Sie sah ihn mit großen Augen ruhig an. Vor einer Minute noch wär' ich freiwillig dein gewesen, sagte sie, aber eher will ich sterben, als gezwungen einem Mann zu Willen sein.
Was fällt dir ein? rief er stolz sich zurückbeugend. Du traust mir zu, an was mein Herz nicht denkt.
Was willst du denn? fragte sie.
Respect, sonst gar nichts! antwortete er mit seltsam strengem Tone. Du mußt versprechen, daß du nie in deinem Leben mehr solche Ausdrücke wider mich brauchen willst.
Wenn's nichts weiter als das ist! rief sie lachend. Der Respect ist schon von selbst da, und ich will thun, was du haben willst. Aber erst steck' dein Messer ein, denn damit bringst du mich zu nichts, ich hab' im Gefängniß schon den ersten Grad der Tortur überstanden, und sie haben nichts aus mir herausgebracht.
Er stand auf und steckte sein Messer ein. Mit wunderbarer Schnell¬ kraft schoß sie vom Boden auf: Ich habe meinen Meister gefunden, rief sie: so hätte keiner von den Andern gehandelt! Dafür will ich dich auch achten und ehren und will dir leibeigen sein und mit meiner Hand dich ernähren mein Lebenlang. Sie ließ sich zu Boden, umfaßte seine Kniee und sah zärtlich zu ihm empor.
Horch! sagte er. Ein Donnerschlag ging über ihre Häupter und rollte langhin durch den Wald. Ein zweiter folgte und schwere Tropfen klatschten über ihnen auf die Blätter. Das schattige Plätzchen war dunkel geworden; das Stück Himmel, das man sehen konnte, zeigte sich mit schweren schwarzen Wolken behängt. Die Stelle gab guten Schutz gegen das ausbrechende Gewitter; denn der junge Holzschlag drohte keine Gefahr vom Blitze, der Hochwald war fern, und unter einem Felsen am Wasserfall befand sich eine leichte Vertiefung, wo man vor dem Regen geborgen sitzen konnte.
Das musicirt drauf los! sagte er behaglich, während das Gewitter mit heftigen Schlägen sich entlud und der Regen auf den Wald nieder¬ rauschte. Hast du Angst? fragte er, als Christine sich beim grellen Lichte eines Blitzes unwillkürlich bekreuzte.
Nein! sagte sie. Ueberhaupt hab' ich in meinem Leben keine Angst mehr als vor dir und um dich.
Sie schmiegte sich an ihn wie ein Lamm. Ihre Augen suchten die
Sie ſah ihn mit großen Augen ruhig an. Vor einer Minute noch wär' ich freiwillig dein geweſen, ſagte ſie, aber eher will ich ſterben, als gezwungen einem Mann zu Willen ſein.
Was fällt dir ein? rief er ſtolz ſich zurückbeugend. Du trauſt mir zu, an was mein Herz nicht denkt.
Was willſt du denn? fragte ſie.
Reſpect, ſonſt gar nichts! antwortete er mit ſeltſam ſtrengem Tone. Du mußt verſprechen, daß du nie in deinem Leben mehr ſolche Ausdrücke wider mich brauchen willſt.
Wenn's nichts weiter als das iſt! rief ſie lachend. Der Reſpect iſt ſchon von ſelbſt da, und ich will thun, was du haben willſt. Aber erſt ſteck' dein Meſſer ein, denn damit bringſt du mich zu nichts, ich hab' im Gefängniß ſchon den erſten Grad der Tortur überſtanden, und ſie haben nichts aus mir herausgebracht.
Er ſtand auf und ſteckte ſein Meſſer ein. Mit wunderbarer Schnell¬ kraft ſchoß ſie vom Boden auf: Ich habe meinen Meiſter gefunden, rief ſie: ſo hätte keiner von den Andern gehandelt! Dafür will ich dich auch achten und ehren und will dir leibeigen ſein und mit meiner Hand dich ernähren mein Lebenlang. Sie ließ ſich zu Boden, umfaßte ſeine Kniee und ſah zärtlich zu ihm empor.
Horch! ſagte er. Ein Donnerſchlag ging über ihre Häupter und rollte langhin durch den Wald. Ein zweiter folgte und ſchwere Tropfen klatſchten über ihnen auf die Blätter. Das ſchattige Plätzchen war dunkel geworden; das Stück Himmel, das man ſehen konnte, zeigte ſich mit ſchweren ſchwarzen Wolken behängt. Die Stelle gab guten Schutz gegen das ausbrechende Gewitter; denn der junge Holzſchlag drohte keine Gefahr vom Blitze, der Hochwald war fern, und unter einem Felſen am Waſſerfall befand ſich eine leichte Vertiefung, wo man vor dem Regen geborgen ſitzen konnte.
Das muſicirt drauf los! ſagte er behaglich, während das Gewitter mit heftigen Schlägen ſich entlud und der Regen auf den Wald nieder¬ rauſchte. Haſt du Angſt? fragte er, als Chriſtine ſich beim grellen Lichte eines Blitzes unwillkürlich bekreuzte.
Nein! ſagte ſie. Ueberhaupt hab' ich in meinem Leben keine Angſt mehr als vor dir und um dich.
Sie ſchmiegte ſich an ihn wie ein Lamm. Ihre Augen ſuchten die
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0431"n="415"/><p>Sie ſah ihn mit großen Augen ruhig an. Vor einer Minute noch<lb/>
wär' ich freiwillig dein geweſen, ſagte ſie, aber eher will ich ſterben,<lb/>
als gezwungen einem Mann zu Willen ſein.</p><lb/><p>Was fällt dir ein? rief er ſtolz ſich zurückbeugend. Du trauſt<lb/>
mir zu, an was mein Herz nicht denkt.</p><lb/><p>Was willſt du denn? fragte ſie.</p><lb/><p>Reſpect, ſonſt gar nichts! antwortete er mit ſeltſam ſtrengem Tone.<lb/>
Du mußt verſprechen, daß du nie in deinem Leben mehr ſolche<lb/>
Ausdrücke wider mich brauchen willſt.</p><lb/><p>Wenn's nichts weiter als das iſt! rief ſie lachend. Der Reſpect<lb/>
iſt ſchon von ſelbſt da, und ich will thun, was du haben willſt. Aber erſt<lb/>ſteck' dein Meſſer ein, denn damit bringſt du mich zu nichts, ich hab'<lb/>
im Gefängniß ſchon den erſten Grad der Tortur überſtanden, und ſie<lb/>
haben nichts aus mir herausgebracht.</p><lb/><p>Er ſtand auf und ſteckte ſein Meſſer ein. Mit wunderbarer Schnell¬<lb/>
kraft ſchoß ſie vom Boden auf: Ich habe meinen Meiſter gefunden,<lb/>
rief ſie: <hirendition="#g">ſo</hi> hätte keiner von den Andern gehandelt! Dafür will ich dich<lb/>
auch achten und ehren und will dir leibeigen ſein und mit meiner<lb/>
Hand dich ernähren mein Lebenlang. Sie ließ ſich zu Boden, umfaßte<lb/>ſeine Kniee und ſah zärtlich zu ihm empor.</p><lb/><p>Horch! ſagte er. Ein Donnerſchlag ging über ihre Häupter und<lb/>
rollte langhin durch den Wald. Ein zweiter folgte und ſchwere Tropfen<lb/>
klatſchten über ihnen auf die Blätter. Das ſchattige Plätzchen war<lb/>
dunkel geworden; das Stück Himmel, das man ſehen konnte, zeigte<lb/>ſich mit ſchweren ſchwarzen Wolken behängt. Die Stelle gab guten<lb/>
Schutz gegen das ausbrechende Gewitter; denn der junge Holzſchlag<lb/>
drohte keine Gefahr vom Blitze, der Hochwald war fern, und unter<lb/>
einem Felſen am Waſſerfall befand ſich eine leichte Vertiefung, wo<lb/>
man vor dem Regen geborgen ſitzen konnte.</p><lb/><p>Das muſicirt drauf los! ſagte er behaglich, während das Gewitter<lb/>
mit heftigen Schlägen ſich entlud und der Regen auf den Wald nieder¬<lb/>
rauſchte. Haſt du Angſt? fragte er, als Chriſtine ſich beim grellen<lb/>
Lichte eines Blitzes unwillkürlich bekreuzte.</p><lb/><p>Nein! ſagte ſie. Ueberhaupt hab' ich in meinem Leben keine<lb/>
Angſt mehr als vor <hirendition="#g">dir</hi> und um <hirendition="#g">dich</hi>.</p><lb/><p>Sie ſchmiegte ſich an ihn wie ein Lamm. Ihre Augen ſuchten die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[415/0431]
Sie ſah ihn mit großen Augen ruhig an. Vor einer Minute noch
wär' ich freiwillig dein geweſen, ſagte ſie, aber eher will ich ſterben,
als gezwungen einem Mann zu Willen ſein.
Was fällt dir ein? rief er ſtolz ſich zurückbeugend. Du trauſt
mir zu, an was mein Herz nicht denkt.
Was willſt du denn? fragte ſie.
Reſpect, ſonſt gar nichts! antwortete er mit ſeltſam ſtrengem Tone.
Du mußt verſprechen, daß du nie in deinem Leben mehr ſolche
Ausdrücke wider mich brauchen willſt.
Wenn's nichts weiter als das iſt! rief ſie lachend. Der Reſpect
iſt ſchon von ſelbſt da, und ich will thun, was du haben willſt. Aber erſt
ſteck' dein Meſſer ein, denn damit bringſt du mich zu nichts, ich hab'
im Gefängniß ſchon den erſten Grad der Tortur überſtanden, und ſie
haben nichts aus mir herausgebracht.
Er ſtand auf und ſteckte ſein Meſſer ein. Mit wunderbarer Schnell¬
kraft ſchoß ſie vom Boden auf: Ich habe meinen Meiſter gefunden,
rief ſie: ſo hätte keiner von den Andern gehandelt! Dafür will ich dich
auch achten und ehren und will dir leibeigen ſein und mit meiner
Hand dich ernähren mein Lebenlang. Sie ließ ſich zu Boden, umfaßte
ſeine Kniee und ſah zärtlich zu ihm empor.
Horch! ſagte er. Ein Donnerſchlag ging über ihre Häupter und
rollte langhin durch den Wald. Ein zweiter folgte und ſchwere Tropfen
klatſchten über ihnen auf die Blätter. Das ſchattige Plätzchen war
dunkel geworden; das Stück Himmel, das man ſehen konnte, zeigte
ſich mit ſchweren ſchwarzen Wolken behängt. Die Stelle gab guten
Schutz gegen das ausbrechende Gewitter; denn der junge Holzſchlag
drohte keine Gefahr vom Blitze, der Hochwald war fern, und unter
einem Felſen am Waſſerfall befand ſich eine leichte Vertiefung, wo
man vor dem Regen geborgen ſitzen konnte.
Das muſicirt drauf los! ſagte er behaglich, während das Gewitter
mit heftigen Schlägen ſich entlud und der Regen auf den Wald nieder¬
rauſchte. Haſt du Angſt? fragte er, als Chriſtine ſich beim grellen
Lichte eines Blitzes unwillkürlich bekreuzte.
Nein! ſagte ſie. Ueberhaupt hab' ich in meinem Leben keine
Angſt mehr als vor dir und um dich.
Sie ſchmiegte ſich an ihn wie ein Lamm. Ihre Augen ſuchten die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/431>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.