate- riell beſchränkt ſein, was in der That der Fall iſt 1).
Aber das Reich hat keinen andern Vertreter als den Kaiſer, beziehentlich die von ihm ernannten Beamten als deſſen Gehülfen. Weder der Bundesrath allein noch Bundesrath und Reichstag zuſammen, noch die einzelnen deutſchen Landes- herren in Perſon können für das Reich einen Vertrag abſchließen; der Kaiſer allein iſt zur Vertretung des Reiches befugt; für das Reich kann kein Vertrags-Verhältniß begründet werden, ohne daß der Kaiſer es contrahirt.
Es folgt ferner aus dieſem Grundſatz, daß alle vom Kaiſer im Namen des deutſchen Reiches innerhalb ſeiner verfaſſungs- mäßigen Vertretungsbefugniß abgeſchloſſenen Verträge für das Reich rechtswirkſam ſind, Rechte und Pflichten für das Reich be- gründen.
Dieſe Funktion des Kaiſers als Vertreter des Reiches iſt in der Reichsverfaſſung Art. 11 Abſ. 1 für die völkerrechtlichen Beziehungen anerkannt: „Der Kaiſer hat das Reich völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Reiches Krieg zu erklären und Frieden zu ſchließen, Bündniſſe und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen.“
Allein es iſt unrichtig, die Vertretung des Reiches durch den Kaiſer auf die völkerrechtlichen Beziehungen des Reiches zu be- ſchränken. Der Kaiſer iſt auch in allen übrigen Beziehungen, in welche das Reich zu dritten Perſonen treten kann, ſein Vertreter. Insbeſondere auch bei allen privatrechtlichen (fiskaliſchen) Erwerbungen für das Reich und Belaſtungen des Reiches. Zur Aufnahme von Anleihen und zur Uebernahme von Garantien zu Laſten des Reiches, zur Veräußerung von Reichsvermögen, zur Erwerbung von Vermögen für das Reich und zu allen anderen privatrechtlichen Geſchäften des Reichsfiskus mit Dritten iſt allein der Kaiſer, beziehentlich der von ihm zu ſeiner Vertretung ermäch-
1) Vgl. R.-V. Art. 11 Abſ. 3.
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§. 26. Der Inhalt der kaiſerlichen Rechte.
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licher Kraft für das Reich, jeden Vertrag abzuſchließen, der ihm
beliebt. Er kann hierin ſehr wohl an die Zuſtimmung des Bun-
desrathes und Reichstages gebunden oder durch Reichsgeſetze mate-
riell beſchränkt ſein, was in der That der Fall iſt 1).
Aber das Reich hat keinen andern Vertreter als
den Kaiſer, beziehentlich die von ihm ernannten Beamten als
deſſen Gehülfen. Weder der Bundesrath allein noch Bundesrath
und Reichstag zuſammen, noch die einzelnen deutſchen Landes-
herren in Perſon können für das Reich einen Vertrag abſchließen;
der Kaiſer allein iſt zur Vertretung des Reiches befugt; für das
Reich kann kein Vertrags-Verhältniß begründet werden, ohne daß
der Kaiſer es contrahirt.
Es folgt ferner aus dieſem Grundſatz, daß alle vom Kaiſer
im Namen des deutſchen Reiches innerhalb ſeiner verfaſſungs-
mäßigen Vertretungsbefugniß abgeſchloſſenen Verträge für das
Reich rechtswirkſam ſind, Rechte und Pflichten für das Reich be-
gründen.
Dieſe Funktion des Kaiſers als Vertreter des Reiches iſt in
der Reichsverfaſſung Art. 11 Abſ. 1 für die völkerrechtlichen
Beziehungen anerkannt:
„Der Kaiſer hat das Reich völkerrechtlich zu
vertreten, im Namen des Reiches Krieg zu erklären und
Frieden zu ſchließen, Bündniſſe und andere Verträge mit
fremden Staaten einzugehen.“
Allein es iſt unrichtig, die Vertretung des Reiches durch den
Kaiſer auf die völkerrechtlichen Beziehungen des Reiches zu be-
ſchränken. Der Kaiſer iſt auch in allen übrigen Beziehungen, in
welche das Reich zu dritten Perſonen treten kann, ſein Vertreter.
Insbeſondere auch bei allen privatrechtlichen (fiskaliſchen)
Erwerbungen für das Reich und Belaſtungen des Reiches. Zur
Aufnahme von Anleihen und zur Uebernahme von Garantien zu
Laſten des Reiches, zur Veräußerung von Reichsvermögen, zur
Erwerbung von Vermögen für das Reich und zu allen anderen
privatrechtlichen Geſchäften des Reichsfiskus mit Dritten iſt allein
der Kaiſer, beziehentlich der von ihm zu ſeiner Vertretung ermäch-
1) Vgl. R.-V. Art. 11 Abſ. 3.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/246>, abgerufen am 24.11.2024.
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