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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 15. Der Inhalt des Reichsbürgerrechts.
Gesetz vom 4. Mai 1874, betreffend die Verhinderung der unbe-
fugten Ausübung von Kirchenämtern, gestattet zwar im äußersten
Falle die Ausweisung des renitenten Geistlichen, erfordert aber,
daß derselbe zuvor seiner Staatsangehörigkeit durch Verfügung
der Centralbehörde seines Heimathsstaates verlustig erklärt werde
und sichert durch den § 4 ausdrücklich die Consequenz, daß dieser
Verlust der Staatsangehörigkeit den Verlust der Reichsangehörig-
keit nach sich zieht, indem er seine Wirkung gleichzeitig auf alle
einzelnen Bundesstaaten erstreckt 1).

Im engsten Zusammenhange mit dem entwickelten Prinzip
steht der weitere Rechtssatz: Ein Reichsangehöriger darf
in keinem Falle einem ausländischen Staat aus-
geliefert werden
. Auch dies ist ein wesentlicher Bestandtheil
des Reichsbürgerrechts, das Wort in seiner wahren, juristischen
Bedeutung genommen. Der Grundsatz, welcher seinen Platz in
der Reichsverfassung verdiente, ist gesetzlich sanktionirt im
Reichs-Strafgesetzbuch § 9. Ein Deutscher darf einer
ausländischen Regierung zur Verfolgung oder Bestrafung
nicht überliefert werden 2).

Er ist außerdem in sämmtlichen völkerrechtlichen Verträgen,
welche das Reich mit auswärtigen Staaten über die Auslieferung
von Verbrechern abgeschlossen hat, ausnahmslos anerkannt wor-
den 3).


aber, welcher hervorhob, "daß ein solcher Verlust des Indigenats den Grund-
sätzen des modernen Rechts überall widerstreitet," verbesserte der Reichstag
das Gesetz in dem angegebenen Sinne.
1) "Personen, welche nach den Vorschriften dieses Gesetzes ihrer Staats-
angehörigkeit in einem Bundesstaate verlustig erklärt worden sind, verlieren
dieselbe auch in jedem anderen Bundesstaate und können ohne Geneh-
migung des Bundesraths in keinem Bundesstaate die Staatsangehörigkeit
von neuem erwerben."
2) Auch zu anderen Zwecken nicht. Wenn z. B. im Falle eines Krieges
eine befreundete Regierung sich erbieten würde, verwundete Deutsche Krieger
zur Verpflegung und Heilung zu übernehmen, so dürften doch Deutsche Sol-
daten wider ihren Willen nicht an ausländische Lazarethe abgeliefert
werden.
3) Vertr. mit Nordamerika vom 16. Juni 1852 Art. 3 resp. vom
22. Februar 1868 Art. 3 (B.-G.-Bl. 1868 S. 229. 234); mit Belgien vom
9. Februar 1870 Art. 2 (B.-G.-Bl. 1870 S. 57); mit Italien vom 31.
Oktober 1871 Art. 2 (R.-G.-Bl. 1871 S. 449) u. Uebereinkunft v. 8. August

§. 15. Der Inhalt des Reichsbürgerrechts.
Geſetz vom 4. Mai 1874, betreffend die Verhinderung der unbe-
fugten Ausübung von Kirchenämtern, geſtattet zwar im äußerſten
Falle die Ausweiſung des renitenten Geiſtlichen, erfordert aber,
daß derſelbe zuvor ſeiner Staatsangehörigkeit durch Verfügung
der Centralbehörde ſeines Heimathsſtaates verluſtig erklärt werde
und ſichert durch den § 4 ausdrücklich die Conſequenz, daß dieſer
Verluſt der Staatsangehörigkeit den Verluſt der Reichsangehörig-
keit nach ſich zieht, indem er ſeine Wirkung gleichzeitig auf alle
einzelnen Bundesſtaaten erſtreckt 1).

Im engſten Zuſammenhange mit dem entwickelten Prinzip
ſteht der weitere Rechtsſatz: Ein Reichsangehöriger darf
in keinem Falle einem ausländiſchen Staat aus-
geliefert werden
. Auch dies iſt ein weſentlicher Beſtandtheil
des Reichsbürgerrechts, das Wort in ſeiner wahren, juriſtiſchen
Bedeutung genommen. Der Grundſatz, welcher ſeinen Platz in
der Reichsverfaſſung verdiente, iſt geſetzlich ſanktionirt im
Reichs-Strafgeſetzbuch § 9. Ein Deutſcher darf einer
ausländiſchen Regierung zur Verfolgung oder Beſtrafung
nicht überliefert werden 2).

Er iſt außerdem in ſämmtlichen völkerrechtlichen Verträgen,
welche das Reich mit auswärtigen Staaten über die Auslieferung
von Verbrechern abgeſchloſſen hat, ausnahmslos anerkannt wor-
den 3).


aber, welcher hervorhob, „daß ein ſolcher Verluſt des Indigenats den Grund-
ſätzen des modernen Rechts überall widerſtreitet,“ verbeſſerte der Reichstag
das Geſetz in dem angegebenen Sinne.
1) „Perſonen, welche nach den Vorſchriften dieſes Geſetzes ihrer Staats-
angehörigkeit in einem Bundesſtaate verluſtig erklärt worden ſind, verlieren
dieſelbe auch in jedem anderen Bundesſtaate und können ohne Geneh-
migung des Bundesraths in keinem Bundesſtaate die Staatsangehörigkeit
von neuem erwerben.“
2) Auch zu anderen Zwecken nicht. Wenn z. B. im Falle eines Krieges
eine befreundete Regierung ſich erbieten würde, verwundete Deutſche Krieger
zur Verpflegung und Heilung zu übernehmen, ſo dürften doch Deutſche Sol-
daten wider ihren Willen nicht an ausländiſche Lazarethe abgeliefert
werden.
3) Vertr. mit Nordamerika vom 16. Juni 1852 Art. 3 reſp. vom
22. Februar 1868 Art. 3 (B.-G.-Bl. 1868 S. 229. 234); mit Belgien vom
9. Februar 1870 Art. 2 (B.-G.-Bl. 1870 S. 57); mit Italien vom 31.
Oktober 1871 Art. 2 (R.-G.-Bl. 1871 S. 449) u. Uebereinkunft v. 8. Auguſt
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[153/0173] §. 15. Der Inhalt des Reichsbürgerrechts. Geſetz vom 4. Mai 1874, betreffend die Verhinderung der unbe- fugten Ausübung von Kirchenämtern, geſtattet zwar im äußerſten Falle die Ausweiſung des renitenten Geiſtlichen, erfordert aber, daß derſelbe zuvor ſeiner Staatsangehörigkeit durch Verfügung der Centralbehörde ſeines Heimathsſtaates verluſtig erklärt werde und ſichert durch den § 4 ausdrücklich die Conſequenz, daß dieſer Verluſt der Staatsangehörigkeit den Verluſt der Reichsangehörig- keit nach ſich zieht, indem er ſeine Wirkung gleichzeitig auf alle einzelnen Bundesſtaaten erſtreckt 1). Im engſten Zuſammenhange mit dem entwickelten Prinzip ſteht der weitere Rechtsſatz: Ein Reichsangehöriger darf in keinem Falle einem ausländiſchen Staat aus- geliefert werden. Auch dies iſt ein weſentlicher Beſtandtheil des Reichsbürgerrechts, das Wort in ſeiner wahren, juriſtiſchen Bedeutung genommen. Der Grundſatz, welcher ſeinen Platz in der Reichsverfaſſung verdiente, iſt geſetzlich ſanktionirt im Reichs-Strafgeſetzbuch § 9. Ein Deutſcher darf einer ausländiſchen Regierung zur Verfolgung oder Beſtrafung nicht überliefert werden 2). Er iſt außerdem in ſämmtlichen völkerrechtlichen Verträgen, welche das Reich mit auswärtigen Staaten über die Auslieferung von Verbrechern abgeſchloſſen hat, ausnahmslos anerkannt wor- den 3). 4) 1) „Perſonen, welche nach den Vorſchriften dieſes Geſetzes ihrer Staats- angehörigkeit in einem Bundesſtaate verluſtig erklärt worden ſind, verlieren dieſelbe auch in jedem anderen Bundesſtaate und können ohne Geneh- migung des Bundesraths in keinem Bundesſtaate die Staatsangehörigkeit von neuem erwerben.“ 2) Auch zu anderen Zwecken nicht. Wenn z. B. im Falle eines Krieges eine befreundete Regierung ſich erbieten würde, verwundete Deutſche Krieger zur Verpflegung und Heilung zu übernehmen, ſo dürften doch Deutſche Sol- daten wider ihren Willen nicht an ausländiſche Lazarethe abgeliefert werden. 3) Vertr. mit Nordamerika vom 16. Juni 1852 Art. 3 reſp. vom 22. Februar 1868 Art. 3 (B.-G.-Bl. 1868 S. 229. 234); mit Belgien vom 9. Februar 1870 Art. 2 (B.-G.-Bl. 1870 S. 57); mit Italien vom 31. Oktober 1871 Art. 2 (R.-G.-Bl. 1871 S. 449) u. Uebereinkunft v. 8. Auguſt 4) aber, welcher hervorhob, „daß ein ſolcher Verluſt des Indigenats den Grund- ſätzen des modernen Rechts überall widerſtreitet,“ verbeſſerte der Reichstag das Geſetz in dem angegebenen Sinne.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/173>, abgerufen am 24.11.2024.