Andern aus: ich konnte mich allein an meiner Windmühle ergötzen; sie sahen mich nicht mehr darum an. Ein paar Tage drauf ist meine Windmühle weg. Ich hatte Niemand anders im Verdacht als den Frieder, und sagt's auch den andern Buben. Wie der's aber hört, so speit er Gift und Galle, paßt mir auf, und an der Rathhausecke stellte er mich, wie ich mich unterstehen könne, ihn zu bezichtigen, daß er mich bestohlen habe. Jetzt, was meinet Ihr, daß er mir zuge¬ muthet hat? Ein Messer nahm er in die Faust, und mir bot er ein anderes dar, und sagte, ich solle mich wehren. Natürlich hab' ich mich dafür bedankt, und dann fiel er über mich her und prügelte mich durch; denn er war weitaus der Stärkste von uns Allen.
Und hatte er wirklich die Windmühle gestohlen?
Nein, ich fand sie hernach wieder; ich hatte sie nur verlegt. Auch hätt' ich's nicht so schwer genommen, nicht einmal die Prügel be¬ kümmerten mich, wiewohl er immer eine harte Tatze hatte. Nein, aber der Hochmuth, daß er den fürnehmen Herrn spielen wollte und sich duelliren, wie ein Edelmann, das hat mir ihn zuwider gemacht. Und er war dazumal ein Bub' von zehn Jahren. Wenn das am grünen Holz so ist, wie wird's am dürren werden?
Duelliren hat er sich wollen, wie ein Offizier? rief der Knecht. Ei so verreck!
Da hat sich das adelige Blut frühzeitig geregt, sagte der jüngere Müller lachend.
Wenn die selige Sonnenwirthin nicht so ein kreuzbraves Weib gewesen wär', versetzte der ältere Müller, so könnt' man auf allerlei Gedanken kommen.
Und was ist denn sein Vater Großes? fuhr der Fischer eifrig fort. Er mag meinethalb für seine paar Batzen hochmüthig sein, aber Alles hat seine Grenzen. Er ist Wirth, muß den Leuten für ihr Geld Kratzfüße machen; er ist Viehhändler, patscht jedem Ro߬ kamm in die Hand; er ist Metzger, muß den Ochsen und Säuen im Gedärm herumfahren.
Es müßt's nur das Metzgerhandwerk machen, sagte der ältere Müller: damit übt er eine Art von Blutbann aus, und das ist doch was Adeliges.
Andern aus: ich konnte mich allein an meiner Windmühle ergötzen; ſie ſahen mich nicht mehr darum an. Ein paar Tage drauf iſt meine Windmühle weg. Ich hatte Niemand anders im Verdacht als den Frieder, und ſagt's auch den andern Buben. Wie der's aber hört, ſo ſpeit er Gift und Galle, paßt mir auf, und an der Rathhausecke ſtellte er mich, wie ich mich unterſtehen könne, ihn zu bezichtigen, daß er mich beſtohlen habe. Jetzt, was meinet Ihr, daß er mir zuge¬ muthet hat? Ein Meſſer nahm er in die Fauſt, und mir bot er ein anderes dar, und ſagte, ich ſolle mich wehren. Natürlich hab' ich mich dafür bedankt, und dann fiel er über mich her und prügelte mich durch; denn er war weitaus der Stärkſte von uns Allen.
Und hatte er wirklich die Windmühle geſtohlen?
Nein, ich fand ſie hernach wieder; ich hatte ſie nur verlegt. Auch hätt' ich's nicht ſo ſchwer genommen, nicht einmal die Prügel be¬ kümmerten mich, wiewohl er immer eine harte Tatze hatte. Nein, aber der Hochmuth, daß er den fürnehmen Herrn ſpielen wollte und ſich duelliren, wie ein Edelmann, das hat mir ihn zuwider gemacht. Und er war dazumal ein Bub' von zehn Jahren. Wenn das am grünen Holz ſo iſt, wie wird's am dürren werden?
Duelliren hat er ſich wollen, wie ein Offizier? rief der Knecht. Ei ſo verreck!
Da hat ſich das adelige Blut frühzeitig geregt, ſagte der jüngere Müller lachend.
Wenn die ſelige Sonnenwirthin nicht ſo ein kreuzbraves Weib geweſen wär', verſetzte der ältere Müller, ſo könnt' man auf allerlei Gedanken kommen.
Und was iſt denn ſein Vater Großes? fuhr der Fiſcher eifrig fort. Er mag meinethalb für ſeine paar Batzen hochmüthig ſein, aber Alles hat ſeine Grenzen. Er iſt Wirth, muß den Leuten für ihr Geld Kratzfüße machen; er iſt Viehhändler, patſcht jedem Ro߬ kamm in die Hand; er iſt Metzger, muß den Ochſen und Säuen im Gedärm herumfahren.
Es müßt's nur das Metzgerhandwerk machen, ſagte der ältere Müller: damit übt er eine Art von Blutbann aus, und das iſt doch was Adeliges.
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[25/0041]
Andern aus: ich konnte mich allein an meiner Windmühle ergötzen;
ſie ſahen mich nicht mehr darum an. Ein paar Tage drauf iſt meine
Windmühle weg. Ich hatte Niemand anders im Verdacht als den
Frieder, und ſagt's auch den andern Buben. Wie der's aber hört, ſo
ſpeit er Gift und Galle, paßt mir auf, und an der Rathhausecke
ſtellte er mich, wie ich mich unterſtehen könne, ihn zu bezichtigen, daß
er mich beſtohlen habe. Jetzt, was meinet Ihr, daß er mir zuge¬
muthet hat? Ein Meſſer nahm er in die Fauſt, und mir bot er
ein anderes dar, und ſagte, ich ſolle mich wehren. Natürlich hab' ich
mich dafür bedankt, und dann fiel er über mich her und prügelte
mich durch; denn er war weitaus der Stärkſte von uns Allen.
Und hatte er wirklich die Windmühle geſtohlen?
Nein, ich fand ſie hernach wieder; ich hatte ſie nur verlegt. Auch
hätt' ich's nicht ſo ſchwer genommen, nicht einmal die Prügel be¬
kümmerten mich, wiewohl er immer eine harte Tatze hatte. Nein,
aber der Hochmuth, daß er den fürnehmen Herrn ſpielen wollte und
ſich duelliren, wie ein Edelmann, das hat mir ihn zuwider gemacht.
Und er war dazumal ein Bub' von zehn Jahren. Wenn das am
grünen Holz ſo iſt, wie wird's am dürren werden?
Duelliren hat er ſich wollen, wie ein Offizier? rief der Knecht.
Ei ſo verreck!
Da hat ſich das adelige Blut frühzeitig geregt, ſagte der jüngere
Müller lachend.
Wenn die ſelige Sonnenwirthin nicht ſo ein kreuzbraves Weib
geweſen wär', verſetzte der ältere Müller, ſo könnt' man auf allerlei
Gedanken kommen.
Und was iſt denn ſein Vater Großes? fuhr der Fiſcher eifrig
fort. Er mag meinethalb für ſeine paar Batzen hochmüthig ſein,
aber Alles hat ſeine Grenzen. Er iſt Wirth, muß den Leuten für
ihr Geld Kratzfüße machen; er iſt Viehhändler, patſcht jedem Ro߬
kamm in die Hand; er iſt Metzger, muß den Ochſen und Säuen im
Gedärm herumfahren.
Es müßt's nur das Metzgerhandwerk machen, ſagte der ältere
Müller: damit übt er eine Art von Blutbann aus, und das iſt doch
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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