Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Marterwerkzeuge geschliffenen, kurzgestoßenen "Nun?" auf ihn hinein zu dolchen, bis das eckige Gesicht in convulsivischen Bewegungen, gleich denen eines Nußknackers, arbeitete. Der Wohner im Busche? -- nun? -- wer ist das? -- nun? -- nun? -- nun? Der Has'! fuhr Eduard endlich mit finsterer Entschlossenheit heraus. Da erhob sich ein Gelächter, daß das Haus in seinen Grundfesten wankte. Ja, man will wissen, daß zu dem Neubau desselben, den die Oberschulbehörde nach Jahr und Tag anordnen mußte, an diesem Tage der erste Grund gelegt worden sei. Der Professor ging mit großen Schritten im Saale auf und ab. Er bohrte den Kopf in die Cravatte. Dreimal setzte er an, um etwas Fulminantes zu sagen, aber dreimal blieb ihm die Stimme in der Kehle kleben. Zuletzt trat er mit einer raschen Wendung zu einem andern Candidaten und setzte die Prüfung fort, den Verworfenen keines Blickes weiter würdigend. Eduard von Y. . . burg saß von nun an wie gezeichnet da. Auch seine Mitcandidaten, nachdem sie genug gelacht hatten, sahen ihn nur noch mit scheuen Augen an. Eine so titanische Unwissenheit mußte ihren Träger gleichsam von der übrigen Menschheit absondern. Er aber kümmerte sich nichts darum, viel mehr schien er froh zu sein, daß seine Ausgestoßenheit Marterwerkzeuge geschliffenen, kurzgestoßenen „Nun?“ auf ihn hinein zu dolchen, bis das eckige Gesicht in convulsivischen Bewegungen, gleich denen eines Nußknackers, arbeitete. Der Wohner im Busche? — nun? — wer ist das? — nun? — nun? — nun? Der Has'! fuhr Eduard endlich mit finsterer Entschlossenheit heraus. Da erhob sich ein Gelächter, daß das Haus in seinen Grundfesten wankte. Ja, man will wissen, daß zu dem Neubau desselben, den die Oberschulbehörde nach Jahr und Tag anordnen mußte, an diesem Tage der erste Grund gelegt worden sei. Der Professor ging mit großen Schritten im Saale auf und ab. Er bohrte den Kopf in die Cravatte. Dreimal setzte er an, um etwas Fulminantes zu sagen, aber dreimal blieb ihm die Stimme in der Kehle kleben. Zuletzt trat er mit einer raschen Wendung zu einem andern Candidaten und setzte die Prüfung fort, den Verworfenen keines Blickes weiter würdigend. Eduard von Y. . . burg saß von nun an wie gezeichnet da. Auch seine Mitcandidaten, nachdem sie genug gelacht hatten, sahen ihn nur noch mit scheuen Augen an. Eine so titanische Unwissenheit mußte ihren Träger gleichsam von der übrigen Menschheit absondern. Er aber kümmerte sich nichts darum, viel mehr schien er froh zu sein, daß seine Ausgestoßenheit <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0089"/> Marterwerkzeuge geschliffenen, kurzgestoßenen „Nun?“ auf ihn hinein zu dolchen, bis das eckige Gesicht in convulsivischen Bewegungen, gleich denen eines Nußknackers, arbeitete.</p><lb/> <p>Der Wohner im Busche? — nun? — wer ist das? — nun? — nun? — nun?</p><lb/> <p>Der Has'! fuhr Eduard endlich mit finsterer Entschlossenheit heraus.</p><lb/> <p>Da erhob sich ein Gelächter, daß das Haus in seinen Grundfesten wankte. Ja, man will wissen, daß zu dem Neubau desselben, den die Oberschulbehörde nach Jahr und Tag anordnen mußte, an diesem Tage der erste Grund gelegt worden sei.</p><lb/> <p>Der Professor ging mit großen Schritten im Saale auf und ab. Er bohrte den Kopf in die Cravatte. Dreimal setzte er an, um etwas Fulminantes zu sagen, aber dreimal blieb ihm die Stimme in der Kehle kleben. Zuletzt trat er mit einer raschen Wendung zu einem andern Candidaten und setzte die Prüfung fort, den Verworfenen keines Blickes weiter würdigend.</p><lb/> <p>Eduard von Y. . . burg saß von nun an wie gezeichnet da. Auch seine Mitcandidaten, nachdem sie genug gelacht hatten, sahen ihn nur noch mit scheuen Augen an. Eine so titanische Unwissenheit mußte ihren Träger gleichsam von der übrigen Menschheit absondern. Er aber kümmerte sich nichts darum, viel mehr schien er froh zu sein, daß seine Ausgestoßenheit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0089]
Marterwerkzeuge geschliffenen, kurzgestoßenen „Nun?“ auf ihn hinein zu dolchen, bis das eckige Gesicht in convulsivischen Bewegungen, gleich denen eines Nußknackers, arbeitete.
Der Wohner im Busche? — nun? — wer ist das? — nun? — nun? — nun?
Der Has'! fuhr Eduard endlich mit finsterer Entschlossenheit heraus.
Da erhob sich ein Gelächter, daß das Haus in seinen Grundfesten wankte. Ja, man will wissen, daß zu dem Neubau desselben, den die Oberschulbehörde nach Jahr und Tag anordnen mußte, an diesem Tage der erste Grund gelegt worden sei.
Der Professor ging mit großen Schritten im Saale auf und ab. Er bohrte den Kopf in die Cravatte. Dreimal setzte er an, um etwas Fulminantes zu sagen, aber dreimal blieb ihm die Stimme in der Kehle kleben. Zuletzt trat er mit einer raschen Wendung zu einem andern Candidaten und setzte die Prüfung fort, den Verworfenen keines Blickes weiter würdigend.
Eduard von Y. . . burg saß von nun an wie gezeichnet da. Auch seine Mitcandidaten, nachdem sie genug gelacht hatten, sahen ihn nur noch mit scheuen Augen an. Eine so titanische Unwissenheit mußte ihren Träger gleichsam von der übrigen Menschheit absondern. Er aber kümmerte sich nichts darum, viel mehr schien er froh zu sein, daß seine Ausgestoßenheit
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Zitationshilfe: | Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/89>, abgerufen am 16.07.2024. |