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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 22. Der Schutz des Gebietes.
des Einführungs-Gesetzes zum Strafgesetzbuch nicht in Anwendung
gebracht werden. Nur ausnahmsweise ist sie zugelassen gegen
reichsangehörige Jesuiten und renitente Geistliche auf Grund der
Reichsges. v. 4. Juli 1872 und v. 4. Mai 1874 und zwar kann
auch hier die Landespolizeibehörde 1) die Internirung in dem Ge-
biete eines anderen Staates verfügen 2). Es bedarf keiner
Ausführung, daß auch hier die Landesbehörde kraft gesetzlicher
Delegation ein Hoheitsrecht des Reiches handhabt, obwohl nicht
verkannt werden kann, daß diese Anordnungen nicht ganz im Ein-
klang stehen mit den Grenzen, welche im Uebrigen zwischen der
Gebietshoheit des Reiches und der der Einzelstaaten festgehalten
werden.

III. Neben dem Schutz des Gebiets gegen auswärtige Staaten
kömmt noch der Schutzdes Gebietes gegen verbrecherische
Unternehmungen
in Betracht. Auch hier zeigt sich, daß das
Bundesgebiet weder die bloße Summe der Staatsgebiete ist, noch
daß die Staatsgebiete ihre Sonderexistenz verloren und im Bun-
desgebiet aufgegangen sind; vielmehr ist das Bundesgebiet die
höhere Einheit, welche die Staatsgebiete umschließt.

1. Der §. 81 des R.-St.-G. unterscheidet zwei von einander
völlig getrennte, mit denselben Strafen bedrohte Fälle des Hoch-
verrathes, die dem Gegensatz von Bundesgebiet und Staatsgebiet
entsprechen: Er bestimmt:

Wer es unternimmt: ...

3) Das Bundesgebiet ganz oder theilweise einem
fremden Staate gewaltsam einzuverleiben oder einen
Theil desselben vom Ganzen loszureißen, oder
4) das Gebiet eines Bundesstaates ganz oder theil-
weise einem anderen Bundesstaate gewaltsam einzuverlei-
ben oder einen Theil desselben vom Ganzen loszureißen

wird wegen Hochverraths .... bestraft.

Daß es sich hier um zwei verschiedene Objecte des
Hochverrathes handelt, daß das Reich selbstständig einen Schutz
in Ansehung des Bundesgebietes und jeder Staat selbstständig einen
Schutz in Ansehung seines Staatsgebiets erhalten hat, zeigt der

1) Bundesrathsbeschl. vom 5. Juli 1872 Nr. 3. (R.-G.-Bl. S. 254). Ges.
vom 4. Mai 1874 §. 1.
2) Siehe oben S. 159.

§. 22. Der Schutz des Gebietes.
des Einführungs-Geſetzes zum Strafgeſetzbuch nicht in Anwendung
gebracht werden. Nur ausnahmsweiſe iſt ſie zugelaſſen gegen
reichsangehörige Jeſuiten und renitente Geiſtliche auf Grund der
Reichsgeſ. v. 4. Juli 1872 und v. 4. Mai 1874 und zwar kann
auch hier die Landespolizeibehörde 1) die Internirung in dem Ge-
biete eines anderen Staates verfügen 2). Es bedarf keiner
Ausführung, daß auch hier die Landesbehörde kraft geſetzlicher
Delegation ein Hoheitsrecht des Reiches handhabt, obwohl nicht
verkannt werden kann, daß dieſe Anordnungen nicht ganz im Ein-
klang ſtehen mit den Grenzen, welche im Uebrigen zwiſchen der
Gebietshoheit des Reiches und der der Einzelſtaaten feſtgehalten
werden.

III. Neben dem Schutz des Gebiets gegen auswärtige Staaten
kömmt noch der Schutzdes Gebietes gegen verbrecheriſche
Unternehmungen
in Betracht. Auch hier zeigt ſich, daß das
Bundesgebiet weder die bloße Summe der Staatsgebiete iſt, noch
daß die Staatsgebiete ihre Sonderexiſtenz verloren und im Bun-
desgebiet aufgegangen ſind; vielmehr iſt das Bundesgebiet die
höhere Einheit, welche die Staatsgebiete umſchließt.

1. Der §. 81 des R.-St.-G. unterſcheidet zwei von einander
völlig getrennte, mit denſelben Strafen bedrohte Fälle des Hoch-
verrathes, die dem Gegenſatz von Bundesgebiet und Staatsgebiet
entſprechen: Er beſtimmt:

Wer es unternimmt: …

3) Das Bundesgebiet ganz oder theilweiſe einem
fremden Staate gewaltſam einzuverleiben oder einen
Theil deſſelben vom Ganzen loszureißen, oder
4) das Gebiet eines Bundesſtaates ganz oder theil-
weiſe einem anderen Bundesſtaate gewaltſam einzuverlei-
ben oder einen Theil deſſelben vom Ganzen loszureißen

wird wegen Hochverraths .... beſtraft.

Daß es ſich hier um zwei verſchiedene Objecte des
Hochverrathes handelt, daß das Reich ſelbſtſtändig einen Schutz
in Anſehung des Bundesgebietes und jeder Staat ſelbſtſtändig einen
Schutz in Anſehung ſeines Staatsgebiets erhalten hat, zeigt der

1) Bundesrathsbeſchl. vom 5. Juli 1872 Nr. 3. (R.-G.-Bl. S. 254). Geſ.
vom 4. Mai 1874 §. 1.
2) Siehe oben S. 159.
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[199/0219] §. 22. Der Schutz des Gebietes. des Einführungs-Geſetzes zum Strafgeſetzbuch nicht in Anwendung gebracht werden. Nur ausnahmsweiſe iſt ſie zugelaſſen gegen reichsangehörige Jeſuiten und renitente Geiſtliche auf Grund der Reichsgeſ. v. 4. Juli 1872 und v. 4. Mai 1874 und zwar kann auch hier die Landespolizeibehörde 1) die Internirung in dem Ge- biete eines anderen Staates verfügen 2). Es bedarf keiner Ausführung, daß auch hier die Landesbehörde kraft geſetzlicher Delegation ein Hoheitsrecht des Reiches handhabt, obwohl nicht verkannt werden kann, daß dieſe Anordnungen nicht ganz im Ein- klang ſtehen mit den Grenzen, welche im Uebrigen zwiſchen der Gebietshoheit des Reiches und der der Einzelſtaaten feſtgehalten werden. III. Neben dem Schutz des Gebiets gegen auswärtige Staaten kömmt noch der Schutzdes Gebietes gegen verbrecheriſche Unternehmungen in Betracht. Auch hier zeigt ſich, daß das Bundesgebiet weder die bloße Summe der Staatsgebiete iſt, noch daß die Staatsgebiete ihre Sonderexiſtenz verloren und im Bun- desgebiet aufgegangen ſind; vielmehr iſt das Bundesgebiet die höhere Einheit, welche die Staatsgebiete umſchließt. 1. Der §. 81 des R.-St.-G. unterſcheidet zwei von einander völlig getrennte, mit denſelben Strafen bedrohte Fälle des Hoch- verrathes, die dem Gegenſatz von Bundesgebiet und Staatsgebiet entſprechen: Er beſtimmt: Wer es unternimmt: … 3) Das Bundesgebiet ganz oder theilweiſe einem fremden Staate gewaltſam einzuverleiben oder einen Theil deſſelben vom Ganzen loszureißen, oder 4) das Gebiet eines Bundesſtaates ganz oder theil- weiſe einem anderen Bundesſtaate gewaltſam einzuverlei- ben oder einen Theil deſſelben vom Ganzen loszureißen wird wegen Hochverraths .... beſtraft. Daß es ſich hier um zwei verſchiedene Objecte des Hochverrathes handelt, daß das Reich ſelbſtſtändig einen Schutz in Anſehung des Bundesgebietes und jeder Staat ſelbſtſtändig einen Schutz in Anſehung ſeines Staatsgebiets erhalten hat, zeigt der 1) Bundesrathsbeſchl. vom 5. Juli 1872 Nr. 3. (R.-G.-Bl. S. 254). Geſ. vom 4. Mai 1874 §. 1. 2) Siehe oben S. 159.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/219>, abgerufen am 24.11.2024.