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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 23. Die räumliche Begränzung der Kompetenz der Behörden.
Art. 3 §. 7 des Zollvereinsvertrages vom 8. Juli 1867 und
R.-Verf. Art. 40 gewährleistet ist 1).

Der Bundesrath hat ferner am 2. Februar 1874 beschlossen
(Protokolle §. 63), daß die Gemeindebehörden des Bundes-
gebietes einander zum Zwecke der vorläufigen Vollstreckung ihrer
auf Grund des §. 108 der Gewerbe-Ordnung ergehenden Entschei-
dungen nach den über die Rechtshülfe geltenden allgemeinen Grund-
sätzen Beistand zu leisten haben.

Im Wesentlichen geht auch der Entwurf des Gerichtsverfas-
sungsgesetzes von diesen Prinzipien aus, obgleich die Fassung
desselben eine so unklare ist, daß sie zu vielfachen Zweifeln Anlaß
bietet. §. 4 erklärt die Gerichte für "Staatsgerichte," sie sind
also nicht Organe des Reiches, sondern der einzelnen Staaten;
§. 137 aber stellt den Grundsatz auf, daß ein Gericht Amtshand-
lungen außerhalb seines Bezirks ohne Zustimmung des Amtsge-
richts des Orts vornehmen darf, wenn Gefahr im Verzuge
obwaltet -- in diesem Falle also wol auch außerhalb des Staats-
gebietes. §. 127 verpflichtet die Gerichte, sich in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen Rechtshülfe zu leisten und
§. 134 ordnet an, daß, wenn eine Freiheitsstrafe in dem Bezirke
eines anderen Gerichts vollstreckt oder ein in dem Bezirke eines
anderen Gerichts befindlicher Verurtheilter zum Zwecke der Straf-
verbüßung ergriffen und abgeliefert werden soll, der Staatsanwalt
bei dem Landgerichte des Bezirks um die Ausführung zu ersuchen
ist. Die Sicherheitsbeamten eines Bundesstaates sind nach §. 138
ermächtigt, die Verfolgung eines Flüchtigen auf das Gebiet eines
benachbarten Bundesstaates fortzusetzen und den Flüchtigen
daselbst zu ergreifen; der Ergriffene muß aber unverzüglich an
die nächste Polizeibehörde des Bundesstaats, in welchem er ergrif-
fen wurde, abgeführt werden.

In sofern stimmen die Bestimmungen des Entwurfs mit den
bundesstaatlichen Prinzipien und den bereits gegenwärtig gelten-
den Grundsätzen im Wesentlichen überein. Dazwischen aber findet
sich der §. 131, welcher lautet:

1) Vgl. auch das Gesetz zur Sicherung der Zollgrenze vom 1. Juli 1869
Art. 17. (B.-G.-Bl. S. 374) und das Brausteuer-Gesetz vom 31. Mai 1872
§. 42 (R.-G.-Bl. S. 166.)

§. 23. Die räumliche Begränzung der Kompetenz der Behörden.
Art. 3 §. 7 des Zollvereinsvertrages vom 8. Juli 1867 und
R.-Verf. Art. 40 gewährleiſtet iſt 1).

Der Bundesrath hat ferner am 2. Februar 1874 beſchloſſen
(Protokolle §. 63), daß die Gemeindebehörden des Bundes-
gebietes einander zum Zwecke der vorläufigen Vollſtreckung ihrer
auf Grund des §. 108 der Gewerbe-Ordnung ergehenden Entſchei-
dungen nach den über die Rechtshülfe geltenden allgemeinen Grund-
ſätzen Beiſtand zu leiſten haben.

Im Weſentlichen geht auch der Entwurf des Gerichtsverfaſ-
ſungsgeſetzes von dieſen Prinzipien aus, obgleich die Faſſung
deſſelben eine ſo unklare iſt, daß ſie zu vielfachen Zweifeln Anlaß
bietet. §. 4 erklärt die Gerichte für „Staatsgerichte,“ ſie ſind
alſo nicht Organe des Reiches, ſondern der einzelnen Staaten;
§. 137 aber ſtellt den Grundſatz auf, daß ein Gericht Amtshand-
lungen außerhalb ſeines Bezirks ohne Zuſtimmung des Amtsge-
richts des Orts vornehmen darf, wenn Gefahr im Verzuge
obwaltet — in dieſem Falle alſo wol auch außerhalb des Staats-
gebietes. §. 127 verpflichtet die Gerichte, ſich in bürgerlichen
Rechtsſtreitigkeiten und Strafſachen Rechtshülfe zu leiſten und
§. 134 ordnet an, daß, wenn eine Freiheitsſtrafe in dem Bezirke
eines anderen Gerichts vollſtreckt oder ein in dem Bezirke eines
anderen Gerichts befindlicher Verurtheilter zum Zwecke der Straf-
verbüßung ergriffen und abgeliefert werden ſoll, der Staatsanwalt
bei dem Landgerichte des Bezirks um die Ausführung zu erſuchen
iſt. Die Sicherheitsbeamten eines Bundesſtaates ſind nach §. 138
ermächtigt, die Verfolgung eines Flüchtigen auf das Gebiet eines
benachbarten Bundesſtaates fortzuſetzen und den Flüchtigen
daſelbſt zu ergreifen; der Ergriffene muß aber unverzüglich an
die nächſte Polizeibehörde des Bundesſtaats, in welchem er ergrif-
fen wurde, abgeführt werden.

In ſofern ſtimmen die Beſtimmungen des Entwurfs mit den
bundesſtaatlichen Prinzipien und den bereits gegenwärtig gelten-
den Grundſätzen im Weſentlichen überein. Dazwiſchen aber findet
ſich der §. 131, welcher lautet:

1) Vgl. auch das Geſetz zur Sicherung der Zollgrenze vom 1. Juli 1869
Art. 17. (B.-G.-Bl. S. 374) und das Brauſteuer-Geſetz vom 31. Mai 1872
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[204/0224] §. 23. Die räumliche Begränzung der Kompetenz der Behörden. Art. 3 §. 7 des Zollvereinsvertrages vom 8. Juli 1867 und R.-Verf. Art. 40 gewährleiſtet iſt 1). Der Bundesrath hat ferner am 2. Februar 1874 beſchloſſen (Protokolle §. 63), daß die Gemeindebehörden des Bundes- gebietes einander zum Zwecke der vorläufigen Vollſtreckung ihrer auf Grund des §. 108 der Gewerbe-Ordnung ergehenden Entſchei- dungen nach den über die Rechtshülfe geltenden allgemeinen Grund- ſätzen Beiſtand zu leiſten haben. Im Weſentlichen geht auch der Entwurf des Gerichtsverfaſ- ſungsgeſetzes von dieſen Prinzipien aus, obgleich die Faſſung deſſelben eine ſo unklare iſt, daß ſie zu vielfachen Zweifeln Anlaß bietet. §. 4 erklärt die Gerichte für „Staatsgerichte,“ ſie ſind alſo nicht Organe des Reiches, ſondern der einzelnen Staaten; §. 137 aber ſtellt den Grundſatz auf, daß ein Gericht Amtshand- lungen außerhalb ſeines Bezirks ohne Zuſtimmung des Amtsge- richts des Orts vornehmen darf, wenn Gefahr im Verzuge obwaltet — in dieſem Falle alſo wol auch außerhalb des Staats- gebietes. §. 127 verpflichtet die Gerichte, ſich in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten und Strafſachen Rechtshülfe zu leiſten und §. 134 ordnet an, daß, wenn eine Freiheitsſtrafe in dem Bezirke eines anderen Gerichts vollſtreckt oder ein in dem Bezirke eines anderen Gerichts befindlicher Verurtheilter zum Zwecke der Straf- verbüßung ergriffen und abgeliefert werden ſoll, der Staatsanwalt bei dem Landgerichte des Bezirks um die Ausführung zu erſuchen iſt. Die Sicherheitsbeamten eines Bundesſtaates ſind nach §. 138 ermächtigt, die Verfolgung eines Flüchtigen auf das Gebiet eines benachbarten Bundesſtaates fortzuſetzen und den Flüchtigen daſelbſt zu ergreifen; der Ergriffene muß aber unverzüglich an die nächſte Polizeibehörde des Bundesſtaats, in welchem er ergrif- fen wurde, abgeführt werden. In ſofern ſtimmen die Beſtimmungen des Entwurfs mit den bundesſtaatlichen Prinzipien und den bereits gegenwärtig gelten- den Grundſätzen im Weſentlichen überein. Dazwiſchen aber findet ſich der §. 131, welcher lautet: 1) Vgl. auch das Geſetz zur Sicherung der Zollgrenze vom 1. Juli 1869 Art. 17. (B.-G.-Bl. S. 374) und das Brauſteuer-Geſetz vom 31. Mai 1872 §. 42 (R.-G.-Bl. S. 166.)

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/224>, abgerufen am 24.11.2024.