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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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nirgends ein ähnliches existirt, und die Sache wär' wohl der Nach¬
ahmung werth. Sie müssen einen unbegreiflichen Profit davon haben,
denn sie zahlen nicht bloß nobel aus, sondern wenn ein Unternehmen
mißglückt, so fallen alle Kosten auf sie allein. Und doch haben sie
immer Geld genug, tragen goldene Uhren, gehen im feinsten Tuch
proper gekleidet, und die vornehmsten Juden halten es mit ihnen.
Wollen wir's nicht auch einmal probiren? setzte er lächelnd gegen den
Gast hinzu.

Da wird's für einen Anfänger nöthig sein, sich ein hebräisches
Wörterbuch anzuschaffen, bemerkte die alte Zigeunerin mit wohlmei¬
nendem Tone gegen denselben, denn das Jenische reicht bei ihnen nicht
ganz aus, sie mischen mehr hebräische Wörter darunter. Uebrigens,
wendete sie sich gegen ihren Sohn, sehe ich nicht ein, warum man den
Juden in ihren Sack arbeiten soll. Und wie lang werden sie's noch
mit ihren Gewaltthaten treiben? Ich bin überhaupt nicht für diese
Art von Arbeit. Diese Einbrüche machen einen großen Lärm weit
umher, verderben das Terrain, mißlingen oft und tragen im besten
Fall nicht viel ein, weil der Gewinn in zu viele Theile geht. Ich
lobe mir die stillen sichern Marktunternehmungen, wie sie in unsrer
Familie bisher gebräuchlich gewesen sind. Kennt unser Gast die Fuhre?
Ich denke, wir dürfen ihn als einen Kochum, das heißt, wenigstens
als einen vertrauten Mann betrachten?

Ich bürge für ihn, rief ihr Sohn, während der Gast erwiderte,
daß die Fuhre ihm bis jetzt ein unbekanntes Wesen sei.

Die Fuhre, belehrte ihn die alte Zigeunerin, ist eine zweckmäßige
Kleidung für den Marktgang --

Ja, sie gehört eigentlich in's Gebiet der Moden, unterbrach Bettel¬
melcher lachend.

Richtig, und ist eine sehr sinnreiche Mode --

Für die Weiber, sagte Schwamenjackel. Die jungen Leute lachten
zusammen.

Für die Weiber, fuhr die Alte geduldig fort, indem sie jedoch zu¬
gleich einen stechenden Blick nach dem Unterbrecher sendete. Ober-
und Unterkleid, welche sehr weit und faltig sind, werden am untern
Saume rings mit einem Faden zusammengezogen, der innen auf bei¬
den Seiten bis zu den hohlen Taschenöffnungen heraufgeht. Auf diese

nirgends ein ähnliches exiſtirt, und die Sache wär' wohl der Nach¬
ahmung werth. Sie müſſen einen unbegreiflichen Profit davon haben,
denn ſie zahlen nicht bloß nobel aus, ſondern wenn ein Unternehmen
mißglückt, ſo fallen alle Koſten auf ſie allein. Und doch haben ſie
immer Geld genug, tragen goldene Uhren, gehen im feinſten Tuch
proper gekleidet, und die vornehmſten Juden halten es mit ihnen.
Wollen wir's nicht auch einmal probiren? ſetzte er lächelnd gegen den
Gaſt hinzu.

Da wird's für einen Anfänger nöthig ſein, ſich ein hebräiſches
Wörterbuch anzuſchaffen, bemerkte die alte Zigeunerin mit wohlmei¬
nendem Tone gegen denſelben, denn das Jeniſche reicht bei ihnen nicht
ganz aus, ſie miſchen mehr hebräiſche Wörter darunter. Uebrigens,
wendete ſie ſich gegen ihren Sohn, ſehe ich nicht ein, warum man den
Juden in ihren Sack arbeiten ſoll. Und wie lang werden ſie's noch
mit ihren Gewaltthaten treiben? Ich bin überhaupt nicht für dieſe
Art von Arbeit. Dieſe Einbrüche machen einen großen Lärm weit
umher, verderben das Terrain, mißlingen oft und tragen im beſten
Fall nicht viel ein, weil der Gewinn in zu viele Theile geht. Ich
lobe mir die ſtillen ſichern Marktunternehmungen, wie ſie in unſrer
Familie bisher gebräuchlich geweſen ſind. Kennt unſer Gaſt die Fuhre?
Ich denke, wir dürfen ihn als einen Kochum, das heißt, wenigſtens
als einen vertrauten Mann betrachten?

Ich bürge für ihn, rief ihr Sohn, während der Gaſt erwiderte,
daß die Fuhre ihm bis jetzt ein unbekanntes Weſen ſei.

Die Fuhre, belehrte ihn die alte Zigeunerin, iſt eine zweckmäßige
Kleidung für den Marktgang —

Ja, ſie gehört eigentlich in's Gebiet der Moden, unterbrach Bettel¬
melcher lachend.

Richtig, und iſt eine ſehr ſinnreiche Mode —

Für die Weiber, ſagte Schwamenjackel. Die jungen Leute lachten
zuſammen.

Für die Weiber, fuhr die Alte geduldig fort, indem ſie jedoch zu¬
gleich einen ſtechenden Blick nach dem Unterbrecher ſendete. Ober-
und Unterkleid, welche ſehr weit und faltig ſind, werden am untern
Saume rings mit einem Faden zuſammengezogen, der innen auf bei¬
den Seiten bis zu den hohlen Taſchenöffnungen heraufgeht. Auf dieſe

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[376/0392] nirgends ein ähnliches exiſtirt, und die Sache wär' wohl der Nach¬ ahmung werth. Sie müſſen einen unbegreiflichen Profit davon haben, denn ſie zahlen nicht bloß nobel aus, ſondern wenn ein Unternehmen mißglückt, ſo fallen alle Koſten auf ſie allein. Und doch haben ſie immer Geld genug, tragen goldene Uhren, gehen im feinſten Tuch proper gekleidet, und die vornehmſten Juden halten es mit ihnen. Wollen wir's nicht auch einmal probiren? ſetzte er lächelnd gegen den Gaſt hinzu. Da wird's für einen Anfänger nöthig ſein, ſich ein hebräiſches Wörterbuch anzuſchaffen, bemerkte die alte Zigeunerin mit wohlmei¬ nendem Tone gegen denſelben, denn das Jeniſche reicht bei ihnen nicht ganz aus, ſie miſchen mehr hebräiſche Wörter darunter. Uebrigens, wendete ſie ſich gegen ihren Sohn, ſehe ich nicht ein, warum man den Juden in ihren Sack arbeiten ſoll. Und wie lang werden ſie's noch mit ihren Gewaltthaten treiben? Ich bin überhaupt nicht für dieſe Art von Arbeit. Dieſe Einbrüche machen einen großen Lärm weit umher, verderben das Terrain, mißlingen oft und tragen im beſten Fall nicht viel ein, weil der Gewinn in zu viele Theile geht. Ich lobe mir die ſtillen ſichern Marktunternehmungen, wie ſie in unſrer Familie bisher gebräuchlich geweſen ſind. Kennt unſer Gaſt die Fuhre? Ich denke, wir dürfen ihn als einen Kochum, das heißt, wenigſtens als einen vertrauten Mann betrachten? Ich bürge für ihn, rief ihr Sohn, während der Gaſt erwiderte, daß die Fuhre ihm bis jetzt ein unbekanntes Weſen ſei. Die Fuhre, belehrte ihn die alte Zigeunerin, iſt eine zweckmäßige Kleidung für den Marktgang — Ja, ſie gehört eigentlich in's Gebiet der Moden, unterbrach Bettel¬ melcher lachend. Richtig, und iſt eine ſehr ſinnreiche Mode — Für die Weiber, ſagte Schwamenjackel. Die jungen Leute lachten zuſammen. Für die Weiber, fuhr die Alte geduldig fort, indem ſie jedoch zu¬ gleich einen ſtechenden Blick nach dem Unterbrecher ſendete. Ober- und Unterkleid, welche ſehr weit und faltig ſind, werden am untern Saume rings mit einem Faden zuſammengezogen, der innen auf bei¬ den Seiten bis zu den hohlen Taſchenöffnungen heraufgeht. Auf dieſe

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/392>, abgerufen am 26.11.2024.