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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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mutter rief: Wo bleibst du denn, lahmes Mensch? Was dröhnsest da
so lang'?

Magdalene antwortete mit stockender und gedrückter Stimme.

Was? Ich will nicht hoffen, daß du heulst! fuhr die Stiefmutter
sie an.

Das Mädchen schwieg.

Was hast du denn? fragte die Alte hart und lieblos weiter. Als
das Mädchen abermals keine Antwort gab, rief sie: Das muß was
Besonder's sein. Der Herr suche mich nicht so schwer heim, und lasse
mich's nicht erleben, daß du dich am End' gar vergangen haben wirst.

O, Mutter, rief Magdalene, die hier plötzlich ihre Stimme fand,
wie könnt Ihr mich so verschänden! Ihr solltet Euch der Sünde
fürchten, so etwas so laut vor der Nachbarschaft zu sagen, da Ihr
doch wißt, wie ungerecht Euer Gerede ist. Ihr müßt's ja selber am
Besten wissen, daß ich Euch niemals aus den Augen gekommen bin.

Nun, nun, ich will ja weiter nichts gesagt haben, als daß das
Heulen und Aunxen überflüssig ist, wenn man ein gut Gewissen hat.

Mein Gewissen ist gut, erwiderte Magdalene unmuthig. Wenn
nur auch alles Andere so gut wäre.

Ei was, es steht Alles gut. Mach' jetzt nur, daß du in's Bett
kommst. Du mußt morgen mit hellen Augen und rothen Backen auf¬
stehen, weißt wohl warum.

O, Mutter, seid barmherzig und bringt den Vater auf andere Ge¬
danken! Auf meinen Knieen wollt' Euch anflehen, wenn ich wüßte,
daß es bei Euch anschlüge.

Still mit den Narretheien da!

Mutter, ich hab' einen Abscheu vorm Heirathen. Ich will Euch
bei den höchsten drei Namen schwören, ledig zu bleiben mein Leben lang.

Damit wär' mir gedient! rief die Stiefmutter mit höhnischem Lachen.
Was ein recht's Mädle ist, das hat eine wahre Begier auf's Heira¬
then, und kann nicht bald genug eine eigene Haushaltung überkommen
wollen, um darin thätig und fleißig zu sein nach eigenem Sinn. Ein
recht's Mädle sucht seinen Eltern vom Hals zu kommen, sobald es
kann, und will nicht als eine unnütze Brodesserin zu Haus auf der
faulen Haut liegen.

mutter rief: Wo bleibſt du denn, lahmes Menſch? Was dröhnſeſt da
ſo lang'?

Magdalene antwortete mit ſtockender und gedrückter Stimme.

Was? Ich will nicht hoffen, daß du heulſt! fuhr die Stiefmutter
ſie an.

Das Mädchen ſchwieg.

Was haſt du denn? fragte die Alte hart und lieblos weiter. Als
das Mädchen abermals keine Antwort gab, rief ſie: Das muß was
Beſonder's ſein. Der Herr ſuche mich nicht ſo ſchwer heim, und laſſe
mich's nicht erleben, daß du dich am End' gar vergangen haben wirſt.

O, Mutter, rief Magdalene, die hier plötzlich ihre Stimme fand,
wie könnt Ihr mich ſo verſchänden! Ihr ſolltet Euch der Sünde
fürchten, ſo etwas ſo laut vor der Nachbarſchaft zu ſagen, da Ihr
doch wißt, wie ungerecht Euer Gerede iſt. Ihr müßt's ja ſelber am
Beſten wiſſen, daß ich Euch niemals aus den Augen gekommen bin.

Nun, nun, ich will ja weiter nichts geſagt haben, als daß das
Heulen und Aunxen überflüſſig iſt, wenn man ein gut Gewiſſen hat.

Mein Gewiſſen iſt gut, erwiderte Magdalene unmuthig. Wenn
nur auch alles Andere ſo gut wäre.

Ei was, es ſteht Alles gut. Mach' jetzt nur, daß du in's Bett
kommſt. Du mußt morgen mit hellen Augen und rothen Backen auf¬
ſtehen, weißt wohl warum.

O, Mutter, ſeid barmherzig und bringt den Vater auf andere Ge¬
danken! Auf meinen Knieen wollt' Euch anflehen, wenn ich wüßte,
daß es bei Euch anſchlüge.

Still mit den Narretheien da!

Mutter, ich hab' einen Abſcheu vorm Heirathen. Ich will Euch
bei den höchſten drei Namen ſchwören, ledig zu bleiben mein Leben lang.

Damit wär' mir gedient! rief die Stiefmutter mit höhniſchem Lachen.
Was ein recht's Mädle iſt, das hat eine wahre Begier auf's Heira¬
then, und kann nicht bald genug eine eigene Haushaltung überkommen
wollen, um darin thätig und fleißig zu ſein nach eigenem Sinn. Ein
recht's Mädle ſucht ſeinen Eltern vom Hals zu kommen, ſobald es
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[40/0056] mutter rief: Wo bleibſt du denn, lahmes Menſch? Was dröhnſeſt da ſo lang'? Magdalene antwortete mit ſtockender und gedrückter Stimme. Was? Ich will nicht hoffen, daß du heulſt! fuhr die Stiefmutter ſie an. Das Mädchen ſchwieg. Was haſt du denn? fragte die Alte hart und lieblos weiter. Als das Mädchen abermals keine Antwort gab, rief ſie: Das muß was Beſonder's ſein. Der Herr ſuche mich nicht ſo ſchwer heim, und laſſe mich's nicht erleben, daß du dich am End' gar vergangen haben wirſt. O, Mutter, rief Magdalene, die hier plötzlich ihre Stimme fand, wie könnt Ihr mich ſo verſchänden! Ihr ſolltet Euch der Sünde fürchten, ſo etwas ſo laut vor der Nachbarſchaft zu ſagen, da Ihr doch wißt, wie ungerecht Euer Gerede iſt. Ihr müßt's ja ſelber am Beſten wiſſen, daß ich Euch niemals aus den Augen gekommen bin. Nun, nun, ich will ja weiter nichts geſagt haben, als daß das Heulen und Aunxen überflüſſig iſt, wenn man ein gut Gewiſſen hat. Mein Gewiſſen iſt gut, erwiderte Magdalene unmuthig. Wenn nur auch alles Andere ſo gut wäre. Ei was, es ſteht Alles gut. Mach' jetzt nur, daß du in's Bett kommſt. Du mußt morgen mit hellen Augen und rothen Backen auf¬ ſtehen, weißt wohl warum. O, Mutter, ſeid barmherzig und bringt den Vater auf andere Ge¬ danken! Auf meinen Knieen wollt' Euch anflehen, wenn ich wüßte, daß es bei Euch anſchlüge. Still mit den Narretheien da! Mutter, ich hab' einen Abſcheu vorm Heirathen. Ich will Euch bei den höchſten drei Namen ſchwören, ledig zu bleiben mein Leben lang. Damit wär' mir gedient! rief die Stiefmutter mit höhniſchem Lachen. Was ein recht's Mädle iſt, das hat eine wahre Begier auf's Heira¬ then, und kann nicht bald genug eine eigene Haushaltung überkommen wollen, um darin thätig und fleißig zu ſein nach eigenem Sinn. Ein recht's Mädle ſucht ſeinen Eltern vom Hals zu kommen, ſobald es kann, und will nicht als eine unnütze Brodeſſerin zu Haus auf der faulen Haut liegen.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/56>, abgerufen am 27.11.2024.