Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Damals herrschte noch in unsern Höfen und Gärten, frisch, fromm, fröhlich, frei, der deutsche Hahn in seinem Jünglings- oder Mannesbewußtsein, in seiner goldbraunen, seiner bläulichschwarzen Schönheit, und mit jenem unergründlich dämonischen Zuge, der dem Herrn der Ratten und der Mäuse verwandt genug dünkte, um sich mit der Feder des wackern Jungen zu schmücken. Ein altergrauer offener Pavillon am Ufer des Teichs nahm die beiden ungleichen Gäste auf. Wilhelm, den sein Vater mit baaren Mitteln versehen hatte, machte den Wirth, sorgte für Bier, für Wurst, und trippelte geschäftig hin und wieder, um der Verlegenheit einer Gesprächsanknüpfung so lang als möglich auszuweichen. Nachdem es aber nichts mehr zu sorgen gab, da fühlte er, daß es an der Zeit sei, einen soliden Redeaustausch herbeizuführen, und erkannte, daß es am besten sein würde, gleich im ersten Anlauf die verwünschte Barricade von heute mit Sturm zu nehmen. Aber hören Sie, begann er, Sie sind ein rechter Strick! -- und stellte sich nun, als ob er glaube, daß die dem hebräischen Professor gegebene Antwort bloßer Hohn gewesen sei. Mochte er nun das Richtige getroffen haben, oder mochte es dem verunglückten Candidaten schmeicheln, daß man seine Ignoranz für Bosheit hielt -- Eduard erwiderte diese Auslegung mit einem Blick der Damals herrschte noch in unsern Höfen und Gärten, frisch, fromm, fröhlich, frei, der deutsche Hahn in seinem Jünglings- oder Mannesbewußtsein, in seiner goldbraunen, seiner bläulichschwarzen Schönheit, und mit jenem unergründlich dämonischen Zuge, der dem Herrn der Ratten und der Mäuse verwandt genug dünkte, um sich mit der Feder des wackern Jungen zu schmücken. Ein altergrauer offener Pavillon am Ufer des Teichs nahm die beiden ungleichen Gäste auf. Wilhelm, den sein Vater mit baaren Mitteln versehen hatte, machte den Wirth, sorgte für Bier, für Wurst, und trippelte geschäftig hin und wieder, um der Verlegenheit einer Gesprächsanknüpfung so lang als möglich auszuweichen. Nachdem es aber nichts mehr zu sorgen gab, da fühlte er, daß es an der Zeit sei, einen soliden Redeaustausch herbeizuführen, und erkannte, daß es am besten sein würde, gleich im ersten Anlauf die verwünschte Barricade von heute mit Sturm zu nehmen. Aber hören Sie, begann er, Sie sind ein rechter Strick! — und stellte sich nun, als ob er glaube, daß die dem hebräischen Professor gegebene Antwort bloßer Hohn gewesen sei. Mochte er nun das Richtige getroffen haben, oder mochte es dem verunglückten Candidaten schmeicheln, daß man seine Ignoranz für Bosheit hielt — Eduard erwiderte diese Auslegung mit einem Blick der <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0094"/> Damals herrschte noch in unsern Höfen und Gärten, frisch, fromm, fröhlich, frei, der deutsche Hahn in seinem Jünglings- oder Mannesbewußtsein, in seiner goldbraunen, seiner bläulichschwarzen Schönheit, und mit jenem unergründlich dämonischen Zuge, der dem Herrn der Ratten und der Mäuse verwandt genug dünkte, um sich mit der Feder des wackern Jungen zu schmücken.</p><lb/> <p>Ein altergrauer offener Pavillon am Ufer des Teichs nahm die beiden ungleichen Gäste auf. Wilhelm, den sein Vater mit baaren Mitteln versehen hatte, machte den Wirth, sorgte für Bier, für Wurst, und trippelte geschäftig hin und wieder, um der Verlegenheit einer Gesprächsanknüpfung so lang als möglich auszuweichen. Nachdem es aber nichts mehr zu sorgen gab, da fühlte er, daß es an der Zeit sei, einen soliden Redeaustausch herbeizuführen, und erkannte, daß es am besten sein würde, gleich im ersten Anlauf die verwünschte Barricade von heute mit Sturm zu nehmen.</p><lb/> <p>Aber hören Sie, begann er, Sie sind ein rechter Strick! — und stellte sich nun, als ob er glaube, daß die dem hebräischen Professor gegebene Antwort bloßer Hohn gewesen sei.</p><lb/> <p>Mochte er nun das Richtige getroffen haben, oder mochte es dem verunglückten Candidaten schmeicheln, daß man seine Ignoranz für Bosheit hielt — Eduard erwiderte diese Auslegung mit einem Blick der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0094]
Damals herrschte noch in unsern Höfen und Gärten, frisch, fromm, fröhlich, frei, der deutsche Hahn in seinem Jünglings- oder Mannesbewußtsein, in seiner goldbraunen, seiner bläulichschwarzen Schönheit, und mit jenem unergründlich dämonischen Zuge, der dem Herrn der Ratten und der Mäuse verwandt genug dünkte, um sich mit der Feder des wackern Jungen zu schmücken.
Ein altergrauer offener Pavillon am Ufer des Teichs nahm die beiden ungleichen Gäste auf. Wilhelm, den sein Vater mit baaren Mitteln versehen hatte, machte den Wirth, sorgte für Bier, für Wurst, und trippelte geschäftig hin und wieder, um der Verlegenheit einer Gesprächsanknüpfung so lang als möglich auszuweichen. Nachdem es aber nichts mehr zu sorgen gab, da fühlte er, daß es an der Zeit sei, einen soliden Redeaustausch herbeizuführen, und erkannte, daß es am besten sein würde, gleich im ersten Anlauf die verwünschte Barricade von heute mit Sturm zu nehmen.
Aber hören Sie, begann er, Sie sind ein rechter Strick! — und stellte sich nun, als ob er glaube, daß die dem hebräischen Professor gegebene Antwort bloßer Hohn gewesen sei.
Mochte er nun das Richtige getroffen haben, oder mochte es dem verunglückten Candidaten schmeicheln, daß man seine Ignoranz für Bosheit hielt — Eduard erwiderte diese Auslegung mit einem Blick der
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Zitationshilfe: | Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/94>, abgerufen am 16.07.2024. |