fragte Bettelmelcher, als die Gesellschaft wieder vertraulich, wie nach einer überstandenen Störung, beisammen saß.
Nein, antwortete der Gast und erzählte ausführlicher als vorhin die Geschichte seiner vergeblichen Bemühungen um den kirchlichen und hiemit zugleich bürgerlichen Segen für sein eheliches Band.
Dafür weiß ich Rath, sagte sein neuer Freund: wenn's dir immer noch darum zu thun ist, so kann ich dir einen Pfarrer angeben, der dich um Geld und gute Worte ohne Anstand copulirt. Er ist ein Schulkamerad von mir, du brauchst ihm nur einen Gruß von mir zu sagen.
Wo ist er? rief der Gast voll Feuer und Flamme. Das Wort hatte bei ihm eingeschlagen wie ein Blitz, und über der Aussicht auf ein Ziel, dem er so lange umsonst nachgejagt, auf die Möglichkeit, dem ganzen Flecken Ebersbach nebst Pfarrer und Amtmann zum Trotz den Eid zu halten, wegen dessen er einst vom Kirchenconvent gestraft worden war, und seine Heirath zu vollziehen, über dieser Aus¬ sicht vergaß er alle Reize, die ihn zum Eintritt in eine neue Welt lockten und die unscheinbar gewordene erste Liebe verdunkelten. Wo ist der Pfarrer, Bruder? fragte er wiederholt den Freund, der durch ein so nahes Verhältniß zu einem Manne von ehrwürdiger Stellung in seinen Augen nicht wenig gestiegen war.
Wurst wider Wurst! antwortete Bettelmelcher, den der Zigeuner still angesehen hatte, mit schlauem Lächeln. Wenn du einmal der Unsrige bist, so hab' ich kein Geheimniß mehr vor dir.
Nein! rief der Zigeuner mit dem Tone der Billigkeit: man muß einem Menschen nicht Hände und Füße binden. Wir sind freie Leute, und wenn er zu uns treten will, so soll es sein eigner freier Wille sein. Du mußt deinen Preis annehmlicher stellen.
Wohlan also, sagte Bettelmelcher nach einem verstohlenen Blick auf Christinen, die wirklich schlief, wenn du uns zu der ersten größeren Unternehmung, die wir ausführen, deinen Kopf und deinen Arm ver¬ sprichst, so kannst du über meine Zunge verfügen. Mehr verlang' ich nicht.
Es gilt! rief der Gast aufspringend: hier ist mein Wort und meine Hand!
Die drei andern Männer sprangen ebenfalls auf die Beine und
fragte Bettelmelcher, als die Geſellſchaft wieder vertraulich, wie nach einer überſtandenen Störung, beiſammen ſaß.
Nein, antwortete der Gaſt und erzählte ausführlicher als vorhin die Geſchichte ſeiner vergeblichen Bemühungen um den kirchlichen und hiemit zugleich bürgerlichen Segen für ſein eheliches Band.
Dafür weiß ich Rath, ſagte ſein neuer Freund: wenn's dir immer noch darum zu thun iſt, ſo kann ich dir einen Pfarrer angeben, der dich um Geld und gute Worte ohne Anſtand copulirt. Er iſt ein Schulkamerad von mir, du brauchſt ihm nur einen Gruß von mir zu ſagen.
Wo iſt er? rief der Gaſt voll Feuer und Flamme. Das Wort hatte bei ihm eingeſchlagen wie ein Blitz, und über der Ausſicht auf ein Ziel, dem er ſo lange umſonſt nachgejagt, auf die Möglichkeit, dem ganzen Flecken Ebersbach nebſt Pfarrer und Amtmann zum Trotz den Eid zu halten, wegen deſſen er einſt vom Kirchenconvent geſtraft worden war, und ſeine Heirath zu vollziehen, über dieſer Aus¬ ſicht vergaß er alle Reize, die ihn zum Eintritt in eine neue Welt lockten und die unſcheinbar gewordene erſte Liebe verdunkelten. Wo iſt der Pfarrer, Bruder? fragte er wiederholt den Freund, der durch ein ſo nahes Verhältniß zu einem Manne von ehrwürdiger Stellung in ſeinen Augen nicht wenig geſtiegen war.
Wurſt wider Wurſt! antwortete Bettelmelcher, den der Zigeuner ſtill angeſehen hatte, mit ſchlauem Lächeln. Wenn du einmal der Unſrige biſt, ſo hab' ich kein Geheimniß mehr vor dir.
Nein! rief der Zigeuner mit dem Tone der Billigkeit: man muß einem Menſchen nicht Hände und Füße binden. Wir ſind freie Leute, und wenn er zu uns treten will, ſo ſoll es ſein eigner freier Wille ſein. Du mußt deinen Preis annehmlicher ſtellen.
Wohlan alſo, ſagte Bettelmelcher nach einem verſtohlenen Blick auf Chriſtinen, die wirklich ſchlief, wenn du uns zu der erſten größeren Unternehmung, die wir ausführen, deinen Kopf und deinen Arm ver¬ ſprichſt, ſo kannſt du über meine Zunge verfügen. Mehr verlang' ich nicht.
Es gilt! rief der Gaſt aufſpringend: hier iſt mein Wort und meine Hand!
Die drei andern Männer ſprangen ebenfalls auf die Beine und
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fragte Bettelmelcher, als die Geſellſchaft wieder vertraulich, wie nach
einer überſtandenen Störung, beiſammen ſaß.
Nein, antwortete der Gaſt und erzählte ausführlicher als vorhin
die Geſchichte ſeiner vergeblichen Bemühungen um den kirchlichen und
hiemit zugleich bürgerlichen Segen für ſein eheliches Band.
Dafür weiß ich Rath, ſagte ſein neuer Freund: wenn's dir immer
noch darum zu thun iſt, ſo kann ich dir einen Pfarrer angeben, der
dich um Geld und gute Worte ohne Anſtand copulirt. Er iſt ein
Schulkamerad von mir, du brauchſt ihm nur einen Gruß von mir
zu ſagen.
Wo iſt er? rief der Gaſt voll Feuer und Flamme. Das Wort
hatte bei ihm eingeſchlagen wie ein Blitz, und über der Ausſicht auf
ein Ziel, dem er ſo lange umſonſt nachgejagt, auf die Möglichkeit,
dem ganzen Flecken Ebersbach nebſt Pfarrer und Amtmann zum
Trotz den Eid zu halten, wegen deſſen er einſt vom Kirchenconvent
geſtraft worden war, und ſeine Heirath zu vollziehen, über dieſer Aus¬
ſicht vergaß er alle Reize, die ihn zum Eintritt in eine neue Welt
lockten und die unſcheinbar gewordene erſte Liebe verdunkelten. Wo iſt
der Pfarrer, Bruder? fragte er wiederholt den Freund, der durch ein
ſo nahes Verhältniß zu einem Manne von ehrwürdiger Stellung in
ſeinen Augen nicht wenig geſtiegen war.
Wurſt wider Wurſt! antwortete Bettelmelcher, den der Zigeuner
ſtill angeſehen hatte, mit ſchlauem Lächeln. Wenn du einmal der
Unſrige biſt, ſo hab' ich kein Geheimniß mehr vor dir.
Nein! rief der Zigeuner mit dem Tone der Billigkeit: man muß
einem Menſchen nicht Hände und Füße binden. Wir ſind freie Leute,
und wenn er zu uns treten will, ſo ſoll es ſein eigner freier Wille
ſein. Du mußt deinen Preis annehmlicher ſtellen.
Wohlan alſo, ſagte Bettelmelcher nach einem verſtohlenen Blick auf
Chriſtinen, die wirklich ſchlief, wenn du uns zu der erſten größeren
Unternehmung, die wir ausführen, deinen Kopf und deinen Arm ver¬
ſprichſt, ſo kannſt du über meine Zunge verfügen. Mehr verlang'
ich nicht.
Es gilt! rief der Gaſt aufſpringend: hier iſt mein Wort und
meine Hand!
Die drei andern Männer ſprangen ebenfalls auf die Beine und
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/404>, abgerufen am 22.11.2024.
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