übrige Bundesgebiet nicht, weil dies mit der bundesstaatlichen Einigung unverträglich ist.
In ihrer positiven Richtung dagegen besteht die Gebietshoheit der Einzelstaaten in demselben Umfange fort wie ihre Staatsgewalt überhaupt, was z. B. in Ansehung der Enteignungs-Befugniß, der Regalien, des Rechts auf herrenlose oder verlassene Grundstücke deutlich zu Tage tritt.
Eine besondere Betrachtung erfordert nur noch die Ausweisung und die Internirung.
1. Das Reichs-Strafgesetzbuch gestattet in einigen Fällen die Ausweisung von Ausländern aus dem Bundesgebiete. Nach §. 39 Nro. 2 ist die höhere Landespolizeibehörde befugt, den Aus- länder, gegen welchen auf Polizei-Aufsicht erkannt ist, aus dem Bundesgebiete zu verweisen. Vgl. §. 284. 362. Obwohl die Aus- weisung von der Behörde des Einzelstaates verfügt wird, erstreckt sie ihre Wirkung auf das ganze Bundesgebiet. In der Staats- gewalt des einzelnen Bundesstaates kann unmöglich die Befugniß enthalten sein, Jemanden aus den Gebieten der übrigen Bundes- staaten auszuweisen. Es handelt sich vielmehr hier um eine An- wendung der selbständigen Gebietshoheit des Reiches am Bundes- gebiet; die Landespolizeibehörden üben ein Hoheitsrecht des Reiches, nicht ihres Staates aus, welches ihnen durch §. 39 des St.-G.-B. zur Handhabung übertragen ist 1). Es steht damit im Einklang, daß die in einem Staate verfügte Ausweisung in den übrigen Staaten keiner Bestätigung für deren Gebiete bedarf und daß es unzulässig ist, daß die Landespolizei-Behörde eines Einzelstaates die Ausweisung nur für das Gebiet dieses Staates verfüge. Dieser Bedeutung der Verweisung entspricht es auch, daß dieselbe in dem vom Reichskanzler-Amt herausgegebenen Central-Blatt für das deutsche Reich bekannt gemacht wird 2).
2. Die Internirung innerhalb des Bundesgebietes ist im Allgemeinen den Staatsbehörden nicht gestattet; sie steht im Wider- spruch mit dem reichsgesetzlich sanctionirten Grundsatz der Frei- zügigkeit und kann auch Fremden gegenüber wegen der §§. 5 und 6
1) Es verhält sich hier also ebenso wie mit dem Recht, Einfuhrverbote auf Grund des Ges. vom 7. April 1869 zu erlassen.
2) Ueber die seltenen Fälle, in denen eine Ausweisung von Reichsange- hörigen aus dem Gebiet des Einzelstaates vorkommen kann, vgl. oben S. 158.
§. 22. Der Schutz des Gebietes.
übrige Bundesgebiet nicht, weil dies mit der bundesſtaatlichen Einigung unverträglich iſt.
In ihrer poſitiven Richtung dagegen beſteht die Gebietshoheit der Einzelſtaaten in demſelben Umfange fort wie ihre Staatsgewalt überhaupt, was z. B. in Anſehung der Enteignungs-Befugniß, der Regalien, des Rechts auf herrenloſe oder verlaſſene Grundſtücke deutlich zu Tage tritt.
Eine beſondere Betrachtung erfordert nur noch die Ausweiſung und die Internirung.
1. Das Reichs-Strafgeſetzbuch geſtattet in einigen Fällen die Ausweiſung von Ausländern aus dem Bundesgebiete. Nach §. 39 Nro. 2 iſt die höhere Landespolizeibehörde befugt, den Aus- länder, gegen welchen auf Polizei-Aufſicht erkannt iſt, aus dem Bundesgebiete zu verweiſen. Vgl. §. 284. 362. Obwohl die Aus- weiſung von der Behörde des Einzelſtaates verfügt wird, erſtreckt ſie ihre Wirkung auf das ganze Bundesgebiet. In der Staats- gewalt des einzelnen Bundesſtaates kann unmöglich die Befugniß enthalten ſein, Jemanden aus den Gebieten der übrigen Bundes- ſtaaten auszuweiſen. Es handelt ſich vielmehr hier um eine An- wendung der ſelbſtändigen Gebietshoheit des Reiches am Bundes- gebiet; die Landespolizeibehörden üben ein Hoheitsrecht des Reiches, nicht ihres Staates aus, welches ihnen durch §. 39 des St.-G.-B. zur Handhabung übertragen iſt 1). Es ſteht damit im Einklang, daß die in einem Staate verfügte Ausweiſung in den übrigen Staaten keiner Beſtätigung für deren Gebiete bedarf und daß es unzuläſſig iſt, daß die Landespolizei-Behörde eines Einzelſtaates die Ausweiſung nur für das Gebiet dieſes Staates verfüge. Dieſer Bedeutung der Verweiſung entſpricht es auch, daß dieſelbe in dem vom Reichskanzler-Amt herausgegebenen Central-Blatt für das deutſche Reich bekannt gemacht wird 2).
2. Die Internirung innerhalb des Bundesgebietes iſt im Allgemeinen den Staatsbehörden nicht geſtattet; ſie ſteht im Wider- ſpruch mit dem reichsgeſetzlich ſanctionirten Grundſatz der Frei- zügigkeit und kann auch Fremden gegenüber wegen der §§. 5 und 6
1) Es verhält ſich hier alſo ebenſo wie mit dem Recht, Einfuhrverbote auf Grund des Geſ. vom 7. April 1869 zu erlaſſen.
2) Ueber die ſeltenen Fälle, in denen eine Ausweiſung von Reichsange- hörigen aus dem Gebiet des Einzelſtaates vorkommen kann, vgl. oben S. 158.
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§. 22. Der Schutz des Gebietes.
übrige Bundesgebiet nicht, weil dies mit der bundesſtaatlichen
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Regalien, des Rechts auf herrenloſe oder verlaſſene Grundſtücke
deutlich zu Tage tritt.
Eine beſondere Betrachtung erfordert nur noch die Ausweiſung
und die Internirung.
1. Das Reichs-Strafgeſetzbuch geſtattet in einigen Fällen die
Ausweiſung von Ausländern aus dem Bundesgebiete. Nach §.
39 Nro. 2 iſt die höhere Landespolizeibehörde befugt, den Aus-
länder, gegen welchen auf Polizei-Aufſicht erkannt iſt, aus dem
Bundesgebiete zu verweiſen. Vgl. §. 284. 362. Obwohl die Aus-
weiſung von der Behörde des Einzelſtaates verfügt wird, erſtreckt
ſie ihre Wirkung auf das ganze Bundesgebiet. In der Staats-
gewalt des einzelnen Bundesſtaates kann unmöglich die Befugniß
enthalten ſein, Jemanden aus den Gebieten der übrigen Bundes-
ſtaaten auszuweiſen. Es handelt ſich vielmehr hier um eine An-
wendung der ſelbſtändigen Gebietshoheit des Reiches am Bundes-
gebiet; die Landespolizeibehörden üben ein Hoheitsrecht des Reiches,
nicht ihres Staates aus, welches ihnen durch §. 39 des St.-G.-B.
zur Handhabung übertragen iſt 1). Es ſteht damit im Einklang,
daß die in einem Staate verfügte Ausweiſung in den übrigen
Staaten keiner Beſtätigung für deren Gebiete bedarf und daß es
unzuläſſig iſt, daß die Landespolizei-Behörde eines Einzelſtaates
die Ausweiſung nur für das Gebiet dieſes Staates verfüge. Dieſer
Bedeutung der Verweiſung entſpricht es auch, daß dieſelbe in dem
vom Reichskanzler-Amt herausgegebenen Central-Blatt für das
deutſche Reich bekannt gemacht wird 2).
2. Die Internirung innerhalb des Bundesgebietes iſt im
Allgemeinen den Staatsbehörden nicht geſtattet; ſie ſteht im Wider-
ſpruch mit dem reichsgeſetzlich ſanctionirten Grundſatz der Frei-
zügigkeit und kann auch Fremden gegenüber wegen der §§. 5 und 6
1) Es verhält ſich hier alſo ebenſo wie mit dem Recht, Einfuhrverbote
auf Grund des Geſ. vom 7. April 1869 zu erlaſſen.
2) Ueber die ſeltenen Fälle, in denen eine Ausweiſung von Reichsange-
hörigen aus dem Gebiet des Einzelſtaates vorkommen kann, vgl. oben S. 158.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/218>, abgerufen am 24.11.2024.
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