Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

einer nach dem andern empfing seine dargereichte Hand zu einem kräf¬
tigen Druck.

Und ich, rief der Zigeuner, leiste hiemit Bürgschaft für ihn, daß
er sein Wort halten wird. Wenn das geschehen ist, wandte er sich
zu ihm, so bist du nicht weiter gebunden und es steht ganz in deinem
Belieben, ob du bei uns bleiben willst oder nicht. Auch sollst du dich
zu keinem Unternehmen verpflichtet haben, das nicht nach deinem
Sinn wäre.

Sie setzten sich wieder und zur Besiegelung des Gelübdes kreiste
noch einmal die Flasche mit der Neige aus dem Fäßchen, das nun
völlig auf dem Kopfe stand.

Den Pfarrer, von dem ich dir gesagt habe, vertraute nun Bettel¬
melcher dem Gaste, als er bemerkte, daß dieser ihn erwartungsvoll
ansah, den triffst du in Dinkeltheim bei Schwäbisch Hall.

Gut! Ich habe mit meinem Weib morgen einen Handel in Gmünd
zu machen, und von da wollen wir gleich den Stab weiter setzen.
So wie ich zurückkomme, steh' ich euch zu Diensten. Ob's ein Markt¬
gang ist oder ein Unternehmen, wo man das Fell einsetzt und die
Haar' davon fliegen, gilt mir gleich. Nur Eins beding' ich mir aus:
einem Unschuldigen will ich nichts zu Leid thun, aber gebt mir eine
Gelegenheit, daß ich dieser schnöden, falschen Welt mit ihrem Geiz und
Hochmuth, mit ihrer Unterdrückung und verlogenen Ehrbarkeit das
Herz aus ihrem eigennützigen Leib herausreißen kann -- und wenn's
den Kopf kostet, ihr sollt mich kennen lernen.

Bravo, Bruder Schwan! rief der Zigeuner. So denken wir auch!
Die Gelegenheit sollst du haben! rief Bettelmelcher. Meinst du,
du seiest allein unterdrückt? Ich könnte jetzt so gut Pfarrer sein, wie
der Pfaff, der dir die Copulation abgeschlagen hat, ich hatte schon ein
wenig zu studiren angefangen, da hat mich ein betrügerischer Vormund
um all mein Hab' und Gut gebracht.

Ich hab' auch noch mit einem Solchen abzurechnen! rief das halb¬
geworbene Mitglied der Bande.

Was sind Bedrückungen des Einzelnen gegen die Verfolgungen,
die mein ganzer Stamm erfahren hat! hob die alte Zigeunerin an.
Vor ein paar hundert Jahren sind unsre Vorfahren aus fernen Landen
weit im Osten durch Krieg und Noth in dieses Land gekommen, wo

einer nach dem andern empfing ſeine dargereichte Hand zu einem kräf¬
tigen Druck.

Und ich, rief der Zigeuner, leiſte hiemit Bürgſchaft für ihn, daß
er ſein Wort halten wird. Wenn das geſchehen iſt, wandte er ſich
zu ihm, ſo biſt du nicht weiter gebunden und es ſteht ganz in deinem
Belieben, ob du bei uns bleiben willſt oder nicht. Auch ſollſt du dich
zu keinem Unternehmen verpflichtet haben, das nicht nach deinem
Sinn wäre.

Sie ſetzten ſich wieder und zur Beſiegelung des Gelübdes kreiſte
noch einmal die Flaſche mit der Neige aus dem Fäßchen, das nun
völlig auf dem Kopfe ſtand.

Den Pfarrer, von dem ich dir geſagt habe, vertraute nun Bettel¬
melcher dem Gaſte, als er bemerkte, daß dieſer ihn erwartungsvoll
anſah, den triffſt du in Dinkeltheim bei Schwäbiſch Hall.

Gut! Ich habe mit meinem Weib morgen einen Handel in Gmünd
zu machen, und von da wollen wir gleich den Stab weiter ſetzen.
So wie ich zurückkomme, ſteh' ich euch zu Dienſten. Ob's ein Markt¬
gang iſt oder ein Unternehmen, wo man das Fell einſetzt und die
Haar' davon fliegen, gilt mir gleich. Nur Eins beding' ich mir aus:
einem Unſchuldigen will ich nichts zu Leid thun, aber gebt mir eine
Gelegenheit, daß ich dieſer ſchnöden, falſchen Welt mit ihrem Geiz und
Hochmuth, mit ihrer Unterdrückung und verlogenen Ehrbarkeit das
Herz aus ihrem eigennützigen Leib herausreißen kann — und wenn's
den Kopf koſtet, ihr ſollt mich kennen lernen.

Bravo, Bruder Schwan! rief der Zigeuner. So denken wir auch!
Die Gelegenheit ſollſt du haben! rief Bettelmelcher. Meinſt du,
du ſeieſt allein unterdrückt? Ich könnte jetzt ſo gut Pfarrer ſein, wie
der Pfaff, der dir die Copulation abgeſchlagen hat, ich hatte ſchon ein
wenig zu ſtudiren angefangen, da hat mich ein betrügeriſcher Vormund
um all mein Hab' und Gut gebracht.

Ich hab' auch noch mit einem Solchen abzurechnen! rief das halb¬
geworbene Mitglied der Bande.

Was ſind Bedrückungen des Einzelnen gegen die Verfolgungen,
die mein ganzer Stamm erfahren hat! hob die alte Zigeunerin an.
Vor ein paar hundert Jahren ſind unſre Vorfahren aus fernen Landen
weit im Oſten durch Krieg und Noth in dieſes Land gekommen, wo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0405" n="389"/>
einer nach dem andern empfing &#x017F;eine dargereichte Hand zu einem kräf¬<lb/>
tigen Druck.</p><lb/>
        <p>Und ich, rief der Zigeuner, lei&#x017F;te hiemit Bürg&#x017F;chaft für ihn, daß<lb/>
er &#x017F;ein Wort halten wird. Wenn das ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, wandte er &#x017F;ich<lb/>
zu ihm, &#x017F;o bi&#x017F;t du nicht weiter gebunden und es &#x017F;teht ganz in deinem<lb/>
Belieben, ob du bei uns bleiben will&#x017F;t oder nicht. Auch &#x017F;oll&#x017F;t du dich<lb/>
zu keinem Unternehmen verpflichtet haben, das nicht nach deinem<lb/>
Sinn wäre.</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;etzten &#x017F;ich wieder und zur Be&#x017F;iegelung des Gelübdes krei&#x017F;te<lb/>
noch einmal die Fla&#x017F;che mit der Neige aus dem Fäßchen, das nun<lb/>
völlig auf dem Kopfe &#x017F;tand.</p><lb/>
        <p>Den Pfarrer, von dem ich dir ge&#x017F;agt habe, vertraute nun Bettel¬<lb/>
melcher dem Ga&#x017F;te, als er bemerkte, daß die&#x017F;er ihn erwartungsvoll<lb/>
an&#x017F;ah, den triff&#x017F;t du in Dinkeltheim bei Schwäbi&#x017F;ch Hall.</p><lb/>
        <p>Gut! Ich habe mit meinem Weib morgen einen Handel in Gmünd<lb/>
zu machen, und von da wollen wir gleich den Stab weiter &#x017F;etzen.<lb/>
So wie ich zurückkomme, &#x017F;teh' ich euch zu Dien&#x017F;ten. Ob's ein Markt¬<lb/>
gang i&#x017F;t oder ein Unternehmen, wo man das Fell ein&#x017F;etzt und die<lb/>
Haar' davon fliegen, gilt mir gleich. Nur Eins beding' ich mir aus:<lb/>
einem Un&#x017F;chuldigen will ich nichts zu Leid thun, aber gebt mir eine<lb/>
Gelegenheit, daß ich die&#x017F;er &#x017F;chnöden, fal&#x017F;chen Welt mit ihrem Geiz und<lb/>
Hochmuth, mit ihrer Unterdrückung und verlogenen Ehrbarkeit das<lb/>
Herz aus ihrem eigennützigen Leib herausreißen kann &#x2014; und wenn's<lb/>
den Kopf ko&#x017F;tet, ihr &#x017F;ollt mich kennen lernen.</p><lb/>
        <p>Bravo, Bruder Schwan! rief der Zigeuner. So denken wir auch!<lb/>
Die Gelegenheit &#x017F;oll&#x017F;t du haben! rief Bettelmelcher. Mein&#x017F;t du,<lb/>
du &#x017F;eie&#x017F;t allein unterdrückt? Ich könnte jetzt &#x017F;o gut Pfarrer &#x017F;ein, wie<lb/>
der Pfaff, der dir die Copulation abge&#x017F;chlagen hat, ich hatte &#x017F;chon ein<lb/>
wenig zu &#x017F;tudiren angefangen, da hat mich ein betrügeri&#x017F;cher Vormund<lb/>
um all mein Hab' und Gut gebracht.</p><lb/>
        <p>Ich hab' auch noch mit einem Solchen abzurechnen! rief das halb¬<lb/>
geworbene Mitglied der Bande.</p><lb/>
        <p>Was &#x017F;ind Bedrückungen des Einzelnen gegen die Verfolgungen,<lb/>
die mein ganzer Stamm erfahren hat! hob die alte Zigeunerin an.<lb/>
Vor ein paar hundert Jahren &#x017F;ind un&#x017F;re Vorfahren aus fernen Landen<lb/>
weit im O&#x017F;ten durch Krieg und Noth in die&#x017F;es Land gekommen, wo<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[389/0405] einer nach dem andern empfing ſeine dargereichte Hand zu einem kräf¬ tigen Druck. Und ich, rief der Zigeuner, leiſte hiemit Bürgſchaft für ihn, daß er ſein Wort halten wird. Wenn das geſchehen iſt, wandte er ſich zu ihm, ſo biſt du nicht weiter gebunden und es ſteht ganz in deinem Belieben, ob du bei uns bleiben willſt oder nicht. Auch ſollſt du dich zu keinem Unternehmen verpflichtet haben, das nicht nach deinem Sinn wäre. Sie ſetzten ſich wieder und zur Beſiegelung des Gelübdes kreiſte noch einmal die Flaſche mit der Neige aus dem Fäßchen, das nun völlig auf dem Kopfe ſtand. Den Pfarrer, von dem ich dir geſagt habe, vertraute nun Bettel¬ melcher dem Gaſte, als er bemerkte, daß dieſer ihn erwartungsvoll anſah, den triffſt du in Dinkeltheim bei Schwäbiſch Hall. Gut! Ich habe mit meinem Weib morgen einen Handel in Gmünd zu machen, und von da wollen wir gleich den Stab weiter ſetzen. So wie ich zurückkomme, ſteh' ich euch zu Dienſten. Ob's ein Markt¬ gang iſt oder ein Unternehmen, wo man das Fell einſetzt und die Haar' davon fliegen, gilt mir gleich. Nur Eins beding' ich mir aus: einem Unſchuldigen will ich nichts zu Leid thun, aber gebt mir eine Gelegenheit, daß ich dieſer ſchnöden, falſchen Welt mit ihrem Geiz und Hochmuth, mit ihrer Unterdrückung und verlogenen Ehrbarkeit das Herz aus ihrem eigennützigen Leib herausreißen kann — und wenn's den Kopf koſtet, ihr ſollt mich kennen lernen. Bravo, Bruder Schwan! rief der Zigeuner. So denken wir auch! Die Gelegenheit ſollſt du haben! rief Bettelmelcher. Meinſt du, du ſeieſt allein unterdrückt? Ich könnte jetzt ſo gut Pfarrer ſein, wie der Pfaff, der dir die Copulation abgeſchlagen hat, ich hatte ſchon ein wenig zu ſtudiren angefangen, da hat mich ein betrügeriſcher Vormund um all mein Hab' und Gut gebracht. Ich hab' auch noch mit einem Solchen abzurechnen! rief das halb¬ geworbene Mitglied der Bande. Was ſind Bedrückungen des Einzelnen gegen die Verfolgungen, die mein ganzer Stamm erfahren hat! hob die alte Zigeunerin an. Vor ein paar hundert Jahren ſind unſre Vorfahren aus fernen Landen weit im Oſten durch Krieg und Noth in dieſes Land gekommen, wo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/405
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/405>, abgerufen am 22.11.2024.