Friedrich lachte und trug das Fleisch in die Küche. Da, Jungfer, sagte er, und die Frau hat mir einen Kuß aufgetragen als Zugabe.
Das Mädchen ließ mit einem leisen Schrei den Korb fallen und flüchtete sich hinter den Herd. Sie hatte etwas Demüthiges und Gedrücktes in ihrem Wesen und sah, obwohl noch jugendlich und nicht unschön, doch blaß und verblüht aus. Sie war eine Verwandte der Amtmännin, die sie unter dem Namen einer Hausjungfer, eigentlich aber als Dienstmagd zu sich genommen hatte.
Es ist nicht so ernstlich gemeint, Jungfer, lachte Friedrich. Nur sachte mit der Braut! Das Fleischle da hätt' so sauber bleiben kön¬ nen, wie Ihre Tugend von meinetwegen bleiben soll.
Er hob das Fleisch vom Boden auf, warf es ihr auf den Herd und verließ die Küche, indem er brummte: Was sich die nicht einbil¬ det, und ist nur so ein Flügel.
Als er wieder in's Zimmer kam, um zu fragen was die Frau Amtmännin auf morgen zu befehlen habe, fand er ein Glas Wein eingeschenkt, zu dem er sich nicht lange nöthigen ließ.
Hat's draußen was abgesetzt? fragte sie. Ich meinte einen Fall zu hören.
O der Jungfer ist nur ein kleiner Poss' passirt. Darauf hab' ich weiter gar nichts gesagt als "Sachte mit der Braut!" und da ist sie gleich ganz schiefrig geworden.
Die gestrenge Frau lachte recht gnädig. Es kommt ja nur auf den Mosje Friedrich an, sagte sie, ob er aus dem Sprichwort Ernst machen will. Das Mädchen ist aus einer sehr guten, aber während der Minderjährigkeit des Herzogs unterdrückten und herabgekommenen Familie. Nun, dafür hat sie sich desto besser in der Welt fortbringen gelernt; das ist auch eine Aussteuer. Sie ist schon bei einem adeligen Geheimenrath in Diensten gewesen, und weiß was Mores sind. Das gäb' eine Wirthin, die den vornehmsten Gästen gewachsen wäre.
Sie sagte dies Alles auf eine scherzhafte Weise, in welcher gleich¬ wohl etwas Aufmunterndes lag. Aber freilich, fügte sie hinzu, Wirthe sehen mehr auf äußeres als auf inneres Metall, und bei Wirthssöhnen wird man ohne Zweifel den gleichen Gout antreffen.
Conträr, im Gegentheil, versetzte der junge Mensch, ich seh' bei einem Mädle auf's Herz, und nicht auf die Batzen. Liebreich ist
Friedrich lachte und trug das Fleiſch in die Küche. Da, Jungfer, ſagte er, und die Frau hat mir einen Kuß aufgetragen als Zugabe.
Das Mädchen ließ mit einem leiſen Schrei den Korb fallen und flüchtete ſich hinter den Herd. Sie hatte etwas Demüthiges und Gedrücktes in ihrem Weſen und ſah, obwohl noch jugendlich und nicht unſchön, doch blaß und verblüht aus. Sie war eine Verwandte der Amtmännin, die ſie unter dem Namen einer Hausjungfer, eigentlich aber als Dienſtmagd zu ſich genommen hatte.
Es iſt nicht ſo ernſtlich gemeint, Jungfer, lachte Friedrich. Nur ſachte mit der Braut! Das Fleiſchle da hätt' ſo ſauber bleiben kön¬ nen, wie Ihre Tugend von meinetwegen bleiben ſoll.
Er hob das Fleiſch vom Boden auf, warf es ihr auf den Herd und verließ die Küche, indem er brummte: Was ſich die nicht einbil¬ det, und iſt nur ſo ein Flügel.
Als er wieder in's Zimmer kam, um zu fragen was die Frau Amtmännin auf morgen zu befehlen habe, fand er ein Glas Wein eingeſchenkt, zu dem er ſich nicht lange nöthigen ließ.
Hat's draußen was abgeſetzt? fragte ſie. Ich meinte einen Fall zu hören.
O der Jungfer iſt nur ein kleiner Poſſ' paſſirt. Darauf hab' ich weiter gar nichts geſagt als „Sachte mit der Braut!“ und da iſt ſie gleich ganz ſchiefrig geworden.
Die geſtrenge Frau lachte recht gnädig. Es kommt ja nur auf den Mosje Friedrich an, ſagte ſie, ob er aus dem Sprichwort Ernſt machen will. Das Mädchen iſt aus einer ſehr guten, aber während der Minderjährigkeit des Herzogs unterdrückten und herabgekommenen Familie. Nun, dafür hat ſie ſich deſto beſſer in der Welt fortbringen gelernt; das iſt auch eine Ausſteuer. Sie iſt ſchon bei einem adeligen Geheimenrath in Dienſten geweſen, und weiß was Mores ſind. Das gäb' eine Wirthin, die den vornehmſten Gäſten gewachſen wäre.
Sie ſagte dies Alles auf eine ſcherzhafte Weiſe, in welcher gleich¬ wohl etwas Aufmunterndes lag. Aber freilich, fügte ſie hinzu, Wirthe ſehen mehr auf äußeres als auf inneres Metall, und bei Wirthsſöhnen wird man ohne Zweifel den gleichen Gout antreffen.
Conträr, im Gegentheil, verſetzte der junge Menſch, ich ſeh' bei einem Mädle auf's Herz, und nicht auf die Batzen. Liebreich iſt
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0075"n="59"/><p>Friedrich lachte und trug das Fleiſch in die Küche. Da, Jungfer,<lb/>ſagte er, und die Frau hat mir einen Kuß aufgetragen als Zugabe.</p><lb/><p>Das Mädchen ließ mit einem leiſen Schrei den Korb fallen und<lb/>
flüchtete ſich hinter den Herd. Sie hatte etwas Demüthiges und<lb/>
Gedrücktes in ihrem Weſen und ſah, obwohl noch jugendlich und nicht<lb/>
unſchön, doch blaß und verblüht aus. Sie war eine Verwandte der<lb/>
Amtmännin, die ſie unter dem Namen einer Hausjungfer, eigentlich<lb/>
aber als Dienſtmagd zu ſich genommen hatte.</p><lb/><p>Es iſt nicht ſo ernſtlich gemeint, Jungfer, lachte Friedrich. Nur<lb/>ſachte mit der Braut! Das Fleiſchle da hätt' ſo ſauber bleiben kön¬<lb/>
nen, wie Ihre Tugend von meinetwegen bleiben ſoll.</p><lb/><p>Er hob das Fleiſch vom Boden auf, warf es ihr auf den Herd<lb/>
und verließ die Küche, indem er brummte: Was ſich die nicht einbil¬<lb/>
det, und iſt nur ſo ein Flügel.</p><lb/><p>Als er wieder in's Zimmer kam, um zu fragen was die Frau<lb/>
Amtmännin auf morgen zu befehlen habe, fand er ein Glas Wein<lb/>
eingeſchenkt, zu dem er ſich nicht lange nöthigen ließ.</p><lb/><p>Hat's draußen was abgeſetzt? fragte ſie. Ich meinte einen Fall<lb/>
zu hören.</p><lb/><p>O der Jungfer iſt nur ein kleiner Poſſ' paſſirt. Darauf hab' ich<lb/>
weiter gar nichts geſagt als „Sachte mit der Braut!“ und da iſt ſie<lb/>
gleich ganz ſchiefrig geworden.</p><lb/><p>Die geſtrenge Frau lachte recht gnädig. Es kommt ja nur auf<lb/>
den Mosje Friedrich an, ſagte ſie, ob er aus dem Sprichwort Ernſt<lb/>
machen will. Das Mädchen iſt aus einer ſehr guten, aber während<lb/>
der Minderjährigkeit des Herzogs unterdrückten und herabgekommenen<lb/>
Familie. Nun, dafür hat ſie ſich deſto beſſer in der Welt fortbringen<lb/>
gelernt; das iſt auch eine Ausſteuer. Sie iſt ſchon bei einem adeligen<lb/>
Geheimenrath in Dienſten geweſen, und weiß was Mores ſind. Das<lb/>
gäb' eine Wirthin, die den vornehmſten Gäſten gewachſen wäre.</p><lb/><p>Sie ſagte dies Alles auf eine ſcherzhafte Weiſe, in welcher gleich¬<lb/>
wohl etwas Aufmunterndes lag. Aber freilich, fügte ſie hinzu, Wirthe<lb/>ſehen mehr auf äußeres als auf inneres Metall, und bei Wirthsſöhnen<lb/>
wird man ohne Zweifel den gleichen Gout antreffen.</p><lb/><p>Conträr, im Gegentheil, verſetzte der junge Menſch, ich ſeh' bei<lb/>
einem Mädle auf's Herz, und nicht auf die Batzen. Liebreich iſt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[59/0075]
Friedrich lachte und trug das Fleiſch in die Küche. Da, Jungfer,
ſagte er, und die Frau hat mir einen Kuß aufgetragen als Zugabe.
Das Mädchen ließ mit einem leiſen Schrei den Korb fallen und
flüchtete ſich hinter den Herd. Sie hatte etwas Demüthiges und
Gedrücktes in ihrem Weſen und ſah, obwohl noch jugendlich und nicht
unſchön, doch blaß und verblüht aus. Sie war eine Verwandte der
Amtmännin, die ſie unter dem Namen einer Hausjungfer, eigentlich
aber als Dienſtmagd zu ſich genommen hatte.
Es iſt nicht ſo ernſtlich gemeint, Jungfer, lachte Friedrich. Nur
ſachte mit der Braut! Das Fleiſchle da hätt' ſo ſauber bleiben kön¬
nen, wie Ihre Tugend von meinetwegen bleiben ſoll.
Er hob das Fleiſch vom Boden auf, warf es ihr auf den Herd
und verließ die Küche, indem er brummte: Was ſich die nicht einbil¬
det, und iſt nur ſo ein Flügel.
Als er wieder in's Zimmer kam, um zu fragen was die Frau
Amtmännin auf morgen zu befehlen habe, fand er ein Glas Wein
eingeſchenkt, zu dem er ſich nicht lange nöthigen ließ.
Hat's draußen was abgeſetzt? fragte ſie. Ich meinte einen Fall
zu hören.
O der Jungfer iſt nur ein kleiner Poſſ' paſſirt. Darauf hab' ich
weiter gar nichts geſagt als „Sachte mit der Braut!“ und da iſt ſie
gleich ganz ſchiefrig geworden.
Die geſtrenge Frau lachte recht gnädig. Es kommt ja nur auf
den Mosje Friedrich an, ſagte ſie, ob er aus dem Sprichwort Ernſt
machen will. Das Mädchen iſt aus einer ſehr guten, aber während
der Minderjährigkeit des Herzogs unterdrückten und herabgekommenen
Familie. Nun, dafür hat ſie ſich deſto beſſer in der Welt fortbringen
gelernt; das iſt auch eine Ausſteuer. Sie iſt ſchon bei einem adeligen
Geheimenrath in Dienſten geweſen, und weiß was Mores ſind. Das
gäb' eine Wirthin, die den vornehmſten Gäſten gewachſen wäre.
Sie ſagte dies Alles auf eine ſcherzhafte Weiſe, in welcher gleich¬
wohl etwas Aufmunterndes lag. Aber freilich, fügte ſie hinzu, Wirthe
ſehen mehr auf äußeres als auf inneres Metall, und bei Wirthsſöhnen
wird man ohne Zweifel den gleichen Gout antreffen.
Conträr, im Gegentheil, verſetzte der junge Menſch, ich ſeh' bei
einem Mädle auf's Herz, und nicht auf die Batzen. Liebreich iſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/75>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.