Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.Ein Sohn aus einem fürnehmen Haus! Ei, hat nicht auch der reiche Boas die Ruth geheirathet, die Man lebt jetzt nicht mehr im alten Testament. Und wenn auch Kommt Zeit, kommt Rath. Die Zeit bringt nicht bloß Rosen, sie bringt auch Disteln. Je nachdem man's pflanzt. Das Sprichwort sagt: Mädchen Ich will mein Kind Keinem nachwerfen, fuhr er auf. Davon ist auch nicht die Red', sagte sie. Nachwerfen und Versorgen Schwätz' du dem Teufel ein Ohr weg, sagte er, der Thüre zugehend. Du bist kurz angebunden, warf sie ihm nach, und aber was du Der Alte blieb in der Thüre stehen. Die letzten Bemerkungen Die Mutter rief Christinen, die gar nicht weit gewesen war. Mach' Mutter, erwiderte das Mädchen, auf die grobe Füllung der Kun¬ Unser Herrgott hat die Welt aus nichts erschaffen und den Men¬ Ein Sohn aus einem fürnehmen Haus! Ei, hat nicht auch der reiche Boas die Ruth geheirathet, die Man lebt jetzt nicht mehr im alten Teſtament. Und wenn auch Kommt Zeit, kommt Rath. Die Zeit bringt nicht bloß Roſen, ſie bringt auch Diſteln. Je nachdem man's pflanzt. Das Sprichwort ſagt: Mädchen Ich will mein Kind Keinem nachwerfen, fuhr er auf. Davon iſt auch nicht die Red', ſagte ſie. Nachwerfen und Verſorgen Schwätz' du dem Teufel ein Ohr weg, ſagte er, der Thüre zugehend. Du biſt kurz angebunden, warf ſie ihm nach, und aber was du Der Alte blieb in der Thüre ſtehen. Die letzten Bemerkungen Die Mutter rief Chriſtinen, die gar nicht weit geweſen war. Mach' Mutter, erwiderte das Mädchen, auf die grobe Füllung der Kun¬ Unſer Herrgott hat die Welt aus nichts erſchaffen und den Men¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0087" n="71"/> <p>Ein Sohn aus einem fürnehmen Haus!</p><lb/> <p>Ei, hat nicht auch der reiche Boas die Ruth geheirathet, die<lb/> arme Aehrenleſerin?</p><lb/> <p>Man lebt jetzt nicht mehr im alten Teſtament. Und wenn auch<lb/><hi rendition="#g">er</hi> aus der Art geſchlagen wär', was wird der Sonnenwirth dazu<lb/> ſagen? Wart, du wirſt eine Ehr' aufheben.</p><lb/> <p>Kommt Zeit, kommt Rath.</p><lb/> <p>Die Zeit bringt nicht bloß Roſen, ſie bringt auch Diſteln.</p><lb/> <p>Je nachdem man's pflanzt. Das Sprichwort ſagt: Mädchen<lb/> müſſen nach Einer Feder über drei Zäune ſpringen. Von den armen<lb/> gilt das zweimal.</p><lb/> <p>Ich will mein Kind Keinem nachwerfen, fuhr er auf.</p><lb/> <p>Davon iſt auch nicht die Red', ſagte ſie. Nachwerfen und Verſorgen<lb/> iſt nicht einerlei. Wenn du das aber ſo ſicher haſt wie den Weck auf'm<lb/> Laden, ſo kannſt du freilich ſitzen und warten bis ein Freier aus Schlaraffen¬<lb/> land angeritten kommt, um ſich die vollen Kiſten und Kaſten zu beſehen.</p><lb/> <p>Schwätz' du dem Teufel ein Ohr weg, ſagte er, der Thüre zugehend.<lb/> Ich aber will keine Unehr' und keinen Unfrieden von der Sach' haben.</p><lb/> <p>Du biſt kurz angebunden, warf ſie ihm nach, und aber was du<lb/> ſagſt, gibt auch noch kein' langen Faden. Denk' nur auch dran, daß<lb/> das fürnehm' Füllen einen großen Fleck hat, der's nicht ſchöner macht.<lb/> Der Sonnenwirth muß ja ſelber wiſſen, daß er nicht mehr den höch¬<lb/> ſten Preis daraus löſt. Aber was zum Reitpferd verdorben iſt, gibt<lb/> oft noch ein gutes Ackerpferd, und einem geſchenkten Gaul guck' ich<lb/> nicht in's Maul.</p><lb/> <p>Der Alte blieb in der Thüre ſtehen. Die letzten Bemerkungen<lb/> ſeines Weibes ſchienen ihm doch einigermaßen einzuleuchten. Er ant¬<lb/> wortete nichts darauf, dachte aber eine Weile nach und ging dann<lb/> mit einem halb mürriſchen halb zufriedenen Brummen hinaus.</p><lb/> <p>Die Mutter rief Chriſtinen, die gar nicht weit geweſen war. Mach'<lb/> daß du an die Kunkel kommſt, Sonnenwirthin, ſagte ſie. Meinſt du,<lb/> es ſei ſchon ſo weit und du könneſt Feierabend machen?</p><lb/> <p>Mutter, erwiderte das Mädchen, auf die grobe Füllung der Kun¬<lb/> kel deutend, ich weiß wohl, das gibt kein Hochzeitkleid.</p><lb/> <p>Unſer Herrgott hat die Welt aus nichts erſchaffen und den Men¬<lb/> ſchen aus einem Erdenkloß. Die Amtmännin iſt, juſt wie ihre Ka¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [71/0087]
Ein Sohn aus einem fürnehmen Haus!
Ei, hat nicht auch der reiche Boas die Ruth geheirathet, die
arme Aehrenleſerin?
Man lebt jetzt nicht mehr im alten Teſtament. Und wenn auch
er aus der Art geſchlagen wär', was wird der Sonnenwirth dazu
ſagen? Wart, du wirſt eine Ehr' aufheben.
Kommt Zeit, kommt Rath.
Die Zeit bringt nicht bloß Roſen, ſie bringt auch Diſteln.
Je nachdem man's pflanzt. Das Sprichwort ſagt: Mädchen
müſſen nach Einer Feder über drei Zäune ſpringen. Von den armen
gilt das zweimal.
Ich will mein Kind Keinem nachwerfen, fuhr er auf.
Davon iſt auch nicht die Red', ſagte ſie. Nachwerfen und Verſorgen
iſt nicht einerlei. Wenn du das aber ſo ſicher haſt wie den Weck auf'm
Laden, ſo kannſt du freilich ſitzen und warten bis ein Freier aus Schlaraffen¬
land angeritten kommt, um ſich die vollen Kiſten und Kaſten zu beſehen.
Schwätz' du dem Teufel ein Ohr weg, ſagte er, der Thüre zugehend.
Ich aber will keine Unehr' und keinen Unfrieden von der Sach' haben.
Du biſt kurz angebunden, warf ſie ihm nach, und aber was du
ſagſt, gibt auch noch kein' langen Faden. Denk' nur auch dran, daß
das fürnehm' Füllen einen großen Fleck hat, der's nicht ſchöner macht.
Der Sonnenwirth muß ja ſelber wiſſen, daß er nicht mehr den höch¬
ſten Preis daraus löſt. Aber was zum Reitpferd verdorben iſt, gibt
oft noch ein gutes Ackerpferd, und einem geſchenkten Gaul guck' ich
nicht in's Maul.
Der Alte blieb in der Thüre ſtehen. Die letzten Bemerkungen
ſeines Weibes ſchienen ihm doch einigermaßen einzuleuchten. Er ant¬
wortete nichts darauf, dachte aber eine Weile nach und ging dann
mit einem halb mürriſchen halb zufriedenen Brummen hinaus.
Die Mutter rief Chriſtinen, die gar nicht weit geweſen war. Mach'
daß du an die Kunkel kommſt, Sonnenwirthin, ſagte ſie. Meinſt du,
es ſei ſchon ſo weit und du könneſt Feierabend machen?
Mutter, erwiderte das Mädchen, auf die grobe Füllung der Kun¬
kel deutend, ich weiß wohl, das gibt kein Hochzeitkleid.
Unſer Herrgott hat die Welt aus nichts erſchaffen und den Men¬
ſchen aus einem Erdenkloß. Die Amtmännin iſt, juſt wie ihre Ka¬
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