Damit ist dann aber von selbst die Folge gegeben, daß über die Normirung der Fälle, in welchen eine Regentschaft eingerichtet werden muß, über das Recht zur Uebernahme der Regentschaft, über die gesetzliche Fürsorge für den Fall, daß kein volljähriger Agnat vorhanden ist, über das eventuell eintretende Wahlrecht des Landtages, über die interimistische Führung der Regierung durch das Staatsministerium und über den Antritt der Regent- schaft, einzig und allein die Bestimmungen der Preußischen Ver- fassung (Art. 56--58) zur Anwendung kommen können. Die Einrichtung einer Regentschaft in Preußen ist für das Reich ganz ebenso wie ein Thronwechsel in Preußen, der durch Todesfall herbeigeführt wird, ein thatsächliches Ereigniß, dessen Folgen es hinnehmen muß.
Auch in einer anderen Richtung hat eine Bestimmung der Preußischen Verfassungs-Urkunde zu Bedenken hinsichtlich des Er- werbes der kaiserlichen Rechte Veranlassung gegeben. Im Art. 54 der Pr. V.-U. wird nämlich dem Könige von Preußen die Ablei- stung eines Verfassungseides zur Pflicht gemacht. Hieraus folgert nun v. Rönne a. a. O. S. 157, "daß, sowie der Nachfolger in der Preußischen Krone, wenn er es unterlassen oder sich aus- drücklich weigern sollte, der Verpflichtung des Abs. 2 des Art. 54 nachzukommen, rechtlich nicht befugt ist, die durch die Preuß. Verfassungsurk. mit der Preußischen Krone verbundenen Regie- rungsrechte auszuüben, derselbe auch rechtlich nicht die Befugniß hat, die durch die Verfassung des deutschen Reiches nur dem jedes- maligen Inhaber der Preußischen Krone übertragenen Regierungs- rechte auszuüben." Uebereinstimmend hiermit ist v. Mohl Reichs- staatsr. S. 284. Diese Folgerung für das Reichsrecht wäre richtig, wenn der von v. Rönne angenomme Satz des Preußischen Staats- rechtes begründet wäre. In seinem Staatsrecht der Preußischen Monarchie I §. 185 1) führt er aus, daß die Ableistung des Eides eine "Bedingung" der Ausübung der verfassungsmäßigen Rechte des Königs sei und daß im Falle der Verweigerung des Ver- fassungseides die Regierung des Königs vorläufig eine rein that- sächliche, nicht aber eine rechtliche und verfassungsmäßige sei 2).
1) (3. Aufl. I. 2 S. 588 fg.)
2) Die Theorie beruht auf den Ausführungen v. Mohl's in dessen Württemb. Staatsr. I. S. 172 ff.
§. 25. Das Subject der kaiſerlichen Rechte.
Damit iſt dann aber von ſelbſt die Folge gegeben, daß über die Normirung der Fälle, in welchen eine Regentſchaft eingerichtet werden muß, über das Recht zur Uebernahme der Regentſchaft, über die geſetzliche Fürſorge für den Fall, daß kein volljähriger Agnat vorhanden iſt, über das eventuell eintretende Wahlrecht des Landtages, über die interimiſtiſche Führung der Regierung durch das Staatsminiſterium und über den Antritt der Regent- ſchaft, einzig und allein die Beſtimmungen der Preußiſchen Ver- faſſung (Art. 56—58) zur Anwendung kommen können. Die Einrichtung einer Regentſchaft in Preußen iſt für das Reich ganz ebenſo wie ein Thronwechſel in Preußen, der durch Todesfall herbeigeführt wird, ein thatſächliches Ereigniß, deſſen Folgen es hinnehmen muß.
Auch in einer anderen Richtung hat eine Beſtimmung der Preußiſchen Verfaſſungs-Urkunde zu Bedenken hinſichtlich des Er- werbes der kaiſerlichen Rechte Veranlaſſung gegeben. Im Art. 54 der Pr. V.-U. wird nämlich dem Könige von Preußen die Ablei- ſtung eines Verfaſſungseides zur Pflicht gemacht. Hieraus folgert nun v. Rönne a. a. O. S. 157, „daß, ſowie der Nachfolger in der Preußiſchen Krone, wenn er es unterlaſſen oder ſich aus- drücklich weigern ſollte, der Verpflichtung des Abſ. 2 des Art. 54 nachzukommen, rechtlich nicht befugt iſt, die durch die Preuß. Verfaſſungsurk. mit der Preußiſchen Krone verbundenen Regie- rungsrechte auszuüben, derſelbe auch rechtlich nicht die Befugniß hat, die durch die Verfaſſung des deutſchen Reiches nur dem jedes- maligen Inhaber der Preußiſchen Krone übertragenen Regierungs- rechte auszuüben.“ Uebereinſtimmend hiermit iſt v. Mohl Reichs- ſtaatsr. S. 284. Dieſe Folgerung für das Reichsrecht wäre richtig, wenn der von v. Rönne angenomme Satz des Preußiſchen Staats- rechtes begründet wäre. In ſeinem Staatsrecht der Preußiſchen Monarchie I §. 185 1) führt er aus, daß die Ableiſtung des Eides eine „Bedingung“ der Ausübung der verfaſſungsmäßigen Rechte des Königs ſei und daß im Falle der Verweigerung des Ver- faſſungseides die Regierung des Königs vorläufig eine rein that- ſächliche, nicht aber eine rechtliche und verfaſſungsmäßige ſei 2).
1) (3. Aufl. I. 2 S. 588 fg.)
2) Die Theorie beruht auf den Ausführungen v. Mohl’s in deſſen Württemb. Staatsr. I. S. 172 ff.
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über die geſetzliche Fürſorge für den Fall, daß kein volljähriger
Agnat vorhanden iſt, über das eventuell eintretende Wahlrecht
des Landtages, über die interimiſtiſche Führung der Regierung
durch das Staatsminiſterium und über den Antritt der Regent-
ſchaft, einzig und allein die Beſtimmungen der Preußiſchen Ver-
faſſung (Art. 56—58) zur Anwendung kommen können. Die
Einrichtung einer Regentſchaft in Preußen iſt für das Reich ganz
ebenſo wie ein Thronwechſel in Preußen, der durch Todesfall
herbeigeführt wird, ein thatſächliches Ereigniß, deſſen Folgen es
hinnehmen muß.
Auch in einer anderen Richtung hat eine Beſtimmung der
Preußiſchen Verfaſſungs-Urkunde zu Bedenken hinſichtlich des Er-
werbes der kaiſerlichen Rechte Veranlaſſung gegeben. Im Art. 54
der Pr. V.-U. wird nämlich dem Könige von Preußen die Ablei-
ſtung eines Verfaſſungseides zur Pflicht gemacht. Hieraus folgert
nun v. Rönne a. a. O. S. 157, „daß, ſowie der Nachfolger
in der Preußiſchen Krone, wenn er es unterlaſſen oder ſich aus-
drücklich weigern ſollte, der Verpflichtung des Abſ. 2 des Art. 54
nachzukommen, rechtlich nicht befugt iſt, die durch die Preuß.
Verfaſſungsurk. mit der Preußiſchen Krone verbundenen Regie-
rungsrechte auszuüben, derſelbe auch rechtlich nicht die Befugniß
hat, die durch die Verfaſſung des deutſchen Reiches nur dem jedes-
maligen Inhaber der Preußiſchen Krone übertragenen Regierungs-
rechte auszuüben.“ Uebereinſtimmend hiermit iſt v. Mohl Reichs-
ſtaatsr. S. 284. Dieſe Folgerung für das Reichsrecht wäre richtig,
wenn der von v. Rönne angenomme Satz des Preußiſchen Staats-
rechtes begründet wäre. In ſeinem Staatsrecht der Preußiſchen
Monarchie I §. 185 1) führt er aus, daß die Ableiſtung des Eides
eine „Bedingung“ der Ausübung der verfaſſungsmäßigen Rechte
des Königs ſei und daß im Falle der Verweigerung des Ver-
faſſungseides die Regierung des Königs vorläufig eine rein that-
ſächliche, nicht aber eine rechtliche und verfaſſungsmäßige ſei 2).
1) (3. Aufl. I. 2 S. 588 fg.)
2) Die Theorie beruht auf den Ausführungen v. Mohl’s in deſſen
Württemb. Staatsr. I. S. 172 ff.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/238>, abgerufen am 24.11.2024.
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