Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.art: "Man spricht das ganze Jahr von der Kirchweih' endlich ist sie." So ging es nämlich auch mit dem Landexamen. Es kam heran, es trat in die Reihe der seienden Dinge ein. Die Straßen der Hauptstadt füllten sich mit alten und jungen Schwarzröcken verschiedenen Schnitts, die einander nur darin gleich waren, daß sie von dem Residenzschnitte bedeutend abwichen. Ahnungsgrauend schritten die Alten, todesmuthig die Jungen einher, um vorerst die zum Theil noch nie genossenen Herrlichkeiten, besonders die Wachtparade, in Augenschein und Ohrenschmaus zu nehmen. Die Residenzjugend war gleichfalls auf den Beinen und belustigte sich, die "Landpomeranzen", wie sie die Fremdlinge nannte, auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Mancher würdige Vater eines hoffnungsvollen Sohnes mußte es ertragen, daß sich der beliebte Gänsemarsch an seine Fersen heftete. Mancher hoffnungsvolle Sohn eines würdigen Vaters mußte sich mit dem insolenten Cujas es? anschreien lassen. Die Jungen waren betäubt, die Alten betrübt über die Ruchlosigkeit dieser Jugend; entrüstet Beide; Beide aber auch zugleich von ganz geheimer Bewunderung ihrer freien, kecken Manieren erfüllt. Der erste der Entscheidungstage war angebrochen. Schon am frühen Morgen war das als Lokal des art: „Man spricht das ganze Jahr von der Kirchweih' endlich ist sie.« So ging es nämlich auch mit dem Landexamen. Es kam heran, es trat in die Reihe der seienden Dinge ein. Die Straßen der Hauptstadt füllten sich mit alten und jungen Schwarzröcken verschiedenen Schnitts, die einander nur darin gleich waren, daß sie von dem Residenzschnitte bedeutend abwichen. Ahnungsgrauend schritten die Alten, todesmuthig die Jungen einher, um vorerst die zum Theil noch nie genossenen Herrlichkeiten, besonders die Wachtparade, in Augenschein und Ohrenschmaus zu nehmen. Die Residenzjugend war gleichfalls auf den Beinen und belustigte sich, die „Landpomeranzen“, wie sie die Fremdlinge nannte, auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Mancher würdige Vater eines hoffnungsvollen Sohnes mußte es ertragen, daß sich der beliebte Gänsemarsch an seine Fersen heftete. Mancher hoffnungsvolle Sohn eines würdigen Vaters mußte sich mit dem insolenten Cujas es? anschreien lassen. Die Jungen waren betäubt, die Alten betrübt über die Ruchlosigkeit dieser Jugend; entrüstet Beide; Beide aber auch zugleich von ganz geheimer Bewunderung ihrer freien, kecken Manieren erfüllt. Der erste der Entscheidungstage war angebrochen. Schon am frühen Morgen war das als Lokal des <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0068"/> art: „Man spricht das ganze Jahr von der Kirchweih' endlich ist sie.«</p><lb/> <p>So ging es nämlich auch mit dem Landexamen. Es kam heran, es trat in die Reihe der seienden Dinge ein.</p><lb/> <p>Die Straßen der Hauptstadt füllten sich mit alten und jungen Schwarzröcken verschiedenen Schnitts, die einander nur darin gleich waren, daß sie von dem Residenzschnitte bedeutend abwichen.</p><lb/> <p>Ahnungsgrauend schritten die Alten, todesmuthig die Jungen einher, um vorerst die zum Theil noch nie genossenen Herrlichkeiten, besonders die Wachtparade, in Augenschein und Ohrenschmaus zu nehmen.</p><lb/> <p>Die Residenzjugend war gleichfalls auf den Beinen und belustigte sich, die „Landpomeranzen“, wie sie die Fremdlinge nannte, auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Mancher würdige Vater eines hoffnungsvollen Sohnes mußte es ertragen, daß sich der beliebte Gänsemarsch an seine Fersen heftete. Mancher hoffnungsvolle Sohn eines würdigen Vaters mußte sich mit dem insolenten Cujas es? anschreien lassen.</p><lb/> <p>Die Jungen waren betäubt, die Alten betrübt über die Ruchlosigkeit dieser Jugend; entrüstet Beide; Beide aber auch zugleich von ganz geheimer Bewunderung ihrer freien, kecken Manieren erfüllt.</p><lb/> <p>Der erste der Entscheidungstage war angebrochen.</p><lb/> <p>Schon am frühen Morgen war das als Lokal des<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
art: „Man spricht das ganze Jahr von der Kirchweih' endlich ist sie.«
So ging es nämlich auch mit dem Landexamen. Es kam heran, es trat in die Reihe der seienden Dinge ein.
Die Straßen der Hauptstadt füllten sich mit alten und jungen Schwarzröcken verschiedenen Schnitts, die einander nur darin gleich waren, daß sie von dem Residenzschnitte bedeutend abwichen.
Ahnungsgrauend schritten die Alten, todesmuthig die Jungen einher, um vorerst die zum Theil noch nie genossenen Herrlichkeiten, besonders die Wachtparade, in Augenschein und Ohrenschmaus zu nehmen.
Die Residenzjugend war gleichfalls auf den Beinen und belustigte sich, die „Landpomeranzen“, wie sie die Fremdlinge nannte, auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Mancher würdige Vater eines hoffnungsvollen Sohnes mußte es ertragen, daß sich der beliebte Gänsemarsch an seine Fersen heftete. Mancher hoffnungsvolle Sohn eines würdigen Vaters mußte sich mit dem insolenten Cujas es? anschreien lassen.
Die Jungen waren betäubt, die Alten betrübt über die Ruchlosigkeit dieser Jugend; entrüstet Beide; Beide aber auch zugleich von ganz geheimer Bewunderung ihrer freien, kecken Manieren erfüllt.
Der erste der Entscheidungstage war angebrochen.
Schon am frühen Morgen war das als Lokal des
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Zitationshilfe: | Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/68>, abgerufen am 17.02.2025. |