recht, man wird's noch erleben. Was, die Zigeunergedanken werden ihm schon vergehen. Um den ist mir's gar nicht Angst. Man muß ihn eben jetzt noch ein wenig kurz aufzäumen, dann wird er schon gut thun. Und das bisle Ungelegenheit, das er in seiner unver¬ ständigen Jugend gehabt hat, wird ihm unter vernünftigen und christ¬ lich denkenden Leuten in's Künftige nicht aufgerechnet werden. Er ist ja guter Leute Kind. Ja, ja, Herr Sonnenwirth, der kann sich einmal seine Frau holen, wo er will. Wofern aber jemals eins so thorecht sein wollt' und wollt' ein Haar in der Partie finden, so will ich nur so grob sein und will's frei heraussagen, Herr Sonnenwirth: für mein Gretle wär' er mir immerhin gut genug. Jetzt habt Ihr ge¬ hört, wo Ihr anklopfen könnt, wenn Ihr keine bessere Schmiede wisset.
In dem Gesicht des Alten, das erst ganz wohlgefällig ausgesehen hatte, zog allmählich der Ausdruck unendlichen Spottes auf. Er sah den Müller mit halb zugekniffenen Augen an, so daß dieser in Verlegen¬ heit gerieth und die Hände aus den Wamstaschen, wo sie während seiner Rede gesteckt hatten, hervorholte. So, meint Ihr? erwiderte er trocken und stieß dann ein hochmüthiges Gelächter aus.
Nichts hab' ich gemeint! rief der Müller wüthend. Ihr konnt meinethalben Euren Galgenstrick verknöpfeln und verbandeln, wo Ihr wollt. Er ging und schlug die Thüre hinter sich zu, daß das Haus davon erdröhnte.
Indessen war Friedrich zu dem Zigeuner hinabgegangen, der, ver¬ abredeter Maßen seines Bescheides harrend, an dem Gartenzaune lehnte. Er reichte ihm ein Fläschchen, ein Brod, eine Wurst und ein Stück¬ chen Geld. Das letztere hatte er sich unterwegs von seiner Schwester geben lassen; bei den Lebensmitteln mochte ihm in etwas uneigentlicher Form die Lehre des Waisenpfarrers vorgeschwebt haben. Da nimm, iß und trink, sagte er mit einer sonderbaren Hast und Heftigkeit: und dann mach', daß du zum Teufel kommst.
Der Zigeuner griff gleichmüthig zu, dann heftete er sein scheeles Auge auf den Wohlthäter. Was, und mit dem Dienstle ist's nichts? sagte er.
Schweig' still und mach' mich nicht scheu! Ich bin so schon wild genug. Trink' deinen Kirschengeist! Sieh, ich hab' dir Wort gehal¬ ten, so viel an mir gewesen ist.
recht, man wird's noch erleben. Was, die Zigeunergedanken werden ihm ſchon vergehen. Um den iſt mir's gar nicht Angſt. Man muß ihn eben jetzt noch ein wenig kurz aufzäumen, dann wird er ſchon gut thun. Und das biſle Ungelegenheit, das er in ſeiner unver¬ ſtändigen Jugend gehabt hat, wird ihm unter vernünftigen und chriſt¬ lich denkenden Leuten in's Künftige nicht aufgerechnet werden. Er iſt ja guter Leute Kind. Ja, ja, Herr Sonnenwirth, der kann ſich einmal ſeine Frau holen, wo er will. Wofern aber jemals eins ſo thorecht ſein wollt' und wollt' ein Haar in der Partie finden, ſo will ich nur ſo grob ſein und will's frei herausſagen, Herr Sonnenwirth: für mein Gretle wär' er mir immerhin gut genug. Jetzt habt Ihr ge¬ hört, wo Ihr anklopfen könnt, wenn Ihr keine beſſere Schmiede wiſſet.
In dem Geſicht des Alten, das erſt ganz wohlgefällig ausgeſehen hatte, zog allmählich der Ausdruck unendlichen Spottes auf. Er ſah den Müller mit halb zugekniffenen Augen an, ſo daß dieſer in Verlegen¬ heit gerieth und die Hände aus den Wamstaſchen, wo ſie während ſeiner Rede geſteckt hatten, hervorholte. So, meint Ihr? erwiderte er trocken und ſtieß dann ein hochmüthiges Gelächter aus.
Nichts hab' ich gemeint! rief der Müller wüthend. Ihr konnt meinethalben Euren Galgenſtrick verknöpfeln und verbandeln, wo Ihr wollt. Er ging und ſchlug die Thüre hinter ſich zu, daß das Haus davon erdröhnte.
Indeſſen war Friedrich zu dem Zigeuner hinabgegangen, der, ver¬ abredeter Maßen ſeines Beſcheides harrend, an dem Gartenzaune lehnte. Er reichte ihm ein Fläſchchen, ein Brod, eine Wurſt und ein Stück¬ chen Geld. Das letztere hatte er ſich unterwegs von ſeiner Schweſter geben laſſen; bei den Lebensmitteln mochte ihm in etwas uneigentlicher Form die Lehre des Waiſenpfarrers vorgeſchwebt haben. Da nimm, iß und trink, ſagte er mit einer ſonderbaren Haſt und Heftigkeit: und dann mach', daß du zum Teufel kommſt.
Der Zigeuner griff gleichmüthig zu, dann heftete er ſein ſcheeles Auge auf den Wohlthäter. Was, und mit dem Dienſtle iſt's nichts? ſagte er.
Schweig' ſtill und mach' mich nicht ſcheu! Ich bin ſo ſchon wild genug. Trink' deinen Kirſchengeiſt! Sieh, ich hab' dir Wort gehal¬ ten, ſo viel an mir geweſen iſt.
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recht, man wird's noch erleben. Was, die Zigeunergedanken werden
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ihn eben jetzt noch ein wenig kurz aufzäumen, dann wird er ſchon
gut thun. Und das biſle Ungelegenheit, das er in ſeiner unver¬
ſtändigen Jugend gehabt hat, wird ihm unter vernünftigen und chriſt¬
lich denkenden Leuten in's Künftige nicht aufgerechnet werden. Er
iſt ja guter Leute Kind. Ja, ja, Herr Sonnenwirth, der kann ſich
einmal ſeine Frau holen, wo er will. Wofern aber jemals eins ſo
thorecht ſein wollt' und wollt' ein Haar in der Partie finden, ſo will
ich nur ſo grob ſein und will's frei herausſagen, Herr Sonnenwirth:
für mein Gretle wär' er mir immerhin gut genug. Jetzt habt Ihr ge¬
hört, wo Ihr anklopfen könnt, wenn Ihr keine beſſere Schmiede
wiſſet.
In dem Geſicht des Alten, das erſt ganz wohlgefällig ausgeſehen
hatte, zog allmählich der Ausdruck unendlichen Spottes auf. Er ſah den
Müller mit halb zugekniffenen Augen an, ſo daß dieſer in Verlegen¬
heit gerieth und die Hände aus den Wamstaſchen, wo ſie während
ſeiner Rede geſteckt hatten, hervorholte. So, meint Ihr? erwiderte er
trocken und ſtieß dann ein hochmüthiges Gelächter aus.
Nichts hab' ich gemeint! rief der Müller wüthend. Ihr konnt
meinethalben Euren Galgenſtrick verknöpfeln und verbandeln, wo Ihr
wollt. Er ging und ſchlug die Thüre hinter ſich zu, daß das Haus
davon erdröhnte.
Indeſſen war Friedrich zu dem Zigeuner hinabgegangen, der, ver¬
abredeter Maßen ſeines Beſcheides harrend, an dem Gartenzaune lehnte.
Er reichte ihm ein Fläſchchen, ein Brod, eine Wurſt und ein Stück¬
chen Geld. Das letztere hatte er ſich unterwegs von ſeiner Schweſter
geben laſſen; bei den Lebensmitteln mochte ihm in etwas uneigentlicher
Form die Lehre des Waiſenpfarrers vorgeſchwebt haben. Da nimm, iß
und trink, ſagte er mit einer ſonderbaren Haſt und Heftigkeit: und
dann mach', daß du zum Teufel kommſt.
Der Zigeuner griff gleichmüthig zu, dann heftete er ſein ſcheeles Auge
auf den Wohlthäter. Was, und mit dem Dienſtle iſt's nichts? ſagte er.
Schweig' ſtill und mach' mich nicht ſcheu! Ich bin ſo ſchon wild
genug. Trink' deinen Kirſchengeiſt! Sieh, ich hab' dir Wort gehal¬
ten, ſo viel an mir geweſen iſt.
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/54>, abgerufen am 23.11.2024.
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