mehr vor mir zu haben, denn es riecht hier nach Blut. Der Ab¬ grund hat sich aufgethan, und ich fühl's, wie ich zusehends tiefer und tiefer hineinsinke. Ich höre rufen: Komm! und ich komme. Lebt wohl, Vater, mög' Euch Gott verzeihen -- ich verzeihe Euch!
Die Kniee zitterten dem alten Manne und er mußte sich an dem Rande des Weges zu Boden setzen. Erst nach langer Zeit wagte er in die Höhe zu blicken. Die furchtbare Erscheinung war verschwunden. Ist das mein Sohn gewesen oder --? Was er predigen kann! -- Hätt' ich ihn denn vielleicht einen Pfarrer werden lassen sollen? Dum¬ mes Geschwätz! Wenn er ein Räuber und Mörder ist, wie er sagt, so ist er ein schlechter Prediger. Aber ich hab's ja immer gesagt: er ist im Kopf nicht recht.
Mit diesen Worten hatte er sich wieder zurecht gefunden. Er erhob sich, schüttelte den Schrecken aus den Gliedern und schickte sich an, das Thälchen, in welchem er von demselben überfallen worden war, eilig zu verlassen, als er die Kuh bemerkte, die sich auf dem Eigenthum eines Mitbürgers gütlich that. Er jagte sie aus dem Grase heraus und trieb das unvernünftige Thier sorgfältig auf dem Wege vor sich her, während sein verlorner Sohn sich den Berg hinauf¬ zog, um unwiderruflich einem Leben zu verfallen, das ihm selbst als die Hölle erschien.
mehr vor mir zu haben, denn es riecht hier nach Blut. Der Ab¬ grund hat ſich aufgethan, und ich fühl's, wie ich zuſehends tiefer und tiefer hineinſinke. Ich höre rufen: Komm! und ich komme. Lebt wohl, Vater, mög' Euch Gott verzeihen — ich verzeihe Euch!
Die Kniee zitterten dem alten Manne und er mußte ſich an dem Rande des Weges zu Boden ſetzen. Erſt nach langer Zeit wagte er in die Höhe zu blicken. Die furchtbare Erſcheinung war verſchwunden. Iſt das mein Sohn geweſen oder —? Was er predigen kann! — Hätt' ich ihn denn vielleicht einen Pfarrer werden laſſen ſollen? Dum¬ mes Geſchwätz! Wenn er ein Räuber und Mörder iſt, wie er ſagt, ſo iſt er ein ſchlechter Prediger. Aber ich hab's ja immer geſagt: er iſt im Kopf nicht recht.
Mit dieſen Worten hatte er ſich wieder zurecht gefunden. Er erhob ſich, ſchüttelte den Schrecken aus den Gliedern und ſchickte ſich an, das Thälchen, in welchem er von demſelben überfallen worden war, eilig zu verlaſſen, als er die Kuh bemerkte, die ſich auf dem Eigenthum eines Mitbürgers gütlich that. Er jagte ſie aus dem Graſe heraus und trieb das unvernünftige Thier ſorgfältig auf dem Wege vor ſich her, während ſein verlorner Sohn ſich den Berg hinauf¬ zog, um unwiderruflich einem Leben zu verfallen, das ihm ſelbſt als die Hölle erſchien.
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mehr vor mir zu haben, denn es riecht hier nach Blut. Der Ab¬
grund hat ſich aufgethan, und ich fühl's, wie ich zuſehends tiefer und
tiefer hineinſinke. Ich höre rufen: Komm! und ich komme. Lebt
wohl, Vater, mög' Euch Gott verzeihen — ich verzeihe Euch!
Die Kniee zitterten dem alten Manne und er mußte ſich an dem
Rande des Weges zu Boden ſetzen. Erſt nach langer Zeit wagte er
in die Höhe zu blicken. Die furchtbare Erſcheinung war verſchwunden.
Iſt das mein Sohn geweſen oder —? Was er predigen kann! —
Hätt' ich ihn denn vielleicht einen Pfarrer werden laſſen ſollen? Dum¬
mes Geſchwätz! Wenn er ein Räuber und Mörder iſt, wie er ſagt,
ſo iſt er ein ſchlechter Prediger. Aber ich hab's ja immer geſagt:
er iſt im Kopf nicht recht.
Mit dieſen Worten hatte er ſich wieder zurecht gefunden. Er
erhob ſich, ſchüttelte den Schrecken aus den Gliedern und ſchickte ſich
an, das Thälchen, in welchem er von demſelben überfallen worden
war, eilig zu verlaſſen, als er die Kuh bemerkte, die ſich auf dem
Eigenthum eines Mitbürgers gütlich that. Er jagte ſie aus dem
Graſe heraus und trieb das unvernünftige Thier ſorgfältig auf dem
Wege vor ſich her, während ſein verlorner Sohn ſich den Berg hinauf¬
zog, um unwiderruflich einem Leben zu verfallen, das ihm ſelbſt als
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/456>, abgerufen am 25.11.2024.
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