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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 16. Das Staatsbürgerrecht im Einzelstaat.
oder Bayer, sondern jeder Deutsche zur Theilnahme an den Reichs-
tagswahlen berechtigt und wählbar 1).

4) Regelmäßig wird zu den staatsbürgerlichen oder politischen
Rechten auch die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter ge-
zählt, Allein dies ist kein Recht im subjectiven Sinn, denn Nie-
mand hat einen Anspruch darauf, im Staatsdienst angestellt zu
werden und ein öffentliches Amt zu erhalten 2). Es handelt sich
hier vielmehr lediglich um einen objectiven Rechtssatz, welcher die
Voraussetzungen betrifft, an welche die Qualifikation der Personen,
die im Staatsdienst Verwendung finden dürfen, geknüpft ist. Nicht
ein subjectives Recht des einzelnen Staatsangehörigen, sondern
eine objectiv-rechtliche Schranke der Staatsregierung wird durch den
Rechtssatz, daß nur Staatsangehörige im Staatsdienst angestellt
werden dürfen, begründet. In die Lehre vom Staatsbürgerrecht
gehört dieser Satz daher keinesfalls. Für das Reichsrecht besteht
er aber überhaupt nicht; die Reichsregierung ist nicht gehindert,
Ausländer in den Reichsdienst zu berufen 3). Im Gegentheil be-
stimmt das Gesetz v. 1. Juni 1870 ausdrücklich, daß der Aus-
länder durch seine Anstellung im Reichsdienst die Staatsangehö-
rigkeit (mithin auch das Reichsbürgerrecht,) in demjenigen Bun-
desstaate, erwirbt, in welchem er seinen dienstlichen Wohnsitz
hat. Es ist also das Reichsbürgerrecht nicht Voraussetzung,
sondern Wirkung der Anstellung im Reichsdienst; eine Natura-
lisation des Ausländers braucht seiner Anstellung nicht voraus
zu gehen
, sondern sie wird durch seine Berufung zu dem Reichs-
amt ersetzt. Auch materiell ist es daher unrichtig, die "Fähigkeit"
zur Bekleidung von Reichsämtern zum Inhalt des Reichsbürger-
rechts zu machen.

§. 16. Das Staatsbürgerrecht im Einzelstaat.

Die vorstehenden Erörterungen ebnen den Weg, um nun auch
den Inhalt des Staatsbürgerrechts im Einzelstaat und das Ver-

1) Vgl. unten §. 47 und §. 49.
2) Richtig hervorgehoben im Verfassunggeb. Reichstage von dem Hess.
Bundescommissar Hofmann. (Sten. Ber. 244.)
3) Das Gesetz über Errichtung des Oberhandelsgerichts für den Nordd.
Bund vom 12. Juni 1869 §. 6 behielt ausdrücklich die Ernennung von öffent-
lichen Lehrern des Rechts an einer Deutschen Universität vor; also auch von
südd. Professoren, welche damals für den Nordd. Bund "Ausländer" waren.

§. 16. Das Staatsbürgerrecht im Einzelſtaat.
oder Bayer, ſondern jeder Deutſche zur Theilnahme an den Reichs-
tagswahlen berechtigt und wählbar 1).

4) Regelmäßig wird zu den ſtaatsbürgerlichen oder politiſchen
Rechten auch die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter ge-
zählt, Allein dies iſt kein Recht im ſubjectiven Sinn, denn Nie-
mand hat einen Anſpruch darauf, im Staatsdienſt angeſtellt zu
werden und ein öffentliches Amt zu erhalten 2). Es handelt ſich
hier vielmehr lediglich um einen objectiven Rechtsſatz, welcher die
Vorausſetzungen betrifft, an welche die Qualifikation der Perſonen,
die im Staatsdienſt Verwendung finden dürfen, geknüpft iſt. Nicht
ein ſubjectives Recht des einzelnen Staatsangehörigen, ſondern
eine objectiv-rechtliche Schranke der Staatsregierung wird durch den
Rechtsſatz, daß nur Staatsangehörige im Staatsdienſt angeſtellt
werden dürfen, begründet. In die Lehre vom Staatsbürgerrecht
gehört dieſer Satz daher keinesfalls. Für das Reichsrecht beſteht
er aber überhaupt nicht; die Reichsregierung iſt nicht gehindert,
Ausländer in den Reichsdienſt zu berufen 3). Im Gegentheil be-
ſtimmt das Geſetz v. 1. Juni 1870 ausdrücklich, daß der Aus-
länder durch ſeine Anſtellung im Reichsdienſt die Staatsangehö-
rigkeit (mithin auch das Reichsbürgerrecht,) in demjenigen Bun-
desſtaate, erwirbt, in welchem er ſeinen dienſtlichen Wohnſitz
hat. Es iſt alſo das Reichsbürgerrecht nicht Vorausſetzung,
ſondern Wirkung der Anſtellung im Reichsdienſt; eine Natura-
liſation des Ausländers braucht ſeiner Anſtellung nicht voraus
zu gehen
, ſondern ſie wird durch ſeine Berufung zu dem Reichs-
amt erſetzt. Auch materiell iſt es daher unrichtig, die „Fähigkeit“
zur Bekleidung von Reichsämtern zum Inhalt des Reichsbürger-
rechts zu machen.

§. 16. Das Staatsbürgerrecht im Einzelſtaat.

Die vorſtehenden Erörterungen ebnen den Weg, um nun auch
den Inhalt des Staatsbürgerrechts im Einzelſtaat und das Ver-

1) Vgl. unten §. 47 und §. 49.
2) Richtig hervorgehoben im Verfaſſunggeb. Reichstage von dem Heſſ.
Bundescommiſſar Hofmann. (Sten. Ber. 244.)
3) Das Geſetz über Errichtung des Oberhandelsgerichts für den Nordd.
Bund vom 12. Juni 1869 §. 6 behielt ausdrücklich die Ernennung von öffent-
lichen Lehrern des Rechts an einer Deutſchen Univerſität vor; alſo auch von
ſüdd. Profeſſoren, welche damals für den Nordd. Bund „Ausländer“ waren.
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[156/0176] §. 16. Das Staatsbürgerrecht im Einzelſtaat. oder Bayer, ſondern jeder Deutſche zur Theilnahme an den Reichs- tagswahlen berechtigt und wählbar 1). 4) Regelmäßig wird zu den ſtaatsbürgerlichen oder politiſchen Rechten auch die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter ge- zählt, Allein dies iſt kein Recht im ſubjectiven Sinn, denn Nie- mand hat einen Anſpruch darauf, im Staatsdienſt angeſtellt zu werden und ein öffentliches Amt zu erhalten 2). Es handelt ſich hier vielmehr lediglich um einen objectiven Rechtsſatz, welcher die Vorausſetzungen betrifft, an welche die Qualifikation der Perſonen, die im Staatsdienſt Verwendung finden dürfen, geknüpft iſt. Nicht ein ſubjectives Recht des einzelnen Staatsangehörigen, ſondern eine objectiv-rechtliche Schranke der Staatsregierung wird durch den Rechtsſatz, daß nur Staatsangehörige im Staatsdienſt angeſtellt werden dürfen, begründet. In die Lehre vom Staatsbürgerrecht gehört dieſer Satz daher keinesfalls. Für das Reichsrecht beſteht er aber überhaupt nicht; die Reichsregierung iſt nicht gehindert, Ausländer in den Reichsdienſt zu berufen 3). Im Gegentheil be- ſtimmt das Geſetz v. 1. Juni 1870 ausdrücklich, daß der Aus- länder durch ſeine Anſtellung im Reichsdienſt die Staatsangehö- rigkeit (mithin auch das Reichsbürgerrecht,) in demjenigen Bun- desſtaate, erwirbt, in welchem er ſeinen dienſtlichen Wohnſitz hat. Es iſt alſo das Reichsbürgerrecht nicht Vorausſetzung, ſondern Wirkung der Anſtellung im Reichsdienſt; eine Natura- liſation des Ausländers braucht ſeiner Anſtellung nicht voraus zu gehen, ſondern ſie wird durch ſeine Berufung zu dem Reichs- amt erſetzt. Auch materiell iſt es daher unrichtig, die „Fähigkeit“ zur Bekleidung von Reichsämtern zum Inhalt des Reichsbürger- rechts zu machen. §. 16. Das Staatsbürgerrecht im Einzelſtaat. Die vorſtehenden Erörterungen ebnen den Weg, um nun auch den Inhalt des Staatsbürgerrechts im Einzelſtaat und das Ver- 1) Vgl. unten §. 47 und §. 49. 2) Richtig hervorgehoben im Verfaſſunggeb. Reichstage von dem Heſſ. Bundescommiſſar Hofmann. (Sten. Ber. 244.) 3) Das Geſetz über Errichtung des Oberhandelsgerichts für den Nordd. Bund vom 12. Juni 1869 §. 6 behielt ausdrücklich die Ernennung von öffent- lichen Lehrern des Rechts an einer Deutſchen Univerſität vor; alſo auch von ſüdd. Profeſſoren, welche damals für den Nordd. Bund „Ausländer“ waren.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/176>, abgerufen am 21.11.2024.