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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 17. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit.
daselbst geborenen und erzogenen Kinder nicht Sachsen, sondern
Preußen. Da nun die Staatsangehörigkeit durch den Aufenthalt
in dem Gebiet anderer Bundesstaaten nicht verloren geht, gleich-
viel wie lange derselbe dauert, und ebenso wenig die Staatsange-
hörigkeit durch Aufenthalt oder Begründung eines Wohnsitzes er-
worben wird (§. 12 des Gesetzes), so können Familien, welche
aus einem Bundesstaat in einen andern übersiedeln, ohne die
Staatsangehörigkeit zu ändern, für eine unabsehbare Reihe von
Generationen die Staatsangehörigkeit in demjenigen Staate behal-
ten, dem sie am 1. Januar 1871 angehört haben. In Verbin-
dung mit der Freizügigkeit, welche innerhalb des ganzen Reichs-
gebietes besteht, wird dieser Grundsatz es daher im Lauf der Zeit
immer schwieriger machen, die Staatsangehörigkeit festzustellen,
und an großen Verkehrs-Mittelpunkten mit schnell wechselnder
Bevölkerung wird bald in verhältnißmäßig kurzer Zeit auch die
ansässige Bevölkerung aus Staatsangehörigen der verschiedensten
Bundesstaaten zusammengesetzt sein, von denen Jeder seine Staats-
angehörigkeit in alle Ewigkeit vererben und in jeden beliebigen
Bundesstaat mitnehmen kann. Es muß dies nothwendig dahin
führen, die Staatsangehörigkeit immer mehr der Reichsangehörig-
keit gegenüber zurücktreten zu lassen 1).

Bei der Beurtheilung der Frage, ob ein Kind aus einer gül-
tigen oder aus einer nichtigen Ehe entsprossen ist, ob es also der
Staatsangehörigkeit des Vaters oder derjenigen der Mutter folgt,
kömmt nach allgemeinen Grundsätzen über die Herrschaft der Rechts-
normen hinsichtlich der materiellen Erfordernisse der Ehe das
Recht des ersten Ehedomizils, hinsichtlich der Form der Eheschlie-
ßung das Recht des Orts, an welchem dieselbe stattgefunden hat 2),
zur Anwendung.


1) Vgl. unten den Abschnitt über Elsaß-Lothringen. Daselbst gilt bereits
ein durchaus anderes Prinzip.
2) Stobbe Deutsches Privatr. I. 203. 204. Förster Preuß. Privatr. I.
§. 11 Nr. 5. Beseler Deutsches Privatr. I. S. 115 (3. Aufl.). Böhlau
Mecklenb. Landr. I. S. 441. 469 ff. Hinschius Kommentar zum Personen-
standsges. S. 163 ff. Abw. Ansicht v. Savigny System Bd. 8 S. 357. v.
Gerber Privatr. §. 32 Note 18. Zu bemerken ist jedoch, daß Kinder aus einer
formell gültig eingegangenen, aus materiellen Gründen anfechtbaren Ehe, welche
vor der gerichtlichen Nichtigkeits-Erklärung geboren sind, als eheliche gelten.
Roth u. Meibom Kurhess. Privatr. I. S. 354 Note 25. S. 477. In

§. 17. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit.
daſelbſt geborenen und erzogenen Kinder nicht Sachſen, ſondern
Preußen. Da nun die Staatsangehörigkeit durch den Aufenthalt
in dem Gebiet anderer Bundesſtaaten nicht verloren geht, gleich-
viel wie lange derſelbe dauert, und ebenſo wenig die Staatsange-
hörigkeit durch Aufenthalt oder Begründung eines Wohnſitzes er-
worben wird (§. 12 des Geſetzes), ſo können Familien, welche
aus einem Bundesſtaat in einen andern überſiedeln, ohne die
Staatsangehörigkeit zu ändern, für eine unabſehbare Reihe von
Generationen die Staatsangehörigkeit in demjenigen Staate behal-
ten, dem ſie am 1. Januar 1871 angehört haben. In Verbin-
dung mit der Freizügigkeit, welche innerhalb des ganzen Reichs-
gebietes beſteht, wird dieſer Grundſatz es daher im Lauf der Zeit
immer ſchwieriger machen, die Staatsangehörigkeit feſtzuſtellen,
und an großen Verkehrs-Mittelpunkten mit ſchnell wechſelnder
Bevölkerung wird bald in verhältnißmäßig kurzer Zeit auch die
anſäſſige Bevölkerung aus Staatsangehörigen der verſchiedenſten
Bundesſtaaten zuſammengeſetzt ſein, von denen Jeder ſeine Staats-
angehörigkeit in alle Ewigkeit vererben und in jeden beliebigen
Bundesſtaat mitnehmen kann. Es muß dies nothwendig dahin
führen, die Staatsangehörigkeit immer mehr der Reichsangehörig-
keit gegenüber zurücktreten zu laſſen 1).

Bei der Beurtheilung der Frage, ob ein Kind aus einer gül-
tigen oder aus einer nichtigen Ehe entſproſſen iſt, ob es alſo der
Staatsangehörigkeit des Vaters oder derjenigen der Mutter folgt,
kömmt nach allgemeinen Grundſätzen über die Herrſchaft der Rechts-
normen hinſichtlich der materiellen Erforderniſſe der Ehe das
Recht des erſten Ehedomizils, hinſichtlich der Form der Eheſchlie-
ßung das Recht des Orts, an welchem dieſelbe ſtattgefunden hat 2),
zur Anwendung.


1) Vgl. unten den Abſchnitt über Elſaß-Lothringen. Daſelbſt gilt bereits
ein durchaus anderes Prinzip.
2) Stobbe Deutſches Privatr. I. 203. 204. Förſter Preuß. Privatr. I.
§. 11 Nr. 5. Beſeler Deutſches Privatr. I. S. 115 (3. Aufl.). Böhlau
Mecklenb. Landr. I. S. 441. 469 ff. Hinſchius Kommentar zum Perſonen-
ſtandsgeſ. S. 163 ff. Abw. Anſicht v. Savigny Syſtem Bd. 8 S. 357. v.
Gerber Privatr. §. 32 Note 18. Zu bemerken iſt jedoch, daß Kinder aus einer
formell gültig eingegangenen, aus materiellen Gründen anfechtbaren Ehe, welche
vor der gerichtlichen Nichtigkeits-Erklärung geboren ſind, als eheliche gelten.
Roth u. Meibom Kurheſſ. Privatr. I. S. 354 Note 25. S. 477. In
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[164/0184] §. 17. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit. daſelbſt geborenen und erzogenen Kinder nicht Sachſen, ſondern Preußen. Da nun die Staatsangehörigkeit durch den Aufenthalt in dem Gebiet anderer Bundesſtaaten nicht verloren geht, gleich- viel wie lange derſelbe dauert, und ebenſo wenig die Staatsange- hörigkeit durch Aufenthalt oder Begründung eines Wohnſitzes er- worben wird (§. 12 des Geſetzes), ſo können Familien, welche aus einem Bundesſtaat in einen andern überſiedeln, ohne die Staatsangehörigkeit zu ändern, für eine unabſehbare Reihe von Generationen die Staatsangehörigkeit in demjenigen Staate behal- ten, dem ſie am 1. Januar 1871 angehört haben. In Verbin- dung mit der Freizügigkeit, welche innerhalb des ganzen Reichs- gebietes beſteht, wird dieſer Grundſatz es daher im Lauf der Zeit immer ſchwieriger machen, die Staatsangehörigkeit feſtzuſtellen, und an großen Verkehrs-Mittelpunkten mit ſchnell wechſelnder Bevölkerung wird bald in verhältnißmäßig kurzer Zeit auch die anſäſſige Bevölkerung aus Staatsangehörigen der verſchiedenſten Bundesſtaaten zuſammengeſetzt ſein, von denen Jeder ſeine Staats- angehörigkeit in alle Ewigkeit vererben und in jeden beliebigen Bundesſtaat mitnehmen kann. Es muß dies nothwendig dahin führen, die Staatsangehörigkeit immer mehr der Reichsangehörig- keit gegenüber zurücktreten zu laſſen 1). Bei der Beurtheilung der Frage, ob ein Kind aus einer gül- tigen oder aus einer nichtigen Ehe entſproſſen iſt, ob es alſo der Staatsangehörigkeit des Vaters oder derjenigen der Mutter folgt, kömmt nach allgemeinen Grundſätzen über die Herrſchaft der Rechts- normen hinſichtlich der materiellen Erforderniſſe der Ehe das Recht des erſten Ehedomizils, hinſichtlich der Form der Eheſchlie- ßung das Recht des Orts, an welchem dieſelbe ſtattgefunden hat 2), zur Anwendung. 1) Vgl. unten den Abſchnitt über Elſaß-Lothringen. Daſelbſt gilt bereits ein durchaus anderes Prinzip. 2) Stobbe Deutſches Privatr. I. 203. 204. Förſter Preuß. Privatr. I. §. 11 Nr. 5. Beſeler Deutſches Privatr. I. S. 115 (3. Aufl.). Böhlau Mecklenb. Landr. I. S. 441. 469 ff. Hinſchius Kommentar zum Perſonen- ſtandsgeſ. S. 163 ff. Abw. Anſicht v. Savigny Syſtem Bd. 8 S. 357. v. Gerber Privatr. §. 32 Note 18. Zu bemerken iſt jedoch, daß Kinder aus einer formell gültig eingegangenen, aus materiellen Gründen anfechtbaren Ehe, welche vor der gerichtlichen Nichtigkeits-Erklärung geboren ſind, als eheliche gelten. Roth u. Meibom Kurheſſ. Privatr. I. S. 354 Note 25. S. 477. In

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/184>, abgerufen am 24.11.2024.