Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Lieg' ich auf der faulen Haut? entgegnete Magdalene vorwurfsvoll.
Werd' ich nicht gepudelt vom frühen Morgen bis in die späte Nacht?
Hab' ich das bisle Essen nicht so gut verdient, wie wenn ich Eure
Magd wär'?

Nun, so sei froh, daß du jetzt bessere Tage kriegst.

Ich will keine bessere Tage, ich bin ja zufrieden. Ich will noch
härter arbeiten, will Euer Kehrbesen sein und Eure Ofengabel, will
schlumpen und pumpen, nur laßt mich bleiben wie ich bin.

Das wär' ein Kunststück! Bin ich eine Hex'? Kann ich dich
halten, daß du bleibst heut' wie gestern, und morgen wie heut?
Kann ich's verhindern, daß du eine alte Jungfer wirst?

Eine alte Jungfer kann auch in Himmel kommen.

Ja, aber durch's Nebenthürle. Und jetzt hör' auf mit dem Ge¬
schwätz. Es ist eine Ehr' für dich, daß dich der Chirurgus nehmen
will, so ein Herr! Wart', wenn du an seinem Arm daher stratzen
kannst, das wird eine Hoffärtigkeit sein! Du verdienst's gar nicht, daß
es so hoch hinaus soll mit dir!

Freilich verdien' ich's nicht! Er soll eine Andere nehmen, meinet¬
wegen die verwitwete Herzogin, die thät vielleicht besser für ihn passen.

Was hast du gegen den Chirurgus? rief die Sonnenwirthin zornig.
Was kannst du wider ihn sagen?

O Mutter, begann das Mädchen nach einer Weile mit bebender
Stimme, denkt an Eure eigene Jugend zurück -- er ist so alt --
und so --

Du wüste Strunz du! rief die Sonnenwirthin. So, da liegt der
Has' im Pfeffer? Der Ehstand ist eine christliche Anstalt, dem Herrn
zum Preis, und nicht für Ueppigkeit und Fleischeslust. Wenn du so
lüderliche Gedanken hast, so bet' daß sie dir vergehen, oder behalt sie
wenigstens bei dir und schäm' dich. Wenn die Leut' wüßten, daß du
so fleischlich denkst, sie thäten mit Fingern auf dich zeigen.

Magdalene schluchzte: O Mutter, Mutter!

Ja, Mutter! spottete jene. Ich weiß wohl was Jesus Sirach
einer Mutter einschärft im Sechsundzwanzigsten: "Ist deine Tochter
nicht schamhaftig, so halte sie hart, auf daß sie nicht ihren Muthwillen
treibe, wenn sie so frei ist. Wie ein Fußgänger, der durstig ist,

Lieg' ich auf der faulen Haut? entgegnete Magdalene vorwurfsvoll.
Werd' ich nicht gepudelt vom frühen Morgen bis in die ſpäte Nacht?
Hab' ich das bisle Eſſen nicht ſo gut verdient, wie wenn ich Eure
Magd wär'?

Nun, ſo ſei froh, daß du jetzt beſſere Tage kriegſt.

Ich will keine beſſere Tage, ich bin ja zufrieden. Ich will noch
härter arbeiten, will Euer Kehrbeſen ſein und Eure Ofengabel, will
ſchlumpen und pumpen, nur laßt mich bleiben wie ich bin.

Das wär' ein Kunſtſtück! Bin ich eine Hex'? Kann ich dich
halten, daß du bleibſt heut' wie geſtern, und morgen wie heut?
Kann ich's verhindern, daß du eine alte Jungfer wirſt?

Eine alte Jungfer kann auch in Himmel kommen.

Ja, aber durch's Nebenthürle. Und jetzt hör' auf mit dem Ge¬
ſchwätz. Es iſt eine Ehr' für dich, daß dich der Chirurgus nehmen
will, ſo ein Herr! Wart', wenn du an ſeinem Arm daher ſtratzen
kannſt, das wird eine Hoffärtigkeit ſein! Du verdienſt's gar nicht, daß
es ſo hoch hinaus ſoll mit dir!

Freilich verdien' ich's nicht! Er ſoll eine Andere nehmen, meinet¬
wegen die verwitwete Herzogin, die thät vielleicht beſſer für ihn paſſen.

Was haſt du gegen den Chirurgus? rief die Sonnenwirthin zornig.
Was kannſt du wider ihn ſagen?

O Mutter, begann das Mädchen nach einer Weile mit bebender
Stimme, denkt an Eure eigene Jugend zurück — er iſt ſo alt —
und ſo —

Du wüſte Strunz du! rief die Sonnenwirthin. So, da liegt der
Haſ' im Pfeffer? Der Ehſtand iſt eine chriſtliche Anſtalt, dem Herrn
zum Preis, und nicht für Ueppigkeit und Fleiſchesluſt. Wenn du ſo
lüderliche Gedanken haſt, ſo bet' daß ſie dir vergehen, oder behalt ſie
wenigſtens bei dir und ſchäm' dich. Wenn die Leut' wüßten, daß du
ſo fleiſchlich denkſt, ſie thäten mit Fingern auf dich zeigen.

Magdalene ſchluchzte: O Mutter, Mutter!

Ja, Mutter! ſpottete jene. Ich weiß wohl was Jeſus Sirach
einer Mutter einſchärft im Sechsundzwanzigſten: „Iſt deine Tochter
nicht ſchamhaftig, ſo halte ſie hart, auf daß ſie nicht ihren Muthwillen
treibe, wenn ſie ſo frei iſt. Wie ein Fußgänger, der durſtig iſt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0057" n="41"/>
        <p>Lieg' ich auf der faulen Haut? entgegnete Magdalene vorwurfsvoll.<lb/>
Werd' ich nicht gepudelt vom frühen Morgen bis in die &#x017F;päte Nacht?<lb/>
Hab' ich das bisle E&#x017F;&#x017F;en nicht &#x017F;o gut verdient, wie wenn ich Eure<lb/>
Magd wär'?</p><lb/>
        <p>Nun, &#x017F;o &#x017F;ei froh, daß du jetzt be&#x017F;&#x017F;ere Tage krieg&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Ich will keine be&#x017F;&#x017F;ere Tage, ich bin ja zufrieden. Ich will noch<lb/>
härter arbeiten, will Euer Kehrbe&#x017F;en &#x017F;ein und Eure Ofengabel, will<lb/>
&#x017F;chlumpen und pumpen, nur laßt mich bleiben wie ich bin.</p><lb/>
        <p>Das wär' ein Kun&#x017F;t&#x017F;tück! Bin ich eine Hex'? Kann ich dich<lb/>
halten, daß du bleib&#x017F;t heut' wie ge&#x017F;tern, und morgen wie heut?<lb/>
Kann ich's verhindern, daß du eine alte Jungfer wir&#x017F;t?</p><lb/>
        <p>Eine alte Jungfer kann auch in Himmel kommen.</p><lb/>
        <p>Ja, aber durch's Nebenthürle. Und jetzt hör' auf mit dem Ge¬<lb/>
&#x017F;chwätz. Es i&#x017F;t eine Ehr' für dich, daß dich der Chirurgus nehmen<lb/>
will, &#x017F;o ein Herr! Wart', wenn du an &#x017F;einem Arm daher &#x017F;tratzen<lb/>
kann&#x017F;t, das wird eine Hoffärtigkeit &#x017F;ein! Du verdien&#x017F;t's gar nicht, daß<lb/>
es &#x017F;o hoch hinaus &#x017F;oll mit dir!</p><lb/>
        <p>Freilich verdien' ich's nicht! Er &#x017F;oll eine Andere nehmen, meinet¬<lb/>
wegen die verwitwete Herzogin, die thät vielleicht be&#x017F;&#x017F;er für ihn pa&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Was ha&#x017F;t du gegen den Chirurgus? rief die Sonnenwirthin zornig.<lb/>
Was kann&#x017F;t du wider ihn &#x017F;agen?</p><lb/>
        <p>O Mutter, begann das Mädchen nach einer Weile mit bebender<lb/>
Stimme, denkt an Eure eigene Jugend zurück &#x2014; er i&#x017F;t &#x017F;o alt &#x2014;<lb/>
und &#x017F;o &#x2014;</p><lb/>
        <p>Du wü&#x017F;te Strunz du! rief die Sonnenwirthin. So, <hi rendition="#g">da</hi> liegt der<lb/>
Ha&#x017F;' im Pfeffer? Der Eh&#x017F;tand i&#x017F;t eine chri&#x017F;tliche An&#x017F;talt, dem Herrn<lb/>
zum Preis, und nicht für Ueppigkeit und Flei&#x017F;cheslu&#x017F;t. Wenn du &#x017F;o<lb/>
lüderliche Gedanken ha&#x017F;t, &#x017F;o bet' daß &#x017F;ie dir vergehen, oder behalt &#x017F;ie<lb/>
wenig&#x017F;tens bei dir und &#x017F;chäm' dich. Wenn die Leut' wüßten, daß du<lb/>
&#x017F;o flei&#x017F;chlich denk&#x017F;t, &#x017F;ie thäten mit Fingern auf dich zeigen.</p><lb/>
        <p>Magdalene &#x017F;chluchzte: O Mutter, Mutter!</p><lb/>
        <p>Ja, Mutter! &#x017F;pottete jene. Ich weiß wohl was Je&#x017F;us Sirach<lb/>
einer Mutter ein&#x017F;chärft im Sechsundzwanzig&#x017F;ten: &#x201E;I&#x017F;t deine Tochter<lb/>
nicht &#x017F;chamhaftig, &#x017F;o halte &#x017F;ie hart, auf daß &#x017F;ie nicht ihren Muthwillen<lb/>
treibe, wenn &#x017F;ie &#x017F;o frei i&#x017F;t. Wie ein Fußgänger, der dur&#x017F;tig i&#x017F;t,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0057] Lieg' ich auf der faulen Haut? entgegnete Magdalene vorwurfsvoll. Werd' ich nicht gepudelt vom frühen Morgen bis in die ſpäte Nacht? Hab' ich das bisle Eſſen nicht ſo gut verdient, wie wenn ich Eure Magd wär'? Nun, ſo ſei froh, daß du jetzt beſſere Tage kriegſt. Ich will keine beſſere Tage, ich bin ja zufrieden. Ich will noch härter arbeiten, will Euer Kehrbeſen ſein und Eure Ofengabel, will ſchlumpen und pumpen, nur laßt mich bleiben wie ich bin. Das wär' ein Kunſtſtück! Bin ich eine Hex'? Kann ich dich halten, daß du bleibſt heut' wie geſtern, und morgen wie heut? Kann ich's verhindern, daß du eine alte Jungfer wirſt? Eine alte Jungfer kann auch in Himmel kommen. Ja, aber durch's Nebenthürle. Und jetzt hör' auf mit dem Ge¬ ſchwätz. Es iſt eine Ehr' für dich, daß dich der Chirurgus nehmen will, ſo ein Herr! Wart', wenn du an ſeinem Arm daher ſtratzen kannſt, das wird eine Hoffärtigkeit ſein! Du verdienſt's gar nicht, daß es ſo hoch hinaus ſoll mit dir! Freilich verdien' ich's nicht! Er ſoll eine Andere nehmen, meinet¬ wegen die verwitwete Herzogin, die thät vielleicht beſſer für ihn paſſen. Was haſt du gegen den Chirurgus? rief die Sonnenwirthin zornig. Was kannſt du wider ihn ſagen? O Mutter, begann das Mädchen nach einer Weile mit bebender Stimme, denkt an Eure eigene Jugend zurück — er iſt ſo alt — und ſo — Du wüſte Strunz du! rief die Sonnenwirthin. So, da liegt der Haſ' im Pfeffer? Der Ehſtand iſt eine chriſtliche Anſtalt, dem Herrn zum Preis, und nicht für Ueppigkeit und Fleiſchesluſt. Wenn du ſo lüderliche Gedanken haſt, ſo bet' daß ſie dir vergehen, oder behalt ſie wenigſtens bei dir und ſchäm' dich. Wenn die Leut' wüßten, daß du ſo fleiſchlich denkſt, ſie thäten mit Fingern auf dich zeigen. Magdalene ſchluchzte: O Mutter, Mutter! Ja, Mutter! ſpottete jene. Ich weiß wohl was Jeſus Sirach einer Mutter einſchärft im Sechsundzwanzigſten: „Iſt deine Tochter nicht ſchamhaftig, ſo halte ſie hart, auf daß ſie nicht ihren Muthwillen treibe, wenn ſie ſo frei iſt. Wie ein Fußgänger, der durſtig iſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/57
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/57>, abgerufen am 24.11.2024.