meisten entwickelt sind. Denn abgesehen davon, daß es den Ein- zelstaaten unbenommen ist, Landes-Gesandtschaften zu unter- halten, denen der Schutz und die Vertretung der Interessen der Landes-Angehörigen zunächst obliegt, bestimmt auch hinsichtlich der Konsulate, zu deren Errichtung das Reich ausschließlich be- fugt ist 1), der §. 3 Abs. 2 des Gesetzes v. 8. Nov. 1867 "In besonderen, das Interesse (eines einzelnen Bundes- staates oder) einzelner Bundesangehörigen betreffenden Ge- schäftsangelegenheiten berichten sie an die Regierung des Staates, (um dessen besonderes Interesse es sich handelt, oder) dem die betheiligte Privatperson ange- hört; auch kann ihnen in solchen Angelegenheiten die Regierung eines Bundesstaates Aufträge ertheilen und un- mittelbare Berichtserstattung verlangen".
Hiernach ist es den Einzelstaaten unbenommen, sich selbst ihrer Angehörigen im Auslande anzunehmen und kein Deutscher ist ge- hindert, sich an die Regierung seines Heimathsstaates zu wenden und ihre Fürsorge für seine Interessen zu verlangen. Aber er ist auf sie nicht angewiesen. Die Organe des Reiches, Gesandt- schaften und Konsulate, sind ihm unmittelbar zugänglich, eben- so das Auswärtige Amt des Reiches, und das Reich allein verfügt über die Machtmittel, um den Schutz dem Auslande gegenüber fühlbar und wirksam zu machen.
2) In den inneren Angelegenheiten entspricht der Pflicht des Staatsbürgers zur Tragung der staatsbürgerlichen Lasten, zum Gehorsam und zur Treue sein Recht, an den Wohlthaten des staatlichen Gemeinwesens Theil zu nehmen.
Die ursprünglichste, natürlichste und im Ganzen auch die wichtigste Seite des Staatsbürgerrechts in dem entwickelten Sinne ist der Anspruch, im Staate -- d. h. im Gebiet und unter dem Schutz des Staates -- leben zu dürfen. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen der rechtlichen Stellung des Staatsangehörigen und derjenigen des Fremden, daß der letztere im Staat geduldet wird, der erstere berechtigt ist, im Staate zu leben.
Zwar ist die Duldung von Fremden, welche friedlich und
1) Nur interimistisch ließ Art. 56 der R.-V. Landesconsulate bestehen bis die Organisation der Deutschen Konsulate vollendet war.
§. 15. Der Inhalt des Reichsbürgerrechts.
meiſten entwickelt ſind. Denn abgeſehen davon, daß es den Ein- zelſtaaten unbenommen iſt, Landes-Geſandtſchaften zu unter- halten, denen der Schutz und die Vertretung der Intereſſen der Landes-Angehörigen zunächſt obliegt, beſtimmt auch hinſichtlich der Konſulate, zu deren Errichtung das Reich ausſchließlich be- fugt iſt 1), der §. 3 Abſ. 2 des Geſetzes v. 8. Nov. 1867 „In beſonderen, das Intereſſe (eines einzelnen Bundes- ſtaates oder) einzelner Bundesangehörigen betreffenden Ge- ſchäftsangelegenheiten berichten ſie an die Regierung des Staates, (um deſſen beſonderes Intereſſe es ſich handelt, oder) dem die betheiligte Privatperſon ange- hört; auch kann ihnen in ſolchen Angelegenheiten die Regierung eines Bundesſtaates Aufträge ertheilen und un- mittelbare Berichtserſtattung verlangen“.
Hiernach iſt es den Einzelſtaaten unbenommen, ſich ſelbſt ihrer Angehörigen im Auslande anzunehmen und kein Deutſcher iſt ge- hindert, ſich an die Regierung ſeines Heimathsſtaates zu wenden und ihre Fürſorge für ſeine Intereſſen zu verlangen. Aber er iſt auf ſie nicht angewieſen. Die Organe des Reiches, Geſandt- ſchaften und Konſulate, ſind ihm unmittelbar zugänglich, eben- ſo das Auswärtige Amt des Reiches, und das Reich allein verfügt über die Machtmittel, um den Schutz dem Auslande gegenüber fühlbar und wirkſam zu machen.
2) In den inneren Angelegenheiten entſpricht der Pflicht des Staatsbürgers zur Tragung der ſtaatsbürgerlichen Laſten, zum Gehorſam und zur Treue ſein Recht, an den Wohlthaten des ſtaatlichen Gemeinweſens Theil zu nehmen.
Die urſprünglichſte, natürlichſte und im Ganzen auch die wichtigſte Seite des Staatsbürgerrechts in dem entwickelten Sinne iſt der Anſpruch, im Staate — d. h. im Gebiet und unter dem Schutz des Staates — leben zu dürfen. Das iſt der weſentliche Unterſchied zwiſchen der rechtlichen Stellung des Staatsangehörigen und derjenigen des Fremden, daß der letztere im Staat geduldet wird, der erſtere berechtigt iſt, im Staate zu leben.
Zwar iſt die Duldung von Fremden, welche friedlich und
1) Nur interimiſtiſch ließ Art. 56 der R.-V. Landesconſulate beſtehen bis die Organiſation der Deutſchen Konſulate vollendet war.
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§. 15. Der Inhalt des Reichsbürgerrechts.
meiſten entwickelt ſind. Denn abgeſehen davon, daß es den Ein-
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Landes-Angehörigen zunächſt obliegt, beſtimmt auch hinſichtlich
der Konſulate, zu deren Errichtung das Reich ausſchließlich be-
fugt iſt 1), der §. 3 Abſ. 2 des Geſetzes v. 8. Nov. 1867
„In beſonderen, das Intereſſe (eines einzelnen Bundes-
ſtaates oder) einzelner Bundesangehörigen betreffenden Ge-
ſchäftsangelegenheiten berichten ſie an die Regierung des
Staates, (um deſſen beſonderes Intereſſe es ſich handelt,
oder) dem die betheiligte Privatperſon ange-
hört; auch kann ihnen in ſolchen Angelegenheiten die
Regierung eines Bundesſtaates Aufträge ertheilen und un-
mittelbare Berichtserſtattung verlangen“.
Hiernach iſt es den Einzelſtaaten unbenommen, ſich ſelbſt ihrer
Angehörigen im Auslande anzunehmen und kein Deutſcher iſt ge-
hindert, ſich an die Regierung ſeines Heimathsſtaates zu wenden
und ihre Fürſorge für ſeine Intereſſen zu verlangen. Aber er
iſt auf ſie nicht angewieſen. Die Organe des Reiches, Geſandt-
ſchaften und Konſulate, ſind ihm unmittelbar zugänglich, eben-
ſo das Auswärtige Amt des Reiches, und das Reich allein verfügt
über die Machtmittel, um den Schutz dem Auslande gegenüber
fühlbar und wirkſam zu machen.
2) In den inneren Angelegenheiten entſpricht der Pflicht des
Staatsbürgers zur Tragung der ſtaatsbürgerlichen Laſten, zum
Gehorſam und zur Treue ſein Recht, an den Wohlthaten des
ſtaatlichen Gemeinweſens Theil zu nehmen.
Die urſprünglichſte, natürlichſte und im Ganzen auch die
wichtigſte Seite des Staatsbürgerrechts in dem entwickelten Sinne
iſt der Anſpruch, im Staate — d. h. im Gebiet und unter dem
Schutz des Staates — leben zu dürfen. Das iſt der weſentliche
Unterſchied zwiſchen der rechtlichen Stellung des Staatsangehörigen
und derjenigen des Fremden, daß der letztere im Staat geduldet
wird, der erſtere berechtigt iſt, im Staate zu leben.
Zwar iſt die Duldung von Fremden, welche friedlich und
1) Nur interimiſtiſch ließ Art. 56 der R.-V. Landesconſulate beſtehen bis
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/171>, abgerufen am 24.07.2024.
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