Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Dämmerungsgrauen durch einen der letzten Nachzügler zurechtgewiesen, die Fährte des edlen Wildes aufgespürt. Der Prinz, froh, aus den Federn oder vielmehr aus der Spreu und dem Seegras zu kommen, eilte zu den Seinigen hinab, die ihn mit froher Begeisterung umringten, so daß er die Wohnstube, in der eine ganze Christbescherung ihm erzählt haben würde, wie hoch man ihn zu ehren bestrebt gewesen, gar nicht mehr zu sehen bekam. Er bedeutete dem nachstürzenden Pfarrer, daß er jetzt doppelte Eile nöthig habe, um die versäumte Zeit einzubringen, und da er zugleich in der Weise mancher Großen, die das Wort sehr geschickt von der That abzuschälen wissen, den größten Eifer bezeigte, die Dame des Hauses aufzusuchen, ohne jedoch einen Fuß zu rühren, so blieb dem Pfarrer nichts übrig als seine Frau herabzurufen.

Der Abschied wurde am Fuße der uns schon bekannten Freitreppe genommen. Der Prinz ging zu seinem Wagen und winkte seinen Reisemarschall heran, der nach kurzer Unterredung zu dem Pfarrer kam und ihm einige Goldstücke "für die Dienerschaft" einhändigen wollte. Der Pfarrer verbeugte sich ablehnend, indem er mit anständiger Freimüthigkeit erklärte, daß er weder Knecht noch Magd habe, und daß die Bedienung in seinem Hause rein patriarchalisch sei. Excellenz zog sich paralysirt zurück und erstattete dem Gebieter Rapport, worauf der Pfarrer an den fürstlichen Wagen gerufen wurde. Der Prinz drückte ihm

Dämmerungsgrauen durch einen der letzten Nachzügler zurechtgewiesen, die Fährte des edlen Wildes aufgespürt. Der Prinz, froh, aus den Federn oder vielmehr aus der Spreu und dem Seegras zu kommen, eilte zu den Seinigen hinab, die ihn mit froher Begeisterung umringten, so daß er die Wohnstube, in der eine ganze Christbescherung ihm erzählt haben würde, wie hoch man ihn zu ehren bestrebt gewesen, gar nicht mehr zu sehen bekam. Er bedeutete dem nachstürzenden Pfarrer, daß er jetzt doppelte Eile nöthig habe, um die versäumte Zeit einzubringen, und da er zugleich in der Weise mancher Großen, die das Wort sehr geschickt von der That abzuschälen wissen, den größten Eifer bezeigte, die Dame des Hauses aufzusuchen, ohne jedoch einen Fuß zu rühren, so blieb dem Pfarrer nichts übrig als seine Frau herabzurufen.

Der Abschied wurde am Fuße der uns schon bekannten Freitreppe genommen. Der Prinz ging zu seinem Wagen und winkte seinen Reisemarschall heran, der nach kurzer Unterredung zu dem Pfarrer kam und ihm einige Goldstücke „für die Dienerschaft“ einhändigen wollte. Der Pfarrer verbeugte sich ablehnend, indem er mit anständiger Freimüthigkeit erklärte, daß er weder Knecht noch Magd habe, und daß die Bedienung in seinem Hause rein patriarchalisch sei. Excellenz zog sich paralysirt zurück und erstattete dem Gebieter Rapport, worauf der Pfarrer an den fürstlichen Wagen gerufen wurde. Der Prinz drückte ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0053"/>
Dämmerungsgrauen durch einen der letzten Nachzügler                zurechtgewiesen, die Fährte des edlen Wildes aufgespürt. Der Prinz, froh, aus den                Federn oder vielmehr aus der Spreu und dem Seegras zu kommen, eilte zu den Seinigen                hinab, die ihn mit froher Begeisterung umringten, so daß er die Wohnstube, in der                eine ganze Christbescherung ihm erzählt haben würde, wie hoch man ihn zu ehren                bestrebt gewesen, gar nicht mehr zu sehen bekam. Er bedeutete dem nachstürzenden                Pfarrer, daß er jetzt doppelte Eile nöthig habe, um die versäumte Zeit einzubringen,                und da er zugleich in der Weise mancher Großen, die das Wort sehr geschickt von der                That abzuschälen wissen, den größten Eifer bezeigte, die Dame des Hauses aufzusuchen,                ohne jedoch einen Fuß zu rühren, so blieb dem Pfarrer nichts übrig als seine Frau                herabzurufen.</p><lb/>
        <p>Der Abschied wurde am Fuße der uns schon bekannten Freitreppe genommen. Der Prinz                ging zu seinem Wagen und winkte seinen Reisemarschall heran, der nach kurzer                Unterredung zu dem Pfarrer kam und ihm einige Goldstücke &#x201E;für die Dienerschaft&#x201C;                einhändigen wollte. Der Pfarrer verbeugte sich ablehnend, indem er mit anständiger                Freimüthigkeit erklärte, daß er weder Knecht noch Magd habe, und daß die Bedienung in                seinem Hause rein patriarchalisch sei. Excellenz zog sich paralysirt zurück und                erstattete dem Gebieter Rapport, worauf der Pfarrer an den fürstlichen Wagen gerufen                wurde. Der Prinz drückte ihm<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0053] Dämmerungsgrauen durch einen der letzten Nachzügler zurechtgewiesen, die Fährte des edlen Wildes aufgespürt. Der Prinz, froh, aus den Federn oder vielmehr aus der Spreu und dem Seegras zu kommen, eilte zu den Seinigen hinab, die ihn mit froher Begeisterung umringten, so daß er die Wohnstube, in der eine ganze Christbescherung ihm erzählt haben würde, wie hoch man ihn zu ehren bestrebt gewesen, gar nicht mehr zu sehen bekam. Er bedeutete dem nachstürzenden Pfarrer, daß er jetzt doppelte Eile nöthig habe, um die versäumte Zeit einzubringen, und da er zugleich in der Weise mancher Großen, die das Wort sehr geschickt von der That abzuschälen wissen, den größten Eifer bezeigte, die Dame des Hauses aufzusuchen, ohne jedoch einen Fuß zu rühren, so blieb dem Pfarrer nichts übrig als seine Frau herabzurufen. Der Abschied wurde am Fuße der uns schon bekannten Freitreppe genommen. Der Prinz ging zu seinem Wagen und winkte seinen Reisemarschall heran, der nach kurzer Unterredung zu dem Pfarrer kam und ihm einige Goldstücke „für die Dienerschaft“ einhändigen wollte. Der Pfarrer verbeugte sich ablehnend, indem er mit anständiger Freimüthigkeit erklärte, daß er weder Knecht noch Magd habe, und daß die Bedienung in seinem Hause rein patriarchalisch sei. Excellenz zog sich paralysirt zurück und erstattete dem Gebieter Rapport, worauf der Pfarrer an den fürstlichen Wagen gerufen wurde. Der Prinz drückte ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:08:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:08:57Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/53
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/53>, abgerufen am 25.11.2024.