Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 12. Die Existenz der Einzelstaaten.
satz ableiten, daß die darin genannten Staaten fortbestehen müssen,
da ja der Norddeutsche Bund gerade durch die Gründung des
deutschen Reiches seine Existenz als besonderes staatliches Gemein-
wesen verloren hat.

Art. 1 betrifft, was durch seine Ueberschrift noch beson-
ders hervorgehoben ist, das Bundesgebiet und normirt, wie
weit es sich erstreckt. Anstatt die Grenzen desselben zu beschreiben,
zählt Art. 1 die Theile auf, aus denen es besteht. Er nennt
demgemäß diejenigen Staaten, deren Staatsgebiete zusam-
men das Bundesgebiet bilden
. Davon aber steht im
Art. 1 Nichts, daß diese Theile als solche fortbestehen müssen.
Die innere Eintheilung des Bundesgebietes in 25 Staatsgebiete
ist nicht Gegenstand einer Anordnung des Art. 1, sondern die
äußere Abgrenzung des Gebietes, welches den Territorialbestand
des Reiches bildet 1). Falls etwa einmal die beiden Mecklenburg
zu einem Staate vereinigt und Sachsen-Koburg-Gotha in zwei
Staaten getrennt werden sollten, so würde zwar die Aufzählung
in Art. 1 den thatsächlichen Verhältnissen nicht mehr entsprechend
sein, aber die staatsrechtliche Vorschrift über die Ausdehnung und
den Bestand des Bundesgebietes wäre nicht verletzt.

Der Ausdruck: "Das Bundesgebiet besteht aus den Staa-
ten
Preußen u. s. w." ist ein offenbar incorrecter 2); das Wort
Staat kann nur in dem Sinne von "Staatsgebiet" verstanden
werden 3). Ganz deutlich tritt dies hervor in dem Art. 1 der Verf.
des Nordd. Bundes: "Das Bundesgebiet besteht aus den Staaten
Preußen u. s. w.... und aus den nördlich vom Main be-
legenen Theilen
des Großherzogth. Hessen." Diese Theile
bildeten keinen Staat, wohl aber ein Gebiet.

Es wird dies ferner bestätigt durch §. 2 des Ges. v. 25. Juni
1873 "Dem im Art. 1 der Verf. bezeichneten Bundesgebiete tritt
das Gebiet des Reichslandes Elsaß-Lothringen hinzu" 4).

1) Thudichum S. 61.
2) Er stammt her aus den "Grundzügen vom 10. Juni 1866." Siehe
oben S. 13.
3) Der Art. 1 lautet nicht: "Der Bund besteht aus den Staaten;" er
betrifft nicht die Mitglieder des Bundes, sondern das Gebiet desselben.
4) Elsaß-Lothringen ist nicht Mitglied des Bundes, wohl aber Bundes-
gebiet.

§. 12. Die Exiſtenz der Einzelſtaaten.
ſatz ableiten, daß die darin genannten Staaten fortbeſtehen müſſen,
da ja der Norddeutſche Bund gerade durch die Gründung des
deutſchen Reiches ſeine Exiſtenz als beſonderes ſtaatliches Gemein-
weſen verloren hat.

Art. 1 betrifft, was durch ſeine Ueberſchrift noch beſon-
ders hervorgehoben iſt, das Bundesgebiet und normirt, wie
weit es ſich erſtreckt. Anſtatt die Grenzen deſſelben zu beſchreiben,
zählt Art. 1 die Theile auf, aus denen es beſteht. Er nennt
demgemäß diejenigen Staaten, deren Staatsgebiete zuſam-
men das Bundesgebiet bilden
. Davon aber ſteht im
Art. 1 Nichts, daß dieſe Theile als ſolche fortbeſtehen müſſen.
Die innere Eintheilung des Bundesgebietes in 25 Staatsgebiete
iſt nicht Gegenſtand einer Anordnung des Art. 1, ſondern die
äußere Abgrenzung des Gebietes, welches den Territorialbeſtand
des Reiches bildet 1). Falls etwa einmal die beiden Mecklenburg
zu einem Staate vereinigt und Sachſen-Koburg-Gotha in zwei
Staaten getrennt werden ſollten, ſo würde zwar die Aufzählung
in Art. 1 den thatſächlichen Verhältniſſen nicht mehr entſprechend
ſein, aber die ſtaatsrechtliche Vorſchrift über die Ausdehnung und
den Beſtand des Bundesgebietes wäre nicht verletzt.

Der Ausdruck: „Das Bundesgebiet beſteht aus den Staa-
ten
Preußen u. ſ. w.“ iſt ein offenbar incorrecter 2); das Wort
Staat kann nur in dem Sinne von „Staatsgebiet“ verſtanden
werden 3). Ganz deutlich tritt dies hervor in dem Art. 1 der Verf.
des Nordd. Bundes: „Das Bundesgebiet beſteht aus den Staaten
Preußen u. ſ. w.... und aus den nördlich vom Main be-
legenen Theilen
des Großherzogth. Heſſen.“ Dieſe Theile
bildeten keinen Staat, wohl aber ein Gebiet.

Es wird dies ferner beſtätigt durch §. 2 des Geſ. v. 25. Juni
1873 „Dem im Art. 1 der Verf. bezeichneten Bundesgebiete tritt
das Gebiet des Reichslandes Elſaß-Lothringen hinzu“ 4).

1) Thudichum S. 61.
2) Er ſtammt her aus den „Grundzügen vom 10. Juni 1866.“ Siehe
oben S. 13.
3) Der Art. 1 lautet nicht: „Der Bund beſteht aus den Staaten;“ er
betrifft nicht die Mitglieder des Bundes, ſondern das Gebiet deſſelben.
4) Elſaß-Lothringen iſt nicht Mitglied des Bundes, wohl aber Bundes-
gebiet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0147" n="127"/><fw place="top" type="header">§. 12. Die Exi&#x017F;tenz der Einzel&#x017F;taaten.</fw><lb/>
&#x017F;atz ableiten, daß die darin genannten Staaten fortbe&#x017F;tehen mü&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
da ja der Norddeut&#x017F;che Bund gerade durch die Gründung des<lb/>
deut&#x017F;chen Reiches &#x017F;eine Exi&#x017F;tenz als be&#x017F;onderes &#x017F;taatliches Gemein-<lb/>
we&#x017F;en <hi rendition="#g">verloren</hi> hat.</p><lb/>
          <p>Art. 1 betrifft, was durch &#x017F;eine <hi rendition="#g">Ueber&#x017F;chrift</hi> noch be&#x017F;on-<lb/>
ders hervorgehoben i&#x017F;t, das Bundesg<hi rendition="#g">ebiet</hi> und normirt, wie<lb/>
weit es &#x017F;ich er&#x017F;treckt. An&#x017F;tatt die Grenzen de&#x017F;&#x017F;elben zu be&#x017F;chreiben,<lb/>
zählt Art. 1 die Theile auf, aus denen es be&#x017F;teht. Er nennt<lb/>
demgemäß diejenigen Staaten, deren <hi rendition="#g">Staatsgebiete zu&#x017F;am-<lb/>
men das Bundesgebiet bilden</hi>. Davon aber &#x017F;teht im<lb/>
Art. 1 Nichts, daß die&#x017F;e Theile als <hi rendition="#g">&#x017F;olche</hi> fortbe&#x017F;tehen mü&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Die <hi rendition="#g">innere</hi> Eintheilung des Bundesgebietes in 25 Staatsgebiete<lb/>
i&#x017F;t nicht Gegen&#x017F;tand einer Anordnung des Art. 1, &#x017F;ondern die<lb/><hi rendition="#g">äußere</hi> Abgrenzung des Gebietes, welches den Territorialbe&#x017F;tand<lb/>
des Reiches bildet <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Thudichum</hi> S. 61.</note>. Falls etwa einmal die beiden Mecklenburg<lb/>
zu einem Staate vereinigt und Sach&#x017F;en-Koburg-Gotha in zwei<lb/>
Staaten getrennt werden &#x017F;ollten, &#x017F;o würde zwar die Aufzählung<lb/>
in Art. 1 den that&#x017F;ächlichen Verhältni&#x017F;&#x017F;en nicht mehr ent&#x017F;prechend<lb/>
&#x017F;ein, aber die &#x017F;taatsrechtliche Vor&#x017F;chrift über die Ausdehnung und<lb/>
den Be&#x017F;tand des Bundesgebietes wäre nicht verletzt.</p><lb/>
          <p>Der Ausdruck: &#x201E;Das Bundesg<hi rendition="#g">ebiet</hi> be&#x017F;teht aus den <hi rendition="#g">Staa-<lb/>
ten</hi> Preußen u. &#x017F;. w.&#x201C; i&#x017F;t ein offenbar incorrecter <note place="foot" n="2)">Er &#x017F;tammt her aus den &#x201E;Grundzügen vom 10. Juni 1866.&#x201C; Siehe<lb/>
oben S. 13.</note>; das Wort<lb/>
Staat kann nur in dem Sinne von &#x201E;Staatsgebiet&#x201C; ver&#x017F;tanden<lb/>
werden <note place="foot" n="3)">Der Art. 1 lautet nicht: &#x201E;Der <hi rendition="#g">Bund</hi> be&#x017F;teht aus den Staaten;&#x201C; er<lb/>
betrifft nicht die Mitglieder des Bundes, &#x017F;ondern das Gebiet de&#x017F;&#x017F;elben.</note>. Ganz deutlich tritt dies hervor in dem Art. 1 der Verf.<lb/>
des Nordd. Bundes: &#x201E;Das Bundesgebiet be&#x017F;teht aus den <hi rendition="#g">Staaten</hi><lb/>
Preußen u. &#x017F;. w.... und <hi rendition="#g">aus den nördlich vom Main be-<lb/>
legenen Theilen</hi> des Großherzogth. He&#x017F;&#x017F;en.&#x201C; Die&#x017F;e Theile<lb/>
bildeten keinen Staat, wohl aber ein Gebiet.</p><lb/>
          <p>Es wird dies ferner be&#x017F;tätigt durch §. 2 des Ge&#x017F;. v. 25. Juni<lb/>
1873 &#x201E;Dem im Art. 1 der Verf. bezeichneten Bundesgebiete tritt<lb/><hi rendition="#g">das Gebiet des Reichslandes</hi> El&#x017F;aß-Lothringen hinzu&#x201C; <note place="foot" n="4)">El&#x017F;aß-Lothringen i&#x017F;t nicht Mitglied des Bundes, wohl aber Bundes-<lb/>
gebiet.</note>.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0147] §. 12. Die Exiſtenz der Einzelſtaaten. ſatz ableiten, daß die darin genannten Staaten fortbeſtehen müſſen, da ja der Norddeutſche Bund gerade durch die Gründung des deutſchen Reiches ſeine Exiſtenz als beſonderes ſtaatliches Gemein- weſen verloren hat. Art. 1 betrifft, was durch ſeine Ueberſchrift noch beſon- ders hervorgehoben iſt, das Bundesgebiet und normirt, wie weit es ſich erſtreckt. Anſtatt die Grenzen deſſelben zu beſchreiben, zählt Art. 1 die Theile auf, aus denen es beſteht. Er nennt demgemäß diejenigen Staaten, deren Staatsgebiete zuſam- men das Bundesgebiet bilden. Davon aber ſteht im Art. 1 Nichts, daß dieſe Theile als ſolche fortbeſtehen müſſen. Die innere Eintheilung des Bundesgebietes in 25 Staatsgebiete iſt nicht Gegenſtand einer Anordnung des Art. 1, ſondern die äußere Abgrenzung des Gebietes, welches den Territorialbeſtand des Reiches bildet 1). Falls etwa einmal die beiden Mecklenburg zu einem Staate vereinigt und Sachſen-Koburg-Gotha in zwei Staaten getrennt werden ſollten, ſo würde zwar die Aufzählung in Art. 1 den thatſächlichen Verhältniſſen nicht mehr entſprechend ſein, aber die ſtaatsrechtliche Vorſchrift über die Ausdehnung und den Beſtand des Bundesgebietes wäre nicht verletzt. Der Ausdruck: „Das Bundesgebiet beſteht aus den Staa- ten Preußen u. ſ. w.“ iſt ein offenbar incorrecter 2); das Wort Staat kann nur in dem Sinne von „Staatsgebiet“ verſtanden werden 3). Ganz deutlich tritt dies hervor in dem Art. 1 der Verf. des Nordd. Bundes: „Das Bundesgebiet beſteht aus den Staaten Preußen u. ſ. w.... und aus den nördlich vom Main be- legenen Theilen des Großherzogth. Heſſen.“ Dieſe Theile bildeten keinen Staat, wohl aber ein Gebiet. Es wird dies ferner beſtätigt durch §. 2 des Geſ. v. 25. Juni 1873 „Dem im Art. 1 der Verf. bezeichneten Bundesgebiete tritt das Gebiet des Reichslandes Elſaß-Lothringen hinzu“ 4). 1) Thudichum S. 61. 2) Er ſtammt her aus den „Grundzügen vom 10. Juni 1866.“ Siehe oben S. 13. 3) Der Art. 1 lautet nicht: „Der Bund beſteht aus den Staaten;“ er betrifft nicht die Mitglieder des Bundes, ſondern das Gebiet deſſelben. 4) Elſaß-Lothringen iſt nicht Mitglied des Bundes, wohl aber Bundes- gebiet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/147
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/147>, abgerufen am 22.11.2024.