a) Das Freizügigkeits-Gesetz vom 1. Nov. 1867 §. 3 Abs. 2 bestimmt "Solchen Personen, welche derartigen (nämlich polizeilichen) Aufenthaltsbeschränkungen in einem Bundesstaate unterlie- gen, oder welche in einem Bundesstaate innerhalb der letzten zwölf Monate wegen wiederholten Bettelns oder wegen wiederholter Landstreicherei bestraft worden sind, kann der Aufenthalt in jedem anderen Bundes- staate von der Landespolizeibehörde verweigert werden."
Also nicht blos den Angehörigen eines anderen Bundes- staates 1), sondern auch den eigenen Angehörigen kann der Aufenthalt im Staatsgebiet verweigert werden, wenn dieselben in einem andern Bundesstaate die in diesem Artikel erwähnten Be- strafungen erlitten haben.
b) Ein zweiter Fall betrifft reichsangehörige Jesuiten und renitente Geistliche nach den Gesetzen vom 4. Juli 1872 §. 2 und vom 4. Mai 1874 §. 1. Denselben kann der Aufenthalt in be- stimmten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen werden. Durch die ausdrückliche, unwidersprochene Erklärung des Abg. Meyer (Thorn), von welchem die zum Gesetz erhobene Fassung des Jesuitengesetzes vorgeschlagen worden ist, wurde in der Sitzung des Reichstages vom 17. Juni 1872 "constatirt:" "daß die Gren- zen der einzelnen Bundesstaaten hier nicht in Betracht kommen; es soll also vollständig möglich sein, daß Jemand, der in Mainz, in Hessen-Darmstadt Inländer ist, also ein Hesse, von Hes- sen ausgeschlossen oder in einen andern Bundesstaat hinein- gewiesen werde. Es würde sonst bei der geringen Ausdehnung vieler Bundesstaaten die Maßregel leicht einen völlig illusorischen Charakter annehmen können" 2). Zum Zweck der Internirung steht der Landespolizeibehörde in diesem Falle nicht nur das Lan- desterritorium, sondern das ganze Bundes gebiet zur Verfügung.
c) Sodann kann eine thatsächliche Ausweisung von Staats- angehörigen aus dem Staatsgebiet in ein anderes zum Reich ge- höriges Gebiet auf Grund des Gesetzes über den Unter- stützungswohnsitz vorkommen. Wenn Jemand nämlich in
1) So versteht, wie es scheint, Thudichum S. 534 dieses Gesetz.
2) Stenogr. Ber. 1872 S. 1061. Vgl. Hirth's Annalen 1872 S. 1188.
§. 16. Das Staatsbürgerrecht im Einzelſtaat.
a) Das Freizügigkeits-Geſetz vom 1. Nov. 1867 §. 3 Abſ. 2 beſtimmt „Solchen Perſonen, welche derartigen (nämlich polizeilichen) Aufenthaltsbeſchränkungen in einem Bundesſtaate unterlie- gen, oder welche in einem Bundesſtaate innerhalb der letzten zwölf Monate wegen wiederholten Bettelns oder wegen wiederholter Landſtreicherei beſtraft worden ſind, kann der Aufenthalt in jedem anderen Bundes- ſtaate von der Landespolizeibehörde verweigert werden.“
Alſo nicht blos den Angehörigen eines anderen Bundes- ſtaates 1), ſondern auch den eigenen Angehörigen kann der Aufenthalt im Staatsgebiet verweigert werden, wenn dieſelben in einem andern Bundesſtaate die in dieſem Artikel erwähnten Be- ſtrafungen erlitten haben.
b) Ein zweiter Fall betrifft reichsangehörige Jeſuiten und renitente Geiſtliche nach den Geſetzen vom 4. Juli 1872 §. 2 und vom 4. Mai 1874 §. 1. Denſelben kann der Aufenthalt in be- ſtimmten Bezirken oder Orten verſagt oder angewieſen werden. Durch die ausdrückliche, unwiderſprochene Erklärung des Abg. Meyer (Thorn), von welchem die zum Geſetz erhobene Faſſung des Jeſuitengeſetzes vorgeſchlagen worden iſt, wurde in der Sitzung des Reichstages vom 17. Juni 1872 „conſtatirt:“ „daß die Gren- zen der einzelnen Bundesſtaaten hier nicht in Betracht kommen; es ſoll alſo vollſtändig möglich ſein, daß Jemand, der in Mainz, in Heſſen-Darmſtadt Inländer iſt, alſo ein Heſſe, von Heſ- ſen ausgeſchloſſen oder in einen andern Bundesſtaat hinein- gewieſen werde. Es würde ſonſt bei der geringen Ausdehnung vieler Bundesſtaaten die Maßregel leicht einen völlig illuſoriſchen Charakter annehmen können“ 2). Zum Zweck der Internirung ſteht der Landespolizeibehörde in dieſem Falle nicht nur das Lan- desterritorium, ſondern das ganze Bundes gebiet zur Verfügung.
c) Sodann kann eine thatſächliche Ausweiſung von Staats- angehörigen aus dem Staatsgebiet in ein anderes zum Reich ge- höriges Gebiet auf Grund des Geſetzes über den Unter- ſtützungswohnſitz vorkommen. Wenn Jemand nämlich in
1) So verſteht, wie es ſcheint, Thudichum S. 534 dieſes Geſetz.
2) Stenogr. Ber. 1872 S. 1061. Vgl. Hirth’s Annalen 1872 S. 1188.
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§. 16. Das Staatsbürgerrecht im Einzelſtaat.
a) Das Freizügigkeits-Geſetz vom 1. Nov. 1867
§. 3 Abſ. 2 beſtimmt
„Solchen Perſonen, welche derartigen (nämlich polizeilichen)
Aufenthaltsbeſchränkungen in einem Bundesſtaate unterlie-
gen, oder welche in einem Bundesſtaate innerhalb der
letzten zwölf Monate wegen wiederholten Bettelns oder
wegen wiederholter Landſtreicherei beſtraft worden ſind,
kann der Aufenthalt in jedem anderen Bundes-
ſtaate von der Landespolizeibehörde verweigert werden.“
Alſo nicht blos den Angehörigen eines anderen Bundes-
ſtaates 1), ſondern auch den eigenen Angehörigen kann der
Aufenthalt im Staatsgebiet verweigert werden, wenn dieſelben in
einem andern Bundesſtaate die in dieſem Artikel erwähnten Be-
ſtrafungen erlitten haben.
b) Ein zweiter Fall betrifft reichsangehörige Jeſuiten und
renitente Geiſtliche nach den Geſetzen vom 4. Juli 1872 §. 2 und
vom 4. Mai 1874 §. 1. Denſelben kann der Aufenthalt in be-
ſtimmten Bezirken oder Orten verſagt oder angewieſen werden.
Durch die ausdrückliche, unwiderſprochene Erklärung des Abg.
Meyer (Thorn), von welchem die zum Geſetz erhobene Faſſung
des Jeſuitengeſetzes vorgeſchlagen worden iſt, wurde in der Sitzung
des Reichstages vom 17. Juni 1872 „conſtatirt:“ „daß die Gren-
zen der einzelnen Bundesſtaaten hier nicht in Betracht kommen;
es ſoll alſo vollſtändig möglich ſein, daß Jemand, der in Mainz,
in Heſſen-Darmſtadt Inländer iſt, alſo ein Heſſe, von Heſ-
ſen ausgeſchloſſen oder in einen andern Bundesſtaat hinein-
gewieſen werde. Es würde ſonſt bei der geringen Ausdehnung
vieler Bundesſtaaten die Maßregel leicht einen völlig illuſoriſchen
Charakter annehmen können“ 2). Zum Zweck der Internirung
ſteht der Landespolizeibehörde in dieſem Falle nicht nur das Lan-
desterritorium, ſondern das ganze Bundes gebiet zur Verfügung.
c) Sodann kann eine thatſächliche Ausweiſung von Staats-
angehörigen aus dem Staatsgebiet in ein anderes zum Reich ge-
höriges Gebiet auf Grund des Geſetzes über den Unter-
ſtützungswohnſitz vorkommen. Wenn Jemand nämlich in
1) So verſteht, wie es ſcheint, Thudichum S. 534 dieſes Geſetz.
2) Stenogr. Ber. 1872 S. 1061. Vgl. Hirth’s Annalen 1872 S. 1188.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/179>, abgerufen am 27.11.2024.
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