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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Waldoberer ausgeschickt, der die Gelegenheit auskundschaftet und dafür
seine besondere Belohnung erhält. Der kauft dann etwa einem Bauern
ein paar Ochsen ab und sieht wo er das Geld hinthut, damit man's
wieder holen kann und weiteres dazu. Dann schickt der Lieutenant
seine Knechte aus und läßt seine Leute von Ort zu Ort -- bei den
Judenschulen trifft man sie am sichersten -- auf einen Sammelplatz
zusammenbieten, reicht ihnen auch, bis die Sache ausgeführt ist, was
oft acht Tage und darüber ansteht, Allen ihr regelmäßiges Taggeld
nebst Unterhalt, und wenn das Unternehmen gut ausfällt, noch oben¬
drein Jedem seine Portion. Nach der Vertheilung der Beute stellt er
sie in einen Kreis, liest die Namen ab und heißt sie dann einzeln auf
verschiedenen Wegen sich fortmachen, nicht trinken, nicht spielen, bloß
bei den Juden über Nacht bleiben und still zu Hause warten bis er
sie auf einen andern Koch zusammenberufen werde. Bei dem Unter¬
nehmen müssen sie streng Ordre pariren, und es wird nicht Jeder an¬
genommen, sondern scharfe Auswahl gehalten. Der Jägerkasperle --
du wirst ihn kennen lernen, wir erwarten ihn täglich hier -- der hat
einmal mitgehen wollen, aber der Lieutenant Löw hat ihn bei der
Musterung von oben herab angesehen und gesagt, was man denn mit
dem kleinen schlechten Kerl thun wolle, es seien ohnehin Leute genug
da, man solle ihm etwas geben und ihn fortweisen. Darauf hat ihm
ein Unterbefehlshaber einen Gulden geschenkt; der Kleine ist heut noch
wild darüber.

Das war auch nicht recht, bemerkte Bettelmelcher, denn der Jäger¬
kasperle ist zwar nicht groß, aber ein solch rahner, flüchtiger, gewandter
Bursch, daß er's mit dem Teufel aufnimmt, freilich mehr in List als
Gewalt. Er lobt besonders den Welzheimer Markt. Ich freue mich
sehr auf den lustigen Bürsten- und Kehrwischhändler, der sich die
Leute durch so hohe Preise vom Leib zu halten versteht, daß ihm ge¬
wiß Niemand seinen nöthigen Vorrath abnehmen wird. Auch auf
sein kleines sauberes Frauele freu' ich mich: sie ist eine treffliche Be¬
mutter und wird nicht leicht eine so geschickt einen Beutel wegzu¬
stipitzen wissen.

Ja wohl, sagte der Zigeuner. Diese Juden, fuhr er in seiner
unterbrochenen Rede fort, sind ganz verfluchte Kerls. Sie haben ein
Regiment und Staat errichtet, dergleichen zwischen Rhein und Donau

Waldoberer ausgeſchickt, der die Gelegenheit auskundſchaftet und dafür
ſeine beſondere Belohnung erhält. Der kauft dann etwa einem Bauern
ein paar Ochſen ab und ſieht wo er das Geld hinthut, damit man's
wieder holen kann und weiteres dazu. Dann ſchickt der Lieutenant
ſeine Knechte aus und läßt ſeine Leute von Ort zu Ort — bei den
Judenſchulen trifft man ſie am ſicherſten — auf einen Sammelplatz
zuſammenbieten, reicht ihnen auch, bis die Sache ausgeführt iſt, was
oft acht Tage und darüber anſteht, Allen ihr regelmäßiges Taggeld
nebſt Unterhalt, und wenn das Unternehmen gut ausfällt, noch oben¬
drein Jedem ſeine Portion. Nach der Vertheilung der Beute ſtellt er
ſie in einen Kreis, lieſt die Namen ab und heißt ſie dann einzeln auf
verſchiedenen Wegen ſich fortmachen, nicht trinken, nicht ſpielen, bloß
bei den Juden über Nacht bleiben und ſtill zu Hauſe warten bis er
ſie auf einen andern Koch zuſammenberufen werde. Bei dem Unter¬
nehmen müſſen ſie ſtreng Ordre pariren, und es wird nicht Jeder an¬
genommen, ſondern ſcharfe Auswahl gehalten. Der Jägerkaſperle —
du wirſt ihn kennen lernen, wir erwarten ihn täglich hier — der hat
einmal mitgehen wollen, aber der Lieutenant Löw hat ihn bei der
Muſterung von oben herab angeſehen und geſagt, was man denn mit
dem kleinen ſchlechten Kerl thun wolle, es ſeien ohnehin Leute genug
da, man ſolle ihm etwas geben und ihn fortweiſen. Darauf hat ihm
ein Unterbefehlshaber einen Gulden geſchenkt; der Kleine iſt heut noch
wild darüber.

Das war auch nicht recht, bemerkte Bettelmelcher, denn der Jäger¬
kaſperle iſt zwar nicht groß, aber ein ſolch rahner, flüchtiger, gewandter
Burſch, daß er's mit dem Teufel aufnimmt, freilich mehr in Liſt als
Gewalt. Er lobt beſonders den Welzheimer Markt. Ich freue mich
ſehr auf den luſtigen Bürſten- und Kehrwiſchhändler, der ſich die
Leute durch ſo hohe Preiſe vom Leib zu halten verſteht, daß ihm ge¬
wiß Niemand ſeinen nöthigen Vorrath abnehmen wird. Auch auf
ſein kleines ſauberes Frauele freu' ich mich: ſie iſt eine treffliche Be¬
mutter und wird nicht leicht eine ſo geſchickt einen Beutel wegzu¬
ſtipitzen wiſſen.

Ja wohl, ſagte der Zigeuner. Dieſe Juden, fuhr er in ſeiner
unterbrochenen Rede fort, ſind ganz verfluchte Kerls. Sie haben ein
Regiment und Staat errichtet, dergleichen zwiſchen Rhein und Donau

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[375/0391] Waldoberer ausgeſchickt, der die Gelegenheit auskundſchaftet und dafür ſeine beſondere Belohnung erhält. Der kauft dann etwa einem Bauern ein paar Ochſen ab und ſieht wo er das Geld hinthut, damit man's wieder holen kann und weiteres dazu. Dann ſchickt der Lieutenant ſeine Knechte aus und läßt ſeine Leute von Ort zu Ort — bei den Judenſchulen trifft man ſie am ſicherſten — auf einen Sammelplatz zuſammenbieten, reicht ihnen auch, bis die Sache ausgeführt iſt, was oft acht Tage und darüber anſteht, Allen ihr regelmäßiges Taggeld nebſt Unterhalt, und wenn das Unternehmen gut ausfällt, noch oben¬ drein Jedem ſeine Portion. Nach der Vertheilung der Beute ſtellt er ſie in einen Kreis, lieſt die Namen ab und heißt ſie dann einzeln auf verſchiedenen Wegen ſich fortmachen, nicht trinken, nicht ſpielen, bloß bei den Juden über Nacht bleiben und ſtill zu Hauſe warten bis er ſie auf einen andern Koch zuſammenberufen werde. Bei dem Unter¬ nehmen müſſen ſie ſtreng Ordre pariren, und es wird nicht Jeder an¬ genommen, ſondern ſcharfe Auswahl gehalten. Der Jägerkaſperle — du wirſt ihn kennen lernen, wir erwarten ihn täglich hier — der hat einmal mitgehen wollen, aber der Lieutenant Löw hat ihn bei der Muſterung von oben herab angeſehen und geſagt, was man denn mit dem kleinen ſchlechten Kerl thun wolle, es ſeien ohnehin Leute genug da, man ſolle ihm etwas geben und ihn fortweiſen. Darauf hat ihm ein Unterbefehlshaber einen Gulden geſchenkt; der Kleine iſt heut noch wild darüber. Das war auch nicht recht, bemerkte Bettelmelcher, denn der Jäger¬ kaſperle iſt zwar nicht groß, aber ein ſolch rahner, flüchtiger, gewandter Burſch, daß er's mit dem Teufel aufnimmt, freilich mehr in Liſt als Gewalt. Er lobt beſonders den Welzheimer Markt. Ich freue mich ſehr auf den luſtigen Bürſten- und Kehrwiſchhändler, der ſich die Leute durch ſo hohe Preiſe vom Leib zu halten verſteht, daß ihm ge¬ wiß Niemand ſeinen nöthigen Vorrath abnehmen wird. Auch auf ſein kleines ſauberes Frauele freu' ich mich: ſie iſt eine treffliche Be¬ mutter und wird nicht leicht eine ſo geſchickt einen Beutel wegzu¬ ſtipitzen wiſſen. Ja wohl, ſagte der Zigeuner. Dieſe Juden, fuhr er in ſeiner unterbrochenen Rede fort, ſind ganz verfluchte Kerls. Sie haben ein Regiment und Staat errichtet, dergleichen zwiſchen Rhein und Donau

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/391>, abgerufen am 26.11.2024.