genden staatlichen Aufgaben involviren einerseits Beschränkungen der Mitgliedstaaten, indem die zur Erfüllung dieser Aufgaben er- forderlichen Hoheitsrechte dem Einzelstaat entzogen und auf das Reich übertragen sind; sie begründen aber andererseits Rechte der Einzelstaaten und ihrer Angehörigen, daß das Reich diese Aufgaben auch für sie und zu ihren Gunsten erfüllt.
Rechte dieser Art sind der Anspruch jedes Staates auf den diplomatischen und militärischen Schutz gegen Rechtsverletzungen Seitens des Auslandes und Seitens anderer Bundesstaaten und der Anspruch, daß das Reich die ihm obliegende Pflege der Wohl- fahrt des deutschen Volkes allen zum Reiche gehörenden Theilen gleichmäßig angedeihen läßt 1). Die Thätigkeit der Reichs-Gesandt- schaften und Konsulate, der Reichsgerichte und anderen Reichsbehör- den, die Einrichtung und die Verwaltung der Post und Telegraphie, die Kontrole des Eisenbahnwesens im Interesse des Verkehrs und der militärischen Leistungsfähigkeit, die Förderung der Erwerbs- fähigkeit der Nation durch Handels- und Schiffahrtsverträge und durch Regelung und Handhabung des Zollwesens u. s. w. alles dieses liegt dem Reich für jeden zu ihm gehörenden Staat ob und begründet nicht nur Beschränkungen der dem einzelnen Staate zu- stehenden Gewalt, sondern in demselben Maaße und Umfange auch Ansprüche desselben auf die Fürsorge des Reiches.
Entsprechend diesen Rechten der Einzelstaaten auf den Schutz und die Wohlfahrtspflege Seitens des Reiches sind die Pflichten des Einzelstaates zur antheilsmäßigen Tragung der militärischen und finanziellen Lasten.
Aber auch nach einer anderen Richtung involvirt die Mitglied- schaft Rechte der Einzelstaaten, indem dieselben betheiligt sind an den Organen, durch welche das Reich seinen Willen äußert und bethätigt. Hierhin gehört das Recht jedes Staates auf diejenige Anzahl von Stimmen im Bundesrath, welche nach dem im Art. 6 festgestellten Grundsatz ihm zukommen, und der Anspruch, daß die von ihm abgegebene Abstimmung bei der Feststellung der Be- schlüsse des Bundesraths Berücksichtigung findet. Ferner das Recht jedes Staates auf antheilsmäßige Vertretung seiner Bevölkerung im Reichstage nach Maaßgabe des dem Reichswahlgesetz zu Grunde
1) Eingang zur Reichs-Verfassung.
§. 11. Die Rechte der Einzelſtaaten.
genden ſtaatlichen Aufgaben involviren einerſeits Beſchränkungen der Mitgliedſtaaten, indem die zur Erfüllung dieſer Aufgaben er- forderlichen Hoheitsrechte dem Einzelſtaat entzogen und auf das Reich übertragen ſind; ſie begründen aber andererſeits Rechte der Einzelſtaaten und ihrer Angehörigen, daß das Reich dieſe Aufgaben auch für ſie und zu ihren Gunſten erfüllt.
Rechte dieſer Art ſind der Anſpruch jedes Staates auf den diplomatiſchen und militäriſchen Schutz gegen Rechtsverletzungen Seitens des Auslandes und Seitens anderer Bundesſtaaten und der Anſpruch, daß das Reich die ihm obliegende Pflege der Wohl- fahrt des deutſchen Volkes allen zum Reiche gehörenden Theilen gleichmäßig angedeihen läßt 1). Die Thätigkeit der Reichs-Geſandt- ſchaften und Konſulate, der Reichsgerichte und anderen Reichsbehör- den, die Einrichtung und die Verwaltung der Poſt und Telegraphie, die Kontrole des Eiſenbahnweſens im Intereſſe des Verkehrs und der militäriſchen Leiſtungsfähigkeit, die Förderung der Erwerbs- fähigkeit der Nation durch Handels- und Schiffahrtsverträge und durch Regelung und Handhabung des Zollweſens u. ſ. w. alles dieſes liegt dem Reich für jeden zu ihm gehörenden Staat ob und begründet nicht nur Beſchränkungen der dem einzelnen Staate zu- ſtehenden Gewalt, ſondern in demſelben Maaße und Umfange auch Anſprüche deſſelben auf die Fürſorge des Reiches.
Entſprechend dieſen Rechten der Einzelſtaaten auf den Schutz und die Wohlfahrtspflege Seitens des Reiches ſind die Pflichten des Einzelſtaates zur antheilsmäßigen Tragung der militäriſchen und finanziellen Laſten.
Aber auch nach einer anderen Richtung involvirt die Mitglied- ſchaft Rechte der Einzelſtaaten, indem dieſelben betheiligt ſind an den Organen, durch welche das Reich ſeinen Willen äußert und bethätigt. Hierhin gehört das Recht jedes Staates auf diejenige Anzahl von Stimmen im Bundesrath, welche nach dem im Art. 6 feſtgeſtellten Grundſatz ihm zukommen, und der Anſpruch, daß die von ihm abgegebene Abſtimmung bei der Feſtſtellung der Be- ſchlüſſe des Bundesraths Berückſichtigung findet. Ferner das Recht jedes Staates auf antheilsmäßige Vertretung ſeiner Bevölkerung im Reichstage nach Maaßgabe des dem Reichswahlgeſetz zu Grunde
1) Eingang zur Reichs-Verfaſſung.
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§. 11. Die Rechte der Einzelſtaaten.
genden ſtaatlichen Aufgaben involviren einerſeits Beſchränkungen
der Mitgliedſtaaten, indem die zur Erfüllung dieſer Aufgaben er-
forderlichen Hoheitsrechte dem Einzelſtaat entzogen und auf das
Reich übertragen ſind; ſie begründen aber andererſeits Rechte der
Einzelſtaaten und ihrer Angehörigen, daß das Reich dieſe Aufgaben
auch für ſie und zu ihren Gunſten erfüllt.
Rechte dieſer Art ſind der Anſpruch jedes Staates auf
den diplomatiſchen und militäriſchen Schutz gegen Rechtsverletzungen
Seitens des Auslandes und Seitens anderer Bundesſtaaten und
der Anſpruch, daß das Reich die ihm obliegende Pflege der Wohl-
fahrt des deutſchen Volkes allen zum Reiche gehörenden Theilen
gleichmäßig angedeihen läßt 1). Die Thätigkeit der Reichs-Geſandt-
ſchaften und Konſulate, der Reichsgerichte und anderen Reichsbehör-
den, die Einrichtung und die Verwaltung der Poſt und Telegraphie,
die Kontrole des Eiſenbahnweſens im Intereſſe des Verkehrs und
der militäriſchen Leiſtungsfähigkeit, die Förderung der Erwerbs-
fähigkeit der Nation durch Handels- und Schiffahrtsverträge und
durch Regelung und Handhabung des Zollweſens u. ſ. w. alles
dieſes liegt dem Reich für jeden zu ihm gehörenden Staat ob und
begründet nicht nur Beſchränkungen der dem einzelnen Staate zu-
ſtehenden Gewalt, ſondern in demſelben Maaße und Umfange auch
Anſprüche deſſelben auf die Fürſorge des Reiches.
Entſprechend dieſen Rechten der Einzelſtaaten auf den Schutz
und die Wohlfahrtspflege Seitens des Reiches ſind die Pflichten
des Einzelſtaates zur antheilsmäßigen Tragung der militäriſchen
und finanziellen Laſten.
Aber auch nach einer anderen Richtung involvirt die Mitglied-
ſchaft Rechte der Einzelſtaaten, indem dieſelben betheiligt ſind an
den Organen, durch welche das Reich ſeinen Willen äußert und
bethätigt. Hierhin gehört das Recht jedes Staates auf diejenige
Anzahl von Stimmen im Bundesrath, welche nach dem im Art.
6 feſtgeſtellten Grundſatz ihm zukommen, und der Anſpruch, daß
die von ihm abgegebene Abſtimmung bei der Feſtſtellung der Be-
ſchlüſſe des Bundesraths Berückſichtigung findet. Ferner das Recht
jedes Staates auf antheilsmäßige Vertretung ſeiner Bevölkerung
im Reichstage nach Maaßgabe des dem Reichswahlgeſetz zu Grunde
1) Eingang zur Reichs-Verfaſſung.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/130>, abgerufen am 24.11.2024.
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