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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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liebliche Redensarten zu sich gezogen und mir die Gelegenheiten und solche
Aufenthalte gewiesen, die mir nicht bekannt waren, und wie ich nun von
einem Haus in das andere gegangen, und zum Ersten kam, sprach er:

"Hat Christina wieder geheirathet? -- Sie sprach: ja!

"Ist er aber auch ein so guter Räuber wie Euer erster? -- Sie
antwortete: ja!

"Hätte sie gesagt: nein, so wär ich schon nicht wohl daran gewesen.
Sie sprach im Haus herum: er hat bald eine Sau geholet, bald ein
Schaf, bald dies bald das.

"Er hat uns sehr viel Guts gethan, wenn Ihr nur auch so gut
werdet. -- Das Eine sprach: ich bin heut über Feld gewesen, ich habe
da und dort was von Thierfleisch gesehen; ich habe auch die Schäfer¬
pferche auf der Brache gesehen -- holet das Fleisch oder holt ein
Schaf, daß wir auch wieder Fleisch essen dürfen! -- ferner: habt
ihr nichts Gestohlenes bei euch? Ich brauche was von Kleidern, mein
Mann hat nichts und meine Kinder haben auch nichts; wir müssen
gekleidet sein -- machet, daß ihr was zu stehlen bekommet, und schaffet
uns was an! Ich bin nicht weit über Feld hinausgekommen, sonst
wollte ich euch etwas ausersehen haben, wo ihr was erwischen könntet,
aber bis ihr wieder kommet, will ich was ausersehen!

"Und so sind alle diese Aufenthalte. Eine manche Weibsperson,
die auf dem Lande gehet, hat schon bis Drei oder Vier am Galgen; sie
führet noch Einen aus einem Dorf heraus, der nur ein Liebhaber
des schönen Frauenzimmers ist; sie bringt ihn an solche Oerter hin;
er höret solche Reden; was dieses Mensch nicht Böses genug an ihm
vollbringen könnte, das wird ihm da vollends eingepflanzt und er
mit Gewalt zum Stehlen gereizet und gelocket.

"Bei mir aber, da war schon ein kleines Fünklein zum Stehlen
aufgegangen gewesen; aber bei einem solchen Menschen, die Zeit-
und Taglebens nichts anders gethan, und in solchen Häusern, wo
nichts als von Rauben und Stehlen geredet und täglich an Einem gepflanzt
und geschüret wird, da muß ein großes Feuer daraus werden, und nicht
mehr nachlassen, bis er dem Henker unter die Hände fällt. Und so
geht es mit einem Manchen. Das sind die ärgsten Schelmen, die
Aufenthalt geben, und sie bleiben doch ehrliche Leute, haben auch den
größten Nutzen und Genuß, und der Kleine wird gehenkt und die

liebliche Redensarten zu ſich gezogen und mir die Gelegenheiten und ſolche
Aufenthalte gewieſen, die mir nicht bekannt waren, und wie ich nun von
einem Haus in das andere gegangen, und zum Erſten kam, ſprach er:

„Hat Chriſtina wieder geheirathet? — Sie ſprach: ja!

„Iſt er aber auch ein ſo guter Räuber wie Euer erſter? — Sie
antwortete: ja!

„Hätte ſie geſagt: nein, ſo wär ich ſchon nicht wohl daran geweſen.
Sie ſprach im Haus herum: er hat bald eine Sau geholet, bald ein
Schaf, bald dies bald das.

„Er hat uns ſehr viel Guts gethan, wenn Ihr nur auch ſo gut
werdet. — Das Eine ſprach: ich bin heut über Feld geweſen, ich habe
da und dort was von Thierfleiſch geſehen; ich habe auch die Schäfer¬
pferche auf der Brache geſehen — holet das Fleiſch oder holt ein
Schaf, daß wir auch wieder Fleiſch eſſen dürfen! — ferner: habt
ihr nichts Geſtohlenes bei euch? Ich brauche was von Kleidern, mein
Mann hat nichts und meine Kinder haben auch nichts; wir müſſen
gekleidet ſein — machet, daß ihr was zu ſtehlen bekommet, und ſchaffet
uns was an! Ich bin nicht weit über Feld hinausgekommen, ſonſt
wollte ich euch etwas auserſehen haben, wo ihr was erwiſchen könntet,
aber bis ihr wieder kommet, will ich was auserſehen!

„Und ſo ſind alle dieſe Aufenthalte. Eine manche Weibsperſon,
die auf dem Lande gehet, hat ſchon bis Drei oder Vier am Galgen; ſie
führet noch Einen aus einem Dorf heraus, der nur ein Liebhaber
des ſchönen Frauenzimmers iſt; ſie bringt ihn an ſolche Oerter hin;
er höret ſolche Reden; was dieſes Menſch nicht Böſes genug an ihm
vollbringen könnte, das wird ihm da vollends eingepflanzt und er
mit Gewalt zum Stehlen gereizet und gelocket.

„Bei mir aber, da war ſchon ein kleines Fünklein zum Stehlen
aufgegangen geweſen; aber bei einem ſolchen Menſchen, die Zeit-
und Taglebens nichts anders gethan, und in ſolchen Häuſern, wo
nichts als von Rauben und Stehlen geredet und täglich an Einem gepflanzt
und geſchüret wird, da muß ein großes Feuer daraus werden, und nicht
mehr nachlaſſen, bis er dem Henker unter die Hände fällt. Und ſo
geht es mit einem Manchen. Das ſind die ärgſten Schelmen, die
Aufenthalt geben, und ſie bleiben doch ehrliche Leute, haben auch den
größten Nutzen und Genuß, und der Kleine wird gehenkt und die

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[488/0504] liebliche Redensarten zu ſich gezogen und mir die Gelegenheiten und ſolche Aufenthalte gewieſen, die mir nicht bekannt waren, und wie ich nun von einem Haus in das andere gegangen, und zum Erſten kam, ſprach er: „Hat Chriſtina wieder geheirathet? — Sie ſprach: ja! „Iſt er aber auch ein ſo guter Räuber wie Euer erſter? — Sie antwortete: ja! „Hätte ſie geſagt: nein, ſo wär ich ſchon nicht wohl daran geweſen. Sie ſprach im Haus herum: er hat bald eine Sau geholet, bald ein Schaf, bald dies bald das. „Er hat uns ſehr viel Guts gethan, wenn Ihr nur auch ſo gut werdet. — Das Eine ſprach: ich bin heut über Feld geweſen, ich habe da und dort was von Thierfleiſch geſehen; ich habe auch die Schäfer¬ pferche auf der Brache geſehen — holet das Fleiſch oder holt ein Schaf, daß wir auch wieder Fleiſch eſſen dürfen! — ferner: habt ihr nichts Geſtohlenes bei euch? Ich brauche was von Kleidern, mein Mann hat nichts und meine Kinder haben auch nichts; wir müſſen gekleidet ſein — machet, daß ihr was zu ſtehlen bekommet, und ſchaffet uns was an! Ich bin nicht weit über Feld hinausgekommen, ſonſt wollte ich euch etwas auserſehen haben, wo ihr was erwiſchen könntet, aber bis ihr wieder kommet, will ich was auserſehen! „Und ſo ſind alle dieſe Aufenthalte. Eine manche Weibsperſon, die auf dem Lande gehet, hat ſchon bis Drei oder Vier am Galgen; ſie führet noch Einen aus einem Dorf heraus, der nur ein Liebhaber des ſchönen Frauenzimmers iſt; ſie bringt ihn an ſolche Oerter hin; er höret ſolche Reden; was dieſes Menſch nicht Böſes genug an ihm vollbringen könnte, das wird ihm da vollends eingepflanzt und er mit Gewalt zum Stehlen gereizet und gelocket. „Bei mir aber, da war ſchon ein kleines Fünklein zum Stehlen aufgegangen geweſen; aber bei einem ſolchen Menſchen, die Zeit- und Taglebens nichts anders gethan, und in ſolchen Häuſern, wo nichts als von Rauben und Stehlen geredet und täglich an Einem gepflanzt und geſchüret wird, da muß ein großes Feuer daraus werden, und nicht mehr nachlaſſen, bis er dem Henker unter die Hände fällt. Und ſo geht es mit einem Manchen. Das ſind die ärgſten Schelmen, die Aufenthalt geben, und ſie bleiben doch ehrliche Leute, haben auch den größten Nutzen und Genuß, und der Kleine wird gehenkt und die

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/504>, abgerufen am 23.11.2024.