Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.letzten: denn nicht bloß hatte er geschworen, sich kein einziges Mal ferner narren zu lassen -- o daß ein freundlich Geschick dieses Gelübde begünstigt hätte! -- sondern auch die Witterung schien, für einige Zeit wenigstens, mit seinem Vorsatz im Einverständniß zu sein, und der April begann ein so launisches Gesicht zu machen, daß man dem Fernrohr kaum für heute, geschweige noch für morgen, eine ungestörte Entfaltung seiner Thätigkeit prophezeien konnte. Auch hatte sich ein ungestümer Wind erhoben, der jedoch die von dem Pfarrer trotz seiner Hoffnungslosigkeit getroffenen Anstalten kräftig unterstützte. Denn als der sonderbare Gegenäugler durch sein Erscheinen auch heute wieder der Pfarrerin Recht gab, so flogen zwölf an einander gebundene Taschentücher in die Lüfte, einen flatternden Baldachin über dem Pfarrer und seinem Tubus bildend, und ein Stockwerk höher wehte ein großes Leintuch, mit welchem die Pfarrmagd an das Dachfenster postirt worden war. Victoria! rief da der Pfarrer auf einmal aus; denn er glaubte bei dem Unbekannten eine kleine Wendung des Instrumentes und dann in seinem Gesicht einen Ausdruck des Stutzens und der Neugier wahrgenommen zu haben. Mit fliegenden Worten hieß er die Magd ihr Topsegel reffen und die Frau ihre Thränenflagge einziehen, die jedoch, von dem umspringenden Winde wie eine Schlange umhergewirbelt, sich an einem Haken verfangen hatte und vorderhand in der letzten: denn nicht bloß hatte er geschworen, sich kein einziges Mal ferner narren zu lassen — o daß ein freundlich Geschick dieses Gelübde begünstigt hätte! — sondern auch die Witterung schien, für einige Zeit wenigstens, mit seinem Vorsatz im Einverständniß zu sein, und der April begann ein so launisches Gesicht zu machen, daß man dem Fernrohr kaum für heute, geschweige noch für morgen, eine ungestörte Entfaltung seiner Thätigkeit prophezeien konnte. Auch hatte sich ein ungestümer Wind erhoben, der jedoch die von dem Pfarrer trotz seiner Hoffnungslosigkeit getroffenen Anstalten kräftig unterstützte. Denn als der sonderbare Gegenäugler durch sein Erscheinen auch heute wieder der Pfarrerin Recht gab, so flogen zwölf an einander gebundene Taschentücher in die Lüfte, einen flatternden Baldachin über dem Pfarrer und seinem Tubus bildend, und ein Stockwerk höher wehte ein großes Leintuch, mit welchem die Pfarrmagd an das Dachfenster postirt worden war. Victoria! rief da der Pfarrer auf einmal aus; denn er glaubte bei dem Unbekannten eine kleine Wendung des Instrumentes und dann in seinem Gesicht einen Ausdruck des Stutzens und der Neugier wahrgenommen zu haben. Mit fliegenden Worten hieß er die Magd ihr Topsegel reffen und die Frau ihre Thränenflagge einziehen, die jedoch, von dem umspringenden Winde wie eine Schlange umhergewirbelt, sich an einem Haken verfangen hatte und vorderhand in der <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0030"/> letzten: denn nicht bloß hatte er geschworen, sich kein einziges Mal ferner narren zu lassen — o daß ein freundlich Geschick dieses Gelübde begünstigt hätte! — sondern auch die Witterung schien, für einige Zeit wenigstens, mit seinem Vorsatz im Einverständniß zu sein, und der April begann ein so launisches Gesicht zu machen, daß man dem Fernrohr kaum für heute, geschweige noch für morgen, eine ungestörte Entfaltung seiner Thätigkeit prophezeien konnte. Auch hatte sich ein ungestümer Wind erhoben, der jedoch die von dem Pfarrer trotz seiner Hoffnungslosigkeit getroffenen Anstalten kräftig unterstützte. Denn als der sonderbare Gegenäugler durch sein Erscheinen auch heute wieder der Pfarrerin Recht gab, so flogen zwölf an einander gebundene Taschentücher in die Lüfte, einen flatternden Baldachin über dem Pfarrer und seinem Tubus bildend, und ein Stockwerk höher wehte ein großes Leintuch, mit welchem die Pfarrmagd an das Dachfenster postirt worden war.</p><lb/> <p>Victoria! rief da der Pfarrer auf einmal aus; denn er glaubte bei dem Unbekannten eine kleine Wendung des Instrumentes und dann in seinem Gesicht einen Ausdruck des Stutzens und der Neugier wahrgenommen zu haben. Mit fliegenden Worten hieß er die Magd ihr Topsegel reffen und die Frau ihre Thränenflagge einziehen, die jedoch, von dem umspringenden Winde wie eine Schlange umhergewirbelt, sich an einem Haken verfangen hatte und vorderhand in der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
letzten: denn nicht bloß hatte er geschworen, sich kein einziges Mal ferner narren zu lassen — o daß ein freundlich Geschick dieses Gelübde begünstigt hätte! — sondern auch die Witterung schien, für einige Zeit wenigstens, mit seinem Vorsatz im Einverständniß zu sein, und der April begann ein so launisches Gesicht zu machen, daß man dem Fernrohr kaum für heute, geschweige noch für morgen, eine ungestörte Entfaltung seiner Thätigkeit prophezeien konnte. Auch hatte sich ein ungestümer Wind erhoben, der jedoch die von dem Pfarrer trotz seiner Hoffnungslosigkeit getroffenen Anstalten kräftig unterstützte. Denn als der sonderbare Gegenäugler durch sein Erscheinen auch heute wieder der Pfarrerin Recht gab, so flogen zwölf an einander gebundene Taschentücher in die Lüfte, einen flatternden Baldachin über dem Pfarrer und seinem Tubus bildend, und ein Stockwerk höher wehte ein großes Leintuch, mit welchem die Pfarrmagd an das Dachfenster postirt worden war.
Victoria! rief da der Pfarrer auf einmal aus; denn er glaubte bei dem Unbekannten eine kleine Wendung des Instrumentes und dann in seinem Gesicht einen Ausdruck des Stutzens und der Neugier wahrgenommen zu haben. Mit fliegenden Worten hieß er die Magd ihr Topsegel reffen und die Frau ihre Thränenflagge einziehen, die jedoch, von dem umspringenden Winde wie eine Schlange umhergewirbelt, sich an einem Haken verfangen hatte und vorderhand in der
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