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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen.
auch gegen die einzelnen Staaten geregelt. Im §. 81 wird das
Unternehmen, "die Verfassung des Deutschen Reichs gewaltsam
zu ändern oder das Bundesgebiet ganz oder theilweise einem frem-
den Staate gewaltsam einzuverleiben oder einen Theil desselben
vom Ganzen loszureißen," als ein selbstständiger Thatbestand des
Hochverraths anerkannt und völlig gleichartig neben den Fall ge-
stellt, daß ein gleiches Unternehmen gegen einen Bundesstaat ge-
richtet wird. Ebenso führt der §. 92 die Gefährdung des Wohles
und der Rechte des Deutschen Reiches neben der Gefährdung des
Wohles und der Rechte eines Bundesstaates auf. Das Reich
erscheint auch in dieser Beziehung als Staat, nicht als Staaten-
bund. Endlich sind der Bundesrath und der Reichstag und seine
Mitglieder grade ebenso wie die gesetzgebenden Versammlungen
der einzelnen Staaten und deren Mitglieder gegen gewaltsame
Angriffe und gegen Beleidigungen geschützt. Reichs-Straf-Gesetz-
Buch §. 105. 106. 196. 197.

Aber auch in einer anderen Beziehung hängt die strafrecht-
liche Gestaltung des Landesverrathes mit der bundesstaatlichen
Verfassung des Reiches zusammen. Die Kompetenz-Abgränzung
zwischen Reich und Einzelstaat, welche, wie wir ausgeführt haben,
für die Bestimmung der Unterthanen-Pflichten maßgebend ist, hat
auch zur Folge, daß ein Landesverrath in gewissen Fällen nur
gegen das Reich, nicht gegen den Einzelstaat verübt werden kann.

Bekanntlich theilt man den Landesverrath ein in den mili-
tärischen und diplomatischen. Der militärische Landesver-
rath
besteht in der Aufreizung eines fremden Staates zum Kriege
gegen das Vaterland oder in der Unterstützung, Begünstigung und
Vorschubleistung des Feindes nach ausgebrochenem Kriege. Da nun
die einzelnen Staaten das Recht der Kriegsführung nicht haben,
dieses vielmehr ausschließlich dem Reich zusteht, so kann sich ein
sogenannter militärischer oder Kriegs-Landesverrath niemals gegen
einen Gliedstaat, sondern immer nur gegen den Gesammtstaat
richten 1) und es kömmt daher auch in subjectiver Beziehung le-
diglich die Reichsangehörigkeit, nicht die Staatsangehörigkeit in

1) Der von einigen Kommentatoren zum R.-Str.-G.-B., z. B. Oppen-
hoff
zu §. 88 Note 1. Schütze Lehrb. S. 240 Note 37 erwähnte Fall, daß
nur ein Bundesstaat mit einem ausländischen Staate sich im Kriege befindet,
ist aus staatsrechtlichen Gründen unmöglich. Vgl. John a. a. O. S. 47.

§. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen.
auch gegen die einzelnen Staaten geregelt. Im §. 81 wird das
Unternehmen, „die Verfaſſung des Deutſchen Reichs gewaltſam
zu ändern oder das Bundesgebiet ganz oder theilweiſe einem frem-
den Staate gewaltſam einzuverleiben oder einen Theil deſſelben
vom Ganzen loszureißen,“ als ein ſelbſtſtändiger Thatbeſtand des
Hochverraths anerkannt und völlig gleichartig neben den Fall ge-
ſtellt, daß ein gleiches Unternehmen gegen einen Bundesſtaat ge-
richtet wird. Ebenſo führt der §. 92 die Gefährdung des Wohles
und der Rechte des Deutſchen Reiches neben der Gefährdung des
Wohles und der Rechte eines Bundesſtaates auf. Das Reich
erſcheint auch in dieſer Beziehung als Staat, nicht als Staaten-
bund. Endlich ſind der Bundesrath und der Reichstag und ſeine
Mitglieder grade ebenſo wie die geſetzgebenden Verſammlungen
der einzelnen Staaten und deren Mitglieder gegen gewaltſame
Angriffe und gegen Beleidigungen geſchützt. Reichs-Straf-Geſetz-
Buch §. 105. 106. 196. 197.

Aber auch in einer anderen Beziehung hängt die ſtrafrecht-
liche Geſtaltung des Landesverrathes mit der bundesſtaatlichen
Verfaſſung des Reiches zuſammen. Die Kompetenz-Abgränzung
zwiſchen Reich und Einzelſtaat, welche, wie wir ausgeführt haben,
für die Beſtimmung der Unterthanen-Pflichten maßgebend iſt, hat
auch zur Folge, daß ein Landesverrath in gewiſſen Fällen nur
gegen das Reich, nicht gegen den Einzelſtaat verübt werden kann.

Bekanntlich theilt man den Landesverrath ein in den mili-
täriſchen und diplomatiſchen. Der militäriſche Landesver-
rath
beſteht in der Aufreizung eines fremden Staates zum Kriege
gegen das Vaterland oder in der Unterſtützung, Begünſtigung und
Vorſchubleiſtung des Feindes nach ausgebrochenem Kriege. Da nun
die einzelnen Staaten das Recht der Kriegsführung nicht haben,
dieſes vielmehr ausſchließlich dem Reich zuſteht, ſo kann ſich ein
ſogenannter militäriſcher oder Kriegs-Landesverrath niemals gegen
einen Gliedſtaat, ſondern immer nur gegen den Geſammtſtaat
richten 1) und es kömmt daher auch in ſubjectiver Beziehung le-
diglich die Reichsangehörigkeit, nicht die Staatsangehörigkeit in

1) Der von einigen Kommentatoren zum R.-Str.-G.-B., z. B. Oppen-
hoff
zu §. 88 Note 1. Schütze Lehrb. S. 240 Note 37 erwähnte Fall, daß
nur ein Bundesſtaat mit einem ausländiſchen Staate ſich im Kriege befindet,
iſt aus ſtaatsrechtlichen Gründen unmöglich. Vgl. John a. a. O. S. 47.
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[144/0164] §. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen. auch gegen die einzelnen Staaten geregelt. Im §. 81 wird das Unternehmen, „die Verfaſſung des Deutſchen Reichs gewaltſam zu ändern oder das Bundesgebiet ganz oder theilweiſe einem frem- den Staate gewaltſam einzuverleiben oder einen Theil deſſelben vom Ganzen loszureißen,“ als ein ſelbſtſtändiger Thatbeſtand des Hochverraths anerkannt und völlig gleichartig neben den Fall ge- ſtellt, daß ein gleiches Unternehmen gegen einen Bundesſtaat ge- richtet wird. Ebenſo führt der §. 92 die Gefährdung des Wohles und der Rechte des Deutſchen Reiches neben der Gefährdung des Wohles und der Rechte eines Bundesſtaates auf. Das Reich erſcheint auch in dieſer Beziehung als Staat, nicht als Staaten- bund. Endlich ſind der Bundesrath und der Reichstag und ſeine Mitglieder grade ebenſo wie die geſetzgebenden Verſammlungen der einzelnen Staaten und deren Mitglieder gegen gewaltſame Angriffe und gegen Beleidigungen geſchützt. Reichs-Straf-Geſetz- Buch §. 105. 106. 196. 197. Aber auch in einer anderen Beziehung hängt die ſtrafrecht- liche Geſtaltung des Landesverrathes mit der bundesſtaatlichen Verfaſſung des Reiches zuſammen. Die Kompetenz-Abgränzung zwiſchen Reich und Einzelſtaat, welche, wie wir ausgeführt haben, für die Beſtimmung der Unterthanen-Pflichten maßgebend iſt, hat auch zur Folge, daß ein Landesverrath in gewiſſen Fällen nur gegen das Reich, nicht gegen den Einzelſtaat verübt werden kann. Bekanntlich theilt man den Landesverrath ein in den mili- täriſchen und diplomatiſchen. Der militäriſche Landesver- rath beſteht in der Aufreizung eines fremden Staates zum Kriege gegen das Vaterland oder in der Unterſtützung, Begünſtigung und Vorſchubleiſtung des Feindes nach ausgebrochenem Kriege. Da nun die einzelnen Staaten das Recht der Kriegsführung nicht haben, dieſes vielmehr ausſchließlich dem Reich zuſteht, ſo kann ſich ein ſogenannter militäriſcher oder Kriegs-Landesverrath niemals gegen einen Gliedſtaat, ſondern immer nur gegen den Geſammtſtaat richten 1) und es kömmt daher auch in ſubjectiver Beziehung le- diglich die Reichsangehörigkeit, nicht die Staatsangehörigkeit in 1) Der von einigen Kommentatoren zum R.-Str.-G.-B., z. B. Oppen- hoff zu §. 88 Note 1. Schütze Lehrb. S. 240 Note 37 erwähnte Fall, daß nur ein Bundesſtaat mit einem ausländiſchen Staate ſich im Kriege befindet, iſt aus ſtaatsrechtlichen Gründen unmöglich. Vgl. John a. a. O. S. 47.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/164>, abgerufen am 24.11.2024.