wenn du eine Andere wählst. Ich hab' dir's ja schon früher gesagt: in Bickesheim bei Rastatt, am großen Wallfahrts- und Jahrmarkts¬ tage, da kannst du Alles beisammen finden, was zu unserer Ver¬ wandtschaft gehört, und noch viel Andere mehr, den Hannobel, den Josephle, den Tonele, den Frischholz, die Bebe, das Suphile, die Lisa, den Leopold, den Baron Stihl, den Buchdrucker und seine Hammel¬ schwänzin, den Peter Paul, den Jägerkasperle, fast Alle mit Familie und Mädels genug. Da hast du eine große Auswahl, und welche dir gefällt, die muß uns recht sein. Ich kann dir aber voraussagen, daß dir außer meinen beiden Schwestern höchstens noch die Lisa ge¬ fallen wird, denn diese Drei gelten bei Freund und Feind für die drei größten Schönheiten zwischen Rhein und Donau. Die Marianna ist die vierte und sticht vielleicht alle Drei aus, aber die läßt von ihrem Herzblatt nicht. Die Lisa hat zwar einen Mann, dem sie aber längst wegen seiner Schneidercourage den Laufpaß gegeben hat. Er ist ein Landsmann von dir, aus dem Maulbronner Oberamt gebürtig, und bei uns unter dem Namen Schneidermichel bekannt. Den kenn' ich von Ludwigsburg her, sagte der Gast. Ja, sie haben ihn um etlicher Calamitäten willen in's Zuchthaus gesteckt und seitdem, wie ich höre, unter ein Grenadierbataillon gestoßen. Die Mädchen lachten.
Der wird eine schöne Figur machen, sagte die Jüngere. Er hat freilich weder das Pulver erfunden, noch wird er's gern riechen, bemerkte der Gast. Uebrigens ist er sonst ein guter Kerl.
Die Aeltere begann über die abwesende Lisa, in der sie eine Mit¬ bewerberin fürchten mochte, hämische Aeußerungen auszustoßen, die aber von der Jüngeren kräftig abgewehrt wurden. Dieser trat auch die Mutter bei und erklärte mit Lebhaftigkeit, die Geschmähte sei ihre Schwestertochter, sie habe sie so lieb wie ihre eigenen Kinder, und wünsche sie so gut wie diese mit einem wackern Manne, wie Herr Schwan, versorgt zu wissen.
Das ist brav, sich der Abwesenden anzunehmen! sagte dieser, in¬ dem er seiner jüngeren Nachbarin auf den Nacken klopfte, wobei er sich beredete, daß er die viele Freundlichkeit, die ihm in Worten und Werken erzeigt werde, doch auch in irgend einer Weise erwidern müsse. Die Zigeunerin aber schien nicht mit dieser Art der Erwiderung
wenn du eine Andere wählſt. Ich hab' dir's ja ſchon früher geſagt: in Bickesheim bei Raſtatt, am großen Wallfahrts- und Jahrmarkts¬ tage, da kannſt du Alles beiſammen finden, was zu unſerer Ver¬ wandtſchaft gehört, und noch viel Andere mehr, den Hannobel, den Joſephle, den Tonele, den Friſchholz, die Bebe, das Suphile, die Liſa, den Leopold, den Baron Stihl, den Buchdrucker und ſeine Hammel¬ ſchwänzin, den Peter Paul, den Jägerkaſperle, faſt Alle mit Familie und Mädels genug. Da haſt du eine große Auswahl, und welche dir gefällt, die muß uns recht ſein. Ich kann dir aber vorausſagen, daß dir außer meinen beiden Schweſtern höchſtens noch die Liſa ge¬ fallen wird, denn dieſe Drei gelten bei Freund und Feind für die drei größten Schönheiten zwiſchen Rhein und Donau. Die Marianna iſt die vierte und ſticht vielleicht alle Drei aus, aber die läßt von ihrem Herzblatt nicht. Die Liſa hat zwar einen Mann, dem ſie aber längſt wegen ſeiner Schneidercourage den Laufpaß gegeben hat. Er iſt ein Landsmann von dir, aus dem Maulbronner Oberamt gebürtig, und bei uns unter dem Namen Schneidermichel bekannt. Den kenn' ich von Ludwigsburg her, ſagte der Gaſt. Ja, ſie haben ihn um etlicher Calamitäten willen in's Zuchthaus geſteckt und ſeitdem, wie ich höre, unter ein Grenadierbataillon geſtoßen. Die Mädchen lachten.
Der wird eine ſchöne Figur machen, ſagte die Jüngere. Er hat freilich weder das Pulver erfunden, noch wird er's gern riechen, bemerkte der Gaſt. Uebrigens iſt er ſonſt ein guter Kerl.
Die Aeltere begann über die abweſende Liſa, in der ſie eine Mit¬ bewerberin fürchten mochte, hämiſche Aeußerungen auszuſtoßen, die aber von der Jüngeren kräftig abgewehrt wurden. Dieſer trat auch die Mutter bei und erklärte mit Lebhaftigkeit, die Geſchmähte ſei ihre Schweſtertochter, ſie habe ſie ſo lieb wie ihre eigenen Kinder, und wünſche ſie ſo gut wie dieſe mit einem wackern Manne, wie Herr Schwan, verſorgt zu wiſſen.
Das iſt brav, ſich der Abweſenden anzunehmen! ſagte dieſer, in¬ dem er ſeiner jüngeren Nachbarin auf den Nacken klopfte, wobei er ſich beredete, daß er die viele Freundlichkeit, die ihm in Worten und Werken erzeigt werde, doch auch in irgend einer Weiſe erwidern müſſe. Die Zigeunerin aber ſchien nicht mit dieſer Art der Erwiderung
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wenn du eine Andere wählſt. Ich hab' dir's ja ſchon früher geſagt:
in Bickesheim bei Raſtatt, am großen Wallfahrts- und Jahrmarkts¬
tage, da kannſt du Alles beiſammen finden, was zu unſerer Ver¬
wandtſchaft gehört, und noch viel Andere mehr, den Hannobel, den
Joſephle, den Tonele, den Friſchholz, die Bebe, das Suphile, die Liſa,
den Leopold, den Baron Stihl, den Buchdrucker und ſeine Hammel¬
ſchwänzin, den Peter Paul, den Jägerkaſperle, faſt Alle mit Familie
und Mädels genug. Da haſt du eine große Auswahl, und welche
dir gefällt, die muß uns recht ſein. Ich kann dir aber vorausſagen,
daß dir außer meinen beiden Schweſtern höchſtens noch die Liſa ge¬
fallen wird, denn dieſe Drei gelten bei Freund und Feind für die drei
größten Schönheiten zwiſchen Rhein und Donau. Die Marianna iſt
die vierte und ſticht vielleicht alle Drei aus, aber die läßt von ihrem
Herzblatt nicht. Die Liſa hat zwar einen Mann, dem ſie aber längſt
wegen ſeiner Schneidercourage den Laufpaß gegeben hat. Er iſt ein
Landsmann von dir, aus dem Maulbronner Oberamt gebürtig, und
bei uns unter dem Namen Schneidermichel bekannt.
Den kenn' ich von Ludwigsburg her, ſagte der Gaſt.
Ja, ſie haben ihn um etlicher Calamitäten willen in's Zuchthaus
geſteckt und ſeitdem, wie ich höre, unter ein Grenadierbataillon geſtoßen.
Die Mädchen lachten.
Der wird eine ſchöne Figur machen, ſagte die Jüngere.
Er hat freilich weder das Pulver erfunden, noch wird er's gern
riechen, bemerkte der Gaſt. Uebrigens iſt er ſonſt ein guter Kerl.
Die Aeltere begann über die abweſende Liſa, in der ſie eine Mit¬
bewerberin fürchten mochte, hämiſche Aeußerungen auszuſtoßen, die
aber von der Jüngeren kräftig abgewehrt wurden. Dieſer trat auch
die Mutter bei und erklärte mit Lebhaftigkeit, die Geſchmähte ſei ihre
Schweſtertochter, ſie habe ſie ſo lieb wie ihre eigenen Kinder, und
wünſche ſie ſo gut wie dieſe mit einem wackern Manne, wie Herr
Schwan, verſorgt zu wiſſen.
Das iſt brav, ſich der Abweſenden anzunehmen! ſagte dieſer, in¬
dem er ſeiner jüngeren Nachbarin auf den Nacken klopfte, wobei er
ſich beredete, daß er die viele Freundlichkeit, die ihm in Worten und
Werken erzeigt werde, doch auch in irgend einer Weiſe erwidern müſſe.
Die Zigeunerin aber ſchien nicht mit dieſer Art der Erwiderung
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/400>, abgerufen am 25.11.2024.
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