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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Sie sah ihn mit großen Augen ruhig an. Vor einer Minute noch
wär' ich freiwillig dein gewesen, sagte sie, aber eher will ich sterben,
als gezwungen einem Mann zu Willen sein.

Was fällt dir ein? rief er stolz sich zurückbeugend. Du traust
mir zu, an was mein Herz nicht denkt.

Was willst du denn? fragte sie.

Respect, sonst gar nichts! antwortete er mit seltsam strengem Tone.
Du mußt versprechen, daß du nie in deinem Leben mehr solche
Ausdrücke wider mich brauchen willst.

Wenn's nichts weiter als das ist! rief sie lachend. Der Respect
ist schon von selbst da, und ich will thun, was du haben willst. Aber erst
steck' dein Messer ein, denn damit bringst du mich zu nichts, ich hab'
im Gefängniß schon den ersten Grad der Tortur überstanden, und sie
haben nichts aus mir herausgebracht.

Er stand auf und steckte sein Messer ein. Mit wunderbarer Schnell¬
kraft schoß sie vom Boden auf: Ich habe meinen Meister gefunden,
rief sie: so hätte keiner von den Andern gehandelt! Dafür will ich dich
auch achten und ehren und will dir leibeigen sein und mit meiner
Hand dich ernähren mein Lebenlang. Sie ließ sich zu Boden, umfaßte
seine Kniee und sah zärtlich zu ihm empor.

Horch! sagte er. Ein Donnerschlag ging über ihre Häupter und
rollte langhin durch den Wald. Ein zweiter folgte und schwere Tropfen
klatschten über ihnen auf die Blätter. Das schattige Plätzchen war
dunkel geworden; das Stück Himmel, das man sehen konnte, zeigte
sich mit schweren schwarzen Wolken behängt. Die Stelle gab guten
Schutz gegen das ausbrechende Gewitter; denn der junge Holzschlag
drohte keine Gefahr vom Blitze, der Hochwald war fern, und unter
einem Felsen am Wasserfall befand sich eine leichte Vertiefung, wo
man vor dem Regen geborgen sitzen konnte.

Das musicirt drauf los! sagte er behaglich, während das Gewitter
mit heftigen Schlägen sich entlud und der Regen auf den Wald nieder¬
rauschte. Hast du Angst? fragte er, als Christine sich beim grellen
Lichte eines Blitzes unwillkürlich bekreuzte.

Nein! sagte sie. Ueberhaupt hab' ich in meinem Leben keine
Angst mehr als vor dir und um dich.

Sie schmiegte sich an ihn wie ein Lamm. Ihre Augen suchten die

Sie ſah ihn mit großen Augen ruhig an. Vor einer Minute noch
wär' ich freiwillig dein geweſen, ſagte ſie, aber eher will ich ſterben,
als gezwungen einem Mann zu Willen ſein.

Was fällt dir ein? rief er ſtolz ſich zurückbeugend. Du trauſt
mir zu, an was mein Herz nicht denkt.

Was willſt du denn? fragte ſie.

Reſpect, ſonſt gar nichts! antwortete er mit ſeltſam ſtrengem Tone.
Du mußt verſprechen, daß du nie in deinem Leben mehr ſolche
Ausdrücke wider mich brauchen willſt.

Wenn's nichts weiter als das iſt! rief ſie lachend. Der Reſpect
iſt ſchon von ſelbſt da, und ich will thun, was du haben willſt. Aber erſt
ſteck' dein Meſſer ein, denn damit bringſt du mich zu nichts, ich hab'
im Gefängniß ſchon den erſten Grad der Tortur überſtanden, und ſie
haben nichts aus mir herausgebracht.

Er ſtand auf und ſteckte ſein Meſſer ein. Mit wunderbarer Schnell¬
kraft ſchoß ſie vom Boden auf: Ich habe meinen Meiſter gefunden,
rief ſie: ſo hätte keiner von den Andern gehandelt! Dafür will ich dich
auch achten und ehren und will dir leibeigen ſein und mit meiner
Hand dich ernähren mein Lebenlang. Sie ließ ſich zu Boden, umfaßte
ſeine Kniee und ſah zärtlich zu ihm empor.

Horch! ſagte er. Ein Donnerſchlag ging über ihre Häupter und
rollte langhin durch den Wald. Ein zweiter folgte und ſchwere Tropfen
klatſchten über ihnen auf die Blätter. Das ſchattige Plätzchen war
dunkel geworden; das Stück Himmel, das man ſehen konnte, zeigte
ſich mit ſchweren ſchwarzen Wolken behängt. Die Stelle gab guten
Schutz gegen das ausbrechende Gewitter; denn der junge Holzſchlag
drohte keine Gefahr vom Blitze, der Hochwald war fern, und unter
einem Felſen am Waſſerfall befand ſich eine leichte Vertiefung, wo
man vor dem Regen geborgen ſitzen konnte.

Das muſicirt drauf los! ſagte er behaglich, während das Gewitter
mit heftigen Schlägen ſich entlud und der Regen auf den Wald nieder¬
rauſchte. Haſt du Angſt? fragte er, als Chriſtine ſich beim grellen
Lichte eines Blitzes unwillkürlich bekreuzte.

Nein! ſagte ſie. Ueberhaupt hab' ich in meinem Leben keine
Angſt mehr als vor dir und um dich.

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[415/0431] Sie ſah ihn mit großen Augen ruhig an. Vor einer Minute noch wär' ich freiwillig dein geweſen, ſagte ſie, aber eher will ich ſterben, als gezwungen einem Mann zu Willen ſein. Was fällt dir ein? rief er ſtolz ſich zurückbeugend. Du trauſt mir zu, an was mein Herz nicht denkt. Was willſt du denn? fragte ſie. Reſpect, ſonſt gar nichts! antwortete er mit ſeltſam ſtrengem Tone. Du mußt verſprechen, daß du nie in deinem Leben mehr ſolche Ausdrücke wider mich brauchen willſt. Wenn's nichts weiter als das iſt! rief ſie lachend. Der Reſpect iſt ſchon von ſelbſt da, und ich will thun, was du haben willſt. Aber erſt ſteck' dein Meſſer ein, denn damit bringſt du mich zu nichts, ich hab' im Gefängniß ſchon den erſten Grad der Tortur überſtanden, und ſie haben nichts aus mir herausgebracht. Er ſtand auf und ſteckte ſein Meſſer ein. Mit wunderbarer Schnell¬ kraft ſchoß ſie vom Boden auf: Ich habe meinen Meiſter gefunden, rief ſie: ſo hätte keiner von den Andern gehandelt! Dafür will ich dich auch achten und ehren und will dir leibeigen ſein und mit meiner Hand dich ernähren mein Lebenlang. Sie ließ ſich zu Boden, umfaßte ſeine Kniee und ſah zärtlich zu ihm empor. Horch! ſagte er. Ein Donnerſchlag ging über ihre Häupter und rollte langhin durch den Wald. Ein zweiter folgte und ſchwere Tropfen klatſchten über ihnen auf die Blätter. Das ſchattige Plätzchen war dunkel geworden; das Stück Himmel, das man ſehen konnte, zeigte ſich mit ſchweren ſchwarzen Wolken behängt. Die Stelle gab guten Schutz gegen das ausbrechende Gewitter; denn der junge Holzſchlag drohte keine Gefahr vom Blitze, der Hochwald war fern, und unter einem Felſen am Waſſerfall befand ſich eine leichte Vertiefung, wo man vor dem Regen geborgen ſitzen konnte. Das muſicirt drauf los! ſagte er behaglich, während das Gewitter mit heftigen Schlägen ſich entlud und der Regen auf den Wald nieder¬ rauſchte. Haſt du Angſt? fragte er, als Chriſtine ſich beim grellen Lichte eines Blitzes unwillkürlich bekreuzte. Nein! ſagte ſie. Ueberhaupt hab' ich in meinem Leben keine Angſt mehr als vor dir und um dich. Sie ſchmiegte ſich an ihn wie ein Lamm. Ihre Augen ſuchten die

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/431>, abgerufen am 25.11.2024.