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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Mit den Alten werd' ich's niemals halten, so viel ist gewiß.
Jetzt möcht' ich nur mein Schwesterle recht anständig versorgt sehen.
Wart' einmal, wir haben ja die Auswahl unter den jungen Burschen,
wollen geschwind Musterung halten.

Ach, schwätz' nicht so überzwerch heraus.

Mit welchem soll ich denn gleich anfangen? Ja, da ist zum
Exempel heut Abend der untere Müller da gewesen, der Georg.

Er bemerkte ein leichtes Zucken an seiner Schwester und drehte
ihr Gesicht zu sich herum. Was? rief er, hab' ich gleich auf den
rechten Busch geklopft? Es ist nur schad', daß ich in der Dunkel¬
heit nicht sehen kann, wie du dazu aussiehst.

Laß mich zufrieden, sagte sie. Ich hab' was Nöthigers zu thun
jetzt, als nach den jungen Burschen auszuschauen. Behalt' deinen
Spott bei dir.

Wenn dir's Ernst mit ihm ist, morgiges Tages bring ich ihn
herbei, und wenn ich den Kälberstrick dazu nehmen müßte! Ich bin
ihm ohnehin noch eine Rache schuldig. Er hat mich einmal helfen
liefern, und wiewohl ich ihm das nach Gestalt der Sachen nicht son¬
derlich nachtrage, so wär' mir's doch zweimal recht, ihn zur gnädigen
Straf' an eine lebenslange Kette zu legen.

Still, still! rief sie und hielt ihm, übrigens erst nachdem er aus¬
gesprochen hatte, die Hand auf den Mund. Komm, es ist schon so
spät, wir müssen in's Bett. Der Vater könnt' lärmen.

Sie gingen leise in das Haus zurück und sagten einander gute
Nacht. Friedrich aber wartete bis seine Schwester in ihre Kammer
hinauf gehuscht war, und sagte: Ich muß doch probiren, ob man heut
noch Wind und Wetter beobachten kann. Er schlich über den Oehrn,
klinkte unhörbar die Thüre zum Wirthszimmer auf, wo ein Knecht in
der Ecke schnarchte, durchmaß das Zimmer mit großen Schritten, aber
so lautlos, daß ihm kaum der Sand unter den Füßen knisterte, ging
durch ein zweites kleineres, und legte dort das Ohr an die Thüre,
die in's Schlafgemach seiner Eltern führte. Er hatte sich nicht ge¬
täuscht, sie waren noch in einer Gardinenunterredung begriffen.

Auch wider den untern Müller hätt' ich eigentlich nichts einzu¬
wenden, hörte er seinen Vater sagen.

Mit den Alten werd' ich's niemals halten, ſo viel iſt gewiß.
Jetzt möcht' ich nur mein Schweſterle recht anſtändig verſorgt ſehen.
Wart' einmal, wir haben ja die Auswahl unter den jungen Burſchen,
wollen geſchwind Muſterung halten.

Ach, ſchwätz' nicht ſo überzwerch heraus.

Mit welchem ſoll ich denn gleich anfangen? Ja, da iſt zum
Exempel heut Abend der untere Müller da geweſen, der Georg.

Er bemerkte ein leichtes Zucken an ſeiner Schweſter und drehte
ihr Geſicht zu ſich herum. Was? rief er, hab' ich gleich auf den
rechten Buſch geklopft? Es iſt nur ſchad', daß ich in der Dunkel¬
heit nicht ſehen kann, wie du dazu ausſiehſt.

Laß mich zufrieden, ſagte ſie. Ich hab' was Nöthigers zu thun
jetzt, als nach den jungen Burſchen auszuſchauen. Behalt' deinen
Spott bei dir.

Wenn dir's Ernſt mit ihm iſt, morgiges Tages bring ich ihn
herbei, und wenn ich den Kälberſtrick dazu nehmen müßte! Ich bin
ihm ohnehin noch eine Rache ſchuldig. Er hat mich einmal helfen
liefern, und wiewohl ich ihm das nach Geſtalt der Sachen nicht ſon¬
derlich nachtrage, ſo wär' mir's doch zweimal recht, ihn zur gnädigen
Straf' an eine lebenslange Kette zu legen.

Still, ſtill! rief ſie und hielt ihm, übrigens erſt nachdem er aus¬
geſprochen hatte, die Hand auf den Mund. Komm, es iſt ſchon ſo
ſpät, wir müſſen in's Bett. Der Vater könnt' lärmen.

Sie gingen leiſe in das Haus zurück und ſagten einander gute
Nacht. Friedrich aber wartete bis ſeine Schweſter in ihre Kammer
hinauf gehuſcht war, und ſagte: Ich muß doch probiren, ob man heut
noch Wind und Wetter beobachten kann. Er ſchlich über den Oehrn,
klinkte unhörbar die Thüre zum Wirthszimmer auf, wo ein Knecht in
der Ecke ſchnarchte, durchmaß das Zimmer mit großen Schritten, aber
ſo lautlos, daß ihm kaum der Sand unter den Füßen kniſterte, ging
durch ein zweites kleineres, und legte dort das Ohr an die Thüre,
die in's Schlafgemach ſeiner Eltern führte. Er hatte ſich nicht ge¬
täuſcht, ſie waren noch in einer Gardinenunterredung begriffen.

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[48/0064] Mit den Alten werd' ich's niemals halten, ſo viel iſt gewiß. Jetzt möcht' ich nur mein Schweſterle recht anſtändig verſorgt ſehen. Wart' einmal, wir haben ja die Auswahl unter den jungen Burſchen, wollen geſchwind Muſterung halten. Ach, ſchwätz' nicht ſo überzwerch heraus. Mit welchem ſoll ich denn gleich anfangen? Ja, da iſt zum Exempel heut Abend der untere Müller da geweſen, der Georg. Er bemerkte ein leichtes Zucken an ſeiner Schweſter und drehte ihr Geſicht zu ſich herum. Was? rief er, hab' ich gleich auf den rechten Buſch geklopft? Es iſt nur ſchad', daß ich in der Dunkel¬ heit nicht ſehen kann, wie du dazu ausſiehſt. Laß mich zufrieden, ſagte ſie. Ich hab' was Nöthigers zu thun jetzt, als nach den jungen Burſchen auszuſchauen. Behalt' deinen Spott bei dir. Wenn dir's Ernſt mit ihm iſt, morgiges Tages bring ich ihn herbei, und wenn ich den Kälberſtrick dazu nehmen müßte! Ich bin ihm ohnehin noch eine Rache ſchuldig. Er hat mich einmal helfen liefern, und wiewohl ich ihm das nach Geſtalt der Sachen nicht ſon¬ derlich nachtrage, ſo wär' mir's doch zweimal recht, ihn zur gnädigen Straf' an eine lebenslange Kette zu legen. Still, ſtill! rief ſie und hielt ihm, übrigens erſt nachdem er aus¬ geſprochen hatte, die Hand auf den Mund. Komm, es iſt ſchon ſo ſpät, wir müſſen in's Bett. Der Vater könnt' lärmen. Sie gingen leiſe in das Haus zurück und ſagten einander gute Nacht. Friedrich aber wartete bis ſeine Schweſter in ihre Kammer hinauf gehuſcht war, und ſagte: Ich muß doch probiren, ob man heut noch Wind und Wetter beobachten kann. Er ſchlich über den Oehrn, klinkte unhörbar die Thüre zum Wirthszimmer auf, wo ein Knecht in der Ecke ſchnarchte, durchmaß das Zimmer mit großen Schritten, aber ſo lautlos, daß ihm kaum der Sand unter den Füßen kniſterte, ging durch ein zweites kleineres, und legte dort das Ohr an die Thüre, die in's Schlafgemach ſeiner Eltern führte. Er hatte ſich nicht ge¬ täuſcht, ſie waren noch in einer Gardinenunterredung begriffen. Auch wider den untern Müller hätt' ich eigentlich nichts einzu¬ wenden, hörte er ſeinen Vater ſagen.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/64>, abgerufen am 24.11.2024.