denn so gottselig er sich stellt, das Necken und das Kratzen kann er nicht lassen. Zuletzt, wie er noch nicht genug hatte, kommt er auch auf die Zuchthausstrafe, die der Frieder durchgemacht hatte, und sagt zu ihm: Du bist ein ganz geschickter Kerl, dir kann's nicht fehlen, du verstehst ja zwei Handwerk', das Metzgen und das Wellkardätschen; wenn dir's in einem fehlschlägt, so kannst du dich auf das andere werfen. -- Er das sagen, und der Frieder ihn am Kragen nehmen und zu Boden werfen, das war eins. Der hat Prügel gekriegt! Nun, der Fischer weiß ja, was der Bub' für eine Tatze hat.
Es ist ihm Recht geschehen, sagte der jüngere Müller. Einen Gefallenen muß man aufheben und nicht noch tiefer niederdrücken.
Paß nur auf, Peter, jetzt kommt erst der Hauptspaß, fuhr der Aeltere fort. Wie er ihn genug geprügelt hatte und ausschnaufen mußte, so sagt' er zu ihm, er solle ihm jetzt versprechen, daß er dessent¬ wegen nicht klagbar werden wolle. Der Kreuzwirth, am Boden, ver¬ spricht's mit Ach und Krach, und schwört's ihm hoch und theuer. Der Frieder aber, wie er den Schwur hört, fällt er abermals mit neuer Kraft über ihn her. Sieh, meineidige Canaille, sagt er, ich weiß, daß du doch nicht Wort hältst, und dafür will ich dich gleich im Voraus prügeln.
Das ist ja ein Fetzenkerl! rief der Knecht mit ungeheuchelter Be¬ wunderung aus.
Der Kreuzwirth klagte auch richtig beim Amt, und da kam eben mein Frieder noch einmal auf ein halb Jahr nach Ludwigsburg.
Es heißt von ihm, wie vom Esau, sagte der Fischer: "Seine Hand war wider Jedermann und Jedermanns Hand wider ihn."
Hast das fromme Sprüchle vom Kreuzwirth gelernt? spottete der jüngere Müller. Nein, fuhr er fort, dem haben seine Prügel gebührt, und ich bin dem Frieder nicht Feind darum. Wenn nur die Schand' nicht wär', denn Zuchthaus ist eben einmal Zuchthaus.
Meint Ihr, Vetter? rief der Aeltere. Es kommt auch darauf an, von wegen was man in's Zuchthaus kommt. Und wenn Einer sonst guter Leute Kind ist, so kann man so einen Unschick wieder vergessen. Wenn er jetzt unter eine tüchtige Hand käm' und gehobelt würde -- in zehn Jahren könnt' er der angesehenste Mann sein und thät' kein
denn ſo gottſelig er ſich ſtellt, das Necken und das Kratzen kann er nicht laſſen. Zuletzt, wie er noch nicht genug hatte, kommt er auch auf die Zuchthausſtrafe, die der Frieder durchgemacht hatte, und ſagt zu ihm: Du biſt ein ganz geſchickter Kerl, dir kann's nicht fehlen, du verſtehſt ja zwei Handwerk', das Metzgen und das Wellkardätſchen; wenn dir's in einem fehlſchlägt, ſo kannſt du dich auf das andere werfen. — Er das ſagen, und der Frieder ihn am Kragen nehmen und zu Boden werfen, das war eins. Der hat Prügel gekriegt! Nun, der Fiſcher weiß ja, was der Bub' für eine Tatze hat.
Es iſt ihm Recht geſchehen, ſagte der jüngere Müller. Einen Gefallenen muß man aufheben und nicht noch tiefer niederdrücken.
Paß nur auf, Peter, jetzt kommt erſt der Hauptſpaß, fuhr der Aeltere fort. Wie er ihn genug geprügelt hatte und ausſchnaufen mußte, ſo ſagt' er zu ihm, er ſolle ihm jetzt verſprechen, daß er deſſent¬ wegen nicht klagbar werden wolle. Der Kreuzwirth, am Boden, ver¬ ſpricht's mit Ach und Krach, und ſchwört's ihm hoch und theuer. Der Frieder aber, wie er den Schwur hört, fällt er abermals mit neuer Kraft über ihn her. Sieh, meineidige Canaille, ſagt er, ich weiß, daß du doch nicht Wort hältſt, und dafür will ich dich gleich im Voraus prügeln.
Das iſt ja ein Fetzenkerl! rief der Knecht mit ungeheuchelter Be¬ wunderung aus.
Der Kreuzwirth klagte auch richtig beim Amt, und da kam eben mein Frieder noch einmal auf ein halb Jahr nach Ludwigsburg.
Es heißt von ihm, wie vom Eſau, ſagte der Fiſcher: „Seine Hand war wider Jedermann und Jedermanns Hand wider ihn.“
Haſt das fromme Sprüchle vom Kreuzwirth gelernt? ſpottete der jüngere Müller. Nein, fuhr er fort, dem haben ſeine Prügel gebührt, und ich bin dem Frieder nicht Feind darum. Wenn nur die Schand' nicht wär', denn Zuchthaus iſt eben einmal Zuchthaus.
Meint Ihr, Vetter? rief der Aeltere. Es kommt auch darauf an, von wegen was man in's Zuchthaus kommt. Und wenn Einer ſonſt guter Leute Kind iſt, ſo kann man ſo einen Unſchick wieder vergeſſen. Wenn er jetzt unter eine tüchtige Hand käm' und gehobelt würde — in zehn Jahren könnt' er der angeſehenſte Mann ſein und thät' kein
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denn ſo gottſelig er ſich ſtellt, das Necken und das Kratzen kann er
nicht laſſen. Zuletzt, wie er noch nicht genug hatte, kommt er auch
auf die Zuchthausſtrafe, die der Frieder durchgemacht hatte, und ſagt
zu ihm: Du biſt ein ganz geſchickter Kerl, dir kann's nicht fehlen, du
verſtehſt ja zwei Handwerk', das Metzgen und das Wellkardätſchen;
wenn dir's in einem fehlſchlägt, ſo kannſt du dich auf das andere
werfen. — Er das ſagen, und der Frieder ihn am Kragen nehmen
und zu Boden werfen, das war eins. Der hat Prügel gekriegt!
Nun, der Fiſcher weiß ja, was der Bub' für eine Tatze hat.
Es iſt ihm Recht geſchehen, ſagte der jüngere Müller. Einen
Gefallenen muß man aufheben und nicht noch tiefer niederdrücken.
Paß nur auf, Peter, jetzt kommt erſt der Hauptſpaß, fuhr der
Aeltere fort. Wie er ihn genug geprügelt hatte und ausſchnaufen
mußte, ſo ſagt' er zu ihm, er ſolle ihm jetzt verſprechen, daß er deſſent¬
wegen nicht klagbar werden wolle. Der Kreuzwirth, am Boden, ver¬
ſpricht's mit Ach und Krach, und ſchwört's ihm hoch und theuer. Der
Frieder aber, wie er den Schwur hört, fällt er abermals mit neuer
Kraft über ihn her. Sieh, meineidige Canaille, ſagt er, ich weiß,
daß du doch nicht Wort hältſt, und dafür will ich dich gleich im
Voraus prügeln.
Das iſt ja ein Fetzenkerl! rief der Knecht mit ungeheuchelter Be¬
wunderung aus.
Der Kreuzwirth klagte auch richtig beim Amt, und da kam eben mein
Frieder noch einmal auf ein halb Jahr nach Ludwigsburg.
Es heißt von ihm, wie vom Eſau, ſagte der Fiſcher: „Seine
Hand war wider Jedermann und Jedermanns Hand wider ihn.“
Haſt das fromme Sprüchle vom Kreuzwirth gelernt? ſpottete der
jüngere Müller. Nein, fuhr er fort, dem haben ſeine Prügel gebührt,
und ich bin dem Frieder nicht Feind darum. Wenn nur die Schand'
nicht wär', denn Zuchthaus iſt eben einmal Zuchthaus.
Meint Ihr, Vetter? rief der Aeltere. Es kommt auch darauf an,
von wegen was man in's Zuchthaus kommt. Und wenn Einer ſonſt
guter Leute Kind iſt, ſo kann man ſo einen Unſchick wieder vergeſſen.
Wenn er jetzt unter eine tüchtige Hand käm' und gehobelt würde —
in zehn Jahren könnt' er der angeſehenſte Mann ſein und thät' kein
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/48>, abgerufen am 23.11.2024.
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