Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Hochzeit? sagte sie: ich hab' gemeint, es sei -- von etwas Andrem
die Rede. Hab' ich denn so schrecklich träumt?

Er wiederholte ihr, daß er gleich am nächsten Tage mit ihr zur
Trauung wandern werde. Ihr Angesicht belebte und erheiterte sich
nach und nach. Ist's denn wirklich wahr? sagte sie: soll ich endlich
einmal mit dir vor den Altar kommen?

Sieben Jahre -- so lang' wird's jetzt sein, daß wir das erstemal
mit einander vor Kirchenconvent gewesen sind -- sieben Jahre hab'
ich mir's um dich sauer werden lassen müssen, wie der Erzvater Jakob
um die Rahel, und jetzt ist's endlich gewonnen.

Gelt, und darüber bin ich zur Lea worden? sagte sie, einen scheuen
Blick um sich werfend. Sie starrte die Gesellschaft an, wie wenn sie
sie noch nie gesehen hätte, und drängte ängstlich fort. Er erklärte
sich bereit mit ihr zu gehen.

Wir wollen jetzt auch zur Ruhe, versetzte die Alte.

Der Hitzling ist hinab, sagte ihr Sohn, gen Himmel deutend: die
Glanzer sind aufgegangen.

Und der Jaim ist geschwächt, setzte Bettelmelcher hinzu, indem er
das Fäßchen mit einem Fußtritt auf den Boden schleuderte.

Beim Abschied wurde der Gast in jenischer Sprache aufgefordert,
sich bald wieder auf dieser Stelle einzufinden, wo er die Gesellschaft
noch eine Zeit lang gelagert finden werde. Er gab sein Wort. Der
Zigeuner bot ihm Kleider an, da ihre Garderobe reich versehen sei
und er den kleinen Vorschuß bei Gelegenheit wieder erstatten könne.
Er nahm das Anerbieten an und wurde alsbald mit einer vollstän¬
digen Kleidung versehen, die ihm für die Hochzeitreise sehr zu Statten
kam. Christinen wurde nichts angeboten, und er scheute sich, etwas
für sie anzusprechen. Bettelmelcher gab ihm noch genauere Anweisung
über den Pfarrer, der ihn trauen sollte; er nannte ihm seinen Namen
und beschrieb ihm seine Wohnung so genau, daß er nicht fehlen konnte.

Als das Paar sich mit einander entfernt hatte, blickte sich die
Bande eine Zeit lang stillschweigend an; dann sagte der scheele Chri¬
stianus: Er ist reif, und dir, Frau Schwester, gratulir' ich zu der
Eroberung. Laß du ihn zur Hochzeit und Copulation gehen, er hält's
bei dem Bauernmensch keine acht Tage mehr aus.

Woher weißt du denn, daß ich ihn will? fragte seine jüngere Schwester.

Hochzeit? ſagte ſie: ich hab' gemeint, es ſei — von etwas Andrem
die Rede. Hab' ich denn ſo ſchrecklich träumt?

Er wiederholte ihr, daß er gleich am nächſten Tage mit ihr zur
Trauung wandern werde. Ihr Angeſicht belebte und erheiterte ſich
nach und nach. Iſt's denn wirklich wahr? ſagte ſie: ſoll ich endlich
einmal mit dir vor den Altar kommen?

Sieben Jahre — ſo lang' wird's jetzt ſein, daß wir das erſtemal
mit einander vor Kirchenconvent geweſen ſind — ſieben Jahre hab'
ich mir's um dich ſauer werden laſſen müſſen, wie der Erzvater Jakob
um die Rahel, und jetzt iſt's endlich gewonnen.

Gelt, und darüber bin ich zur Lea worden? ſagte ſie, einen ſcheuen
Blick um ſich werfend. Sie ſtarrte die Geſellſchaft an, wie wenn ſie
ſie noch nie geſehen hätte, und drängte ängſtlich fort. Er erklärte
ſich bereit mit ihr zu gehen.

Wir wollen jetzt auch zur Ruhe, verſetzte die Alte.

Der Hitzling iſt hinab, ſagte ihr Sohn, gen Himmel deutend: die
Glanzer ſind aufgegangen.

Und der Jaim iſt geſchwächt, ſetzte Bettelmelcher hinzu, indem er
das Fäßchen mit einem Fußtritt auf den Boden ſchleuderte.

Beim Abſchied wurde der Gaſt in jeniſcher Sprache aufgefordert,
ſich bald wieder auf dieſer Stelle einzufinden, wo er die Geſellſchaft
noch eine Zeit lang gelagert finden werde. Er gab ſein Wort. Der
Zigeuner bot ihm Kleider an, da ihre Garderobe reich verſehen ſei
und er den kleinen Vorſchuß bei Gelegenheit wieder erſtatten könne.
Er nahm das Anerbieten an und wurde alsbald mit einer vollſtän¬
digen Kleidung verſehen, die ihm für die Hochzeitreiſe ſehr zu Statten
kam. Chriſtinen wurde nichts angeboten, und er ſcheute ſich, etwas
für ſie anzuſprechen. Bettelmelcher gab ihm noch genauere Anweiſung
über den Pfarrer, der ihn trauen ſollte; er nannte ihm ſeinen Namen
und beſchrieb ihm ſeine Wohnung ſo genau, daß er nicht fehlen konnte.

Als das Paar ſich mit einander entfernt hatte, blickte ſich die
Bande eine Zeit lang ſtillſchweigend an; dann ſagte der ſcheele Chri¬
ſtianus: Er iſt reif, und dir, Frau Schweſter, gratulir' ich zu der
Eroberung. Laß du ihn zur Hochzeit und Copulation gehen, er hält's
bei dem Bauernmenſch keine acht Tage mehr aus.

Woher weißt du denn, daß ich ihn will? fragte ſeine jüngere Schweſter.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0408" n="392"/>
        <p>Hochzeit? &#x017F;agte &#x017F;ie: ich hab' gemeint, es &#x017F;ei &#x2014; von etwas Andrem<lb/>
die Rede. Hab' ich denn &#x017F;o &#x017F;chrecklich träumt?</p><lb/>
        <p>Er wiederholte ihr, daß er gleich am näch&#x017F;ten Tage mit ihr zur<lb/>
Trauung wandern werde. Ihr Ange&#x017F;icht belebte und erheiterte &#x017F;ich<lb/>
nach und nach. I&#x017F;t's denn wirklich wahr? &#x017F;agte &#x017F;ie: &#x017F;oll ich endlich<lb/>
einmal mit dir vor den Altar kommen?</p><lb/>
        <p>Sieben Jahre &#x2014; &#x017F;o lang' wird's jetzt &#x017F;ein, daß wir das er&#x017F;temal<lb/>
mit einander vor Kirchenconvent gewe&#x017F;en &#x017F;ind &#x2014; &#x017F;ieben Jahre hab'<lb/>
ich mir's um dich &#x017F;auer werden la&#x017F;&#x017F;en mü&#x017F;&#x017F;en, wie der Erzvater Jakob<lb/>
um die Rahel, und jetzt i&#x017F;t's endlich gewonnen.</p><lb/>
        <p>Gelt, und darüber bin ich zur Lea worden? &#x017F;agte &#x017F;ie, einen &#x017F;cheuen<lb/>
Blick um &#x017F;ich werfend. Sie &#x017F;tarrte die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft an, wie wenn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ie noch nie ge&#x017F;ehen hätte, und drängte äng&#x017F;tlich fort. Er erklärte<lb/>
&#x017F;ich bereit mit ihr zu gehen.</p><lb/>
        <p>Wir wollen jetzt auch zur Ruhe, ver&#x017F;etzte die Alte.</p><lb/>
        <p>Der Hitzling i&#x017F;t hinab, &#x017F;agte ihr Sohn, gen Himmel deutend: die<lb/>
Glanzer &#x017F;ind aufgegangen.</p><lb/>
        <p>Und der Jaim i&#x017F;t ge&#x017F;chwächt, &#x017F;etzte Bettelmelcher hinzu, indem er<lb/>
das Fäßchen mit einem Fußtritt auf den Boden &#x017F;chleuderte.</p><lb/>
        <p>Beim Ab&#x017F;chied wurde der Ga&#x017F;t in jeni&#x017F;cher Sprache aufgefordert,<lb/>
&#x017F;ich bald wieder auf die&#x017F;er Stelle einzufinden, wo er die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
noch eine Zeit lang gelagert finden werde. Er gab &#x017F;ein Wort. Der<lb/>
Zigeuner bot ihm Kleider an, da ihre Garderobe reich ver&#x017F;ehen &#x017F;ei<lb/>
und er den kleinen Vor&#x017F;chuß bei Gelegenheit wieder er&#x017F;tatten könne.<lb/>
Er nahm das Anerbieten an und wurde alsbald mit einer voll&#x017F;tän¬<lb/>
digen Kleidung ver&#x017F;ehen, die ihm für die Hochzeitrei&#x017F;e &#x017F;ehr zu Statten<lb/>
kam. Chri&#x017F;tinen wurde nichts angeboten, und er &#x017F;cheute &#x017F;ich, etwas<lb/>
für &#x017F;ie anzu&#x017F;prechen. Bettelmelcher gab ihm noch genauere Anwei&#x017F;ung<lb/>
über den Pfarrer, der ihn trauen &#x017F;ollte; er nannte ihm &#x017F;einen Namen<lb/>
und be&#x017F;chrieb ihm &#x017F;eine Wohnung &#x017F;o genau, daß er nicht fehlen konnte.</p><lb/>
        <p>Als das Paar &#x017F;ich mit einander entfernt hatte, blickte &#x017F;ich die<lb/>
Bande eine Zeit lang &#x017F;till&#x017F;chweigend an; dann &#x017F;agte der &#x017F;cheele Chri¬<lb/>
&#x017F;tianus: Er i&#x017F;t reif, und dir, Frau Schwe&#x017F;ter, gratulir' ich zu der<lb/>
Eroberung. Laß du ihn zur Hochzeit und Copulation gehen, er hält's<lb/>
bei dem Bauernmen&#x017F;ch keine acht Tage mehr aus.</p><lb/>
        <p>Woher weißt du denn, daß ich ihn will? fragte &#x017F;eine jüngere Schwe&#x017F;ter.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[392/0408] Hochzeit? ſagte ſie: ich hab' gemeint, es ſei — von etwas Andrem die Rede. Hab' ich denn ſo ſchrecklich träumt? Er wiederholte ihr, daß er gleich am nächſten Tage mit ihr zur Trauung wandern werde. Ihr Angeſicht belebte und erheiterte ſich nach und nach. Iſt's denn wirklich wahr? ſagte ſie: ſoll ich endlich einmal mit dir vor den Altar kommen? Sieben Jahre — ſo lang' wird's jetzt ſein, daß wir das erſtemal mit einander vor Kirchenconvent geweſen ſind — ſieben Jahre hab' ich mir's um dich ſauer werden laſſen müſſen, wie der Erzvater Jakob um die Rahel, und jetzt iſt's endlich gewonnen. Gelt, und darüber bin ich zur Lea worden? ſagte ſie, einen ſcheuen Blick um ſich werfend. Sie ſtarrte die Geſellſchaft an, wie wenn ſie ſie noch nie geſehen hätte, und drängte ängſtlich fort. Er erklärte ſich bereit mit ihr zu gehen. Wir wollen jetzt auch zur Ruhe, verſetzte die Alte. Der Hitzling iſt hinab, ſagte ihr Sohn, gen Himmel deutend: die Glanzer ſind aufgegangen. Und der Jaim iſt geſchwächt, ſetzte Bettelmelcher hinzu, indem er das Fäßchen mit einem Fußtritt auf den Boden ſchleuderte. Beim Abſchied wurde der Gaſt in jeniſcher Sprache aufgefordert, ſich bald wieder auf dieſer Stelle einzufinden, wo er die Geſellſchaft noch eine Zeit lang gelagert finden werde. Er gab ſein Wort. Der Zigeuner bot ihm Kleider an, da ihre Garderobe reich verſehen ſei und er den kleinen Vorſchuß bei Gelegenheit wieder erſtatten könne. Er nahm das Anerbieten an und wurde alsbald mit einer vollſtän¬ digen Kleidung verſehen, die ihm für die Hochzeitreiſe ſehr zu Statten kam. Chriſtinen wurde nichts angeboten, und er ſcheute ſich, etwas für ſie anzuſprechen. Bettelmelcher gab ihm noch genauere Anweiſung über den Pfarrer, der ihn trauen ſollte; er nannte ihm ſeinen Namen und beſchrieb ihm ſeine Wohnung ſo genau, daß er nicht fehlen konnte. Als das Paar ſich mit einander entfernt hatte, blickte ſich die Bande eine Zeit lang ſtillſchweigend an; dann ſagte der ſcheele Chri¬ ſtianus: Er iſt reif, und dir, Frau Schweſter, gratulir' ich zu der Eroberung. Laß du ihn zur Hochzeit und Copulation gehen, er hält's bei dem Bauernmenſch keine acht Tage mehr aus. Woher weißt du denn, daß ich ihn will? fragte ſeine jüngere Schweſter.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/408
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/408>, abgerufen am 22.11.2024.