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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen.
Betracht. Demgemäß bedrohen die §§. 87--90 "einen Deutschen,"
welcher die daselbst angeführten Handlungen gegen das Deutsche
Reich oder dessen Bundesgenossen verübt, mit Strafe 1).

In einem inneren Zusammenhange damit steht die Bestimmung
des Gesetzes über die Bundes- und Staatsangehörigkeit v. 1. Juni
1870 §. 20
"Deutsche, welche sich im Auslande aufhalten, können ihrer
Staatsangehörigkeit durch einen Beschluß der Centralbehörde
ihres Heimathsstaates verlustig erkärt werden, wenn sie
im Falle eines Krieges oder einer Kriegsgefahr einer durch
das Bundespräsidium für das ganze Bundesgebiet anzu-
ordnenden ausdrücklichen Aufforderung zur Rückkehr binnen
der darin bestimmten Frist keine Folge leisten."

Auch diese Bestimmung hat ihren Grund in der Verpflichtung
zur Treue aller Reichsangehörigen gegen das Reich in denjenigen
Angelegenheiten, die allgemeine Reichsinteressen betreffen und ist
für das Verhältniß von Staatsbürgerrecht und Reichsbürgerrecht
sehr bezeichnend. Der Kriegszustand und die Kriegsgefahr bedro-
hen das Reich als Ganzes; der Aufenthalt von Deutschen im
Auslande zu solcher Zeit kann daher nur mit der Unterthanen-
treue gegen das Reich, nicht gegen einen einzelnen Staat, colli-
diren. Deshalb ist die Aufforderung zur Rückkehr vom Kaiser, nicht
von den einzelnen Staaten zu erlassen. Die Aufforderung darf
ferner nicht für die Angehörigen eines oder einiger Staaten ge-
schehen, sondern sie ist gleichzeitig für die Angehörigen aller Bun-
desstaaten, oder wie das Gesetz sehr ungeschickt sagt "für das
ganze Bundesgebiet" 2), anzuordnen.

Aber das Reichsbürgerrecht kann nicht für sich allein und
nicht unmittelbar entzogen werden: es kann nur verloren gehen
mit und durch den Verlust der Staatsangehörigkeit in dem betref-
fenden Einzelstaat. Deshalb droht das Reichsgesetz für die dem
Reich gegenüber gezeigte Entfremdung vom Vaterland den Verlust
der Staats angehörigkeit an und ermächtigt die Centralbehörde

1) John a. a. O. S. 48.
2) Da die Aufforderung an die im Auslande sich aufhaltenden Deutschen
gerichtet ist, so hat sie keine Beziehung auf das Bundesgebiet. Nicht in
territorialer, sondern in personaler Hinsicht soll sie eine generelle, d. h. an die
Angehörigen aller Staaten gerichtete sein.
Laband, Reichsstaatsrecht. I. 10

§. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen.
Betracht. Demgemäß bedrohen die §§. 87—90 „einen Deutſchen,“
welcher die daſelbſt angeführten Handlungen gegen das Deutſche
Reich oder deſſen Bundesgenoſſen verübt, mit Strafe 1).

In einem inneren Zuſammenhange damit ſteht die Beſtimmung
des Geſetzes über die Bundes- und Staatsangehörigkeit v. 1. Juni
1870 §. 20
„Deutſche, welche ſich im Auslande aufhalten, können ihrer
Staatsangehörigkeit durch einen Beſchluß der Centralbehörde
ihres Heimathsſtaates verluſtig erkärt werden, wenn ſie
im Falle eines Krieges oder einer Kriegsgefahr einer durch
das Bundespräſidium für das ganze Bundesgebiet anzu-
ordnenden ausdrücklichen Aufforderung zur Rückkehr binnen
der darin beſtimmten Friſt keine Folge leiſten.“

Auch dieſe Beſtimmung hat ihren Grund in der Verpflichtung
zur Treue aller Reichsangehörigen gegen das Reich in denjenigen
Angelegenheiten, die allgemeine Reichsintereſſen betreffen und iſt
für das Verhältniß von Staatsbürgerrecht und Reichsbürgerrecht
ſehr bezeichnend. Der Kriegszuſtand und die Kriegsgefahr bedro-
hen das Reich als Ganzes; der Aufenthalt von Deutſchen im
Auslande zu ſolcher Zeit kann daher nur mit der Unterthanen-
treue gegen das Reich, nicht gegen einen einzelnen Staat, colli-
diren. Deshalb iſt die Aufforderung zur Rückkehr vom Kaiſer, nicht
von den einzelnen Staaten zu erlaſſen. Die Aufforderung darf
ferner nicht für die Angehörigen eines oder einiger Staaten ge-
ſchehen, ſondern ſie iſt gleichzeitig für die Angehörigen aller Bun-
desſtaaten, oder wie das Geſetz ſehr ungeſchickt ſagt „für das
ganze Bundesgebiet“ 2), anzuordnen.

Aber das Reichsbürgerrecht kann nicht für ſich allein und
nicht unmittelbar entzogen werden: es kann nur verloren gehen
mit und durch den Verluſt der Staatsangehörigkeit in dem betref-
fenden Einzelſtaat. Deshalb droht das Reichsgeſetz für die dem
Reich gegenüber gezeigte Entfremdung vom Vaterland den Verluſt
der Staats angehörigkeit an und ermächtigt die Centralbehörde

1) John a. a. O. S. 48.
2) Da die Aufforderung an die im Auslande ſich aufhaltenden Deutſchen
gerichtet iſt, ſo hat ſie keine Beziehung auf das Bundesgebiet. Nicht in
territorialer, ſondern in perſonaler Hinſicht ſoll ſie eine generelle, d. h. an die
Angehörigen aller Staaten gerichtete ſein.
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[145/0165] §. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen. Betracht. Demgemäß bedrohen die §§. 87—90 „einen Deutſchen,“ welcher die daſelbſt angeführten Handlungen gegen das Deutſche Reich oder deſſen Bundesgenoſſen verübt, mit Strafe 1). In einem inneren Zuſammenhange damit ſteht die Beſtimmung des Geſetzes über die Bundes- und Staatsangehörigkeit v. 1. Juni 1870 §. 20 „Deutſche, welche ſich im Auslande aufhalten, können ihrer Staatsangehörigkeit durch einen Beſchluß der Centralbehörde ihres Heimathsſtaates verluſtig erkärt werden, wenn ſie im Falle eines Krieges oder einer Kriegsgefahr einer durch das Bundespräſidium für das ganze Bundesgebiet anzu- ordnenden ausdrücklichen Aufforderung zur Rückkehr binnen der darin beſtimmten Friſt keine Folge leiſten.“ Auch dieſe Beſtimmung hat ihren Grund in der Verpflichtung zur Treue aller Reichsangehörigen gegen das Reich in denjenigen Angelegenheiten, die allgemeine Reichsintereſſen betreffen und iſt für das Verhältniß von Staatsbürgerrecht und Reichsbürgerrecht ſehr bezeichnend. Der Kriegszuſtand und die Kriegsgefahr bedro- hen das Reich als Ganzes; der Aufenthalt von Deutſchen im Auslande zu ſolcher Zeit kann daher nur mit der Unterthanen- treue gegen das Reich, nicht gegen einen einzelnen Staat, colli- diren. Deshalb iſt die Aufforderung zur Rückkehr vom Kaiſer, nicht von den einzelnen Staaten zu erlaſſen. Die Aufforderung darf ferner nicht für die Angehörigen eines oder einiger Staaten ge- ſchehen, ſondern ſie iſt gleichzeitig für die Angehörigen aller Bun- desſtaaten, oder wie das Geſetz ſehr ungeſchickt ſagt „für das ganze Bundesgebiet“ 2), anzuordnen. Aber das Reichsbürgerrecht kann nicht für ſich allein und nicht unmittelbar entzogen werden: es kann nur verloren gehen mit und durch den Verluſt der Staatsangehörigkeit in dem betref- fenden Einzelſtaat. Deshalb droht das Reichsgeſetz für die dem Reich gegenüber gezeigte Entfremdung vom Vaterland den Verluſt der Staats angehörigkeit an und ermächtigt die Centralbehörde 1) John a. a. O. S. 48. 2) Da die Aufforderung an die im Auslande ſich aufhaltenden Deutſchen gerichtet iſt, ſo hat ſie keine Beziehung auf das Bundesgebiet. Nicht in territorialer, ſondern in perſonaler Hinſicht ſoll ſie eine generelle, d. h. an die Angehörigen aller Staaten gerichtete ſein. Laband, Reichsſtaatsrecht. I. 10

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/165>, abgerufen am 24.11.2024.