bei ihm sah, manchmal zu schaffen machten; aber so gar mißver¬ günstig bin ich doch nicht, und werd's auch damals nicht gewesen sein. Seine Gelehrsamkeit hat mir's auch nicht angethan. Der Ehr¬ geiz hat mich nie gestochen; meine Vorfahren sind arme Fischer ge¬ wesen, so weit man hier in Ebersbach zurückdenken kann, und darum hab' ich auch weder Vogt noch Professor werden wollen.
Aber womit hat er dir's denn angethan?
Warum stellen sich Hund und Katze wider einander, wenn sie einander ansichtig werden? Warum gibt's Leute, die manche Thiere nicht leiden können? Gerade so geht's auch dem Menschen mit dem Menschen. Ein Gesicht gefällt Einem, ein anderes ist Einem zuwider. Uebrigens hat er's nicht an thätlichem Anlaß fehlen lassen. Er war ein stolzer übermüthiger Bub', der Keinen was neben sich gelten ließ. Beim Soldätlesspiel war er der General, und wenn man Räuberles spielte, mußte er der Hauptmann sein. Commandiren und die An¬ dern herumpudeln, das war sein Pläsir. Die ihm recht unterthänig waren, denen spendirte er, was er nur aufbringen konnte. Mir hat er nie was geschenkt.
Das muß man ihm lassen, sagte der ältere Müller, gutherzig und freigebig ist er allezeit gewesen.
Ja, aber da hat der Fischerhanne doch recht, fügte der Jüngere hinzu, am gutherzigsten war er eben gegen solche, die seinem Stolze am besten hofiren konnten.
Gutherzig? rief der Fischer. Eine eigne Art von Gutherzigkeit hat er von jeher gehabt. Er war noch nicht acht Jahre alt, so jagte er den Nachbarn zum Spaß die Hühner fort, aus purer guter Laune schlug er ihnen die Gänse todt, hetzte die Hunde auf Weiber und Kinder, und lachte wie ein kleiner Teufel über ihre Angst. Und wie er dann zu seinem Namenstag eine Flinte bekam, da hieß es erst: Hellauf! Da schoß er mitten im Ort auf Hühner, Enten, Gänse, was er erwischen konnte, und der Sonnenwirth bezahlte den Schaden und war stolz darauf, daß er ihn zahlen konnte!
Und noch mehr darauf, daß die Blitzkröte schon so ein guter Schütz war, fiel der jüngere Müller ein. Das war's ja eben! Durch die Nachsicht, die man ihm schenkte, und durch den Beifall der Speichellecker, die bei den Eltern einen Stein im Brett gewinnen
bei ihm ſah, manchmal zu ſchaffen machten; aber ſo gar mißver¬ günſtig bin ich doch nicht, und werd's auch damals nicht geweſen ſein. Seine Gelehrſamkeit hat mir's auch nicht angethan. Der Ehr¬ geiz hat mich nie geſtochen; meine Vorfahren ſind arme Fiſcher ge¬ weſen, ſo weit man hier in Ebersbach zurückdenken kann, und darum hab' ich auch weder Vogt noch Profeſſor werden wollen.
Aber womit hat er dir's denn angethan?
Warum ſtellen ſich Hund und Katze wider einander, wenn ſie einander anſichtig werden? Warum gibt's Leute, die manche Thiere nicht leiden können? Gerade ſo geht's auch dem Menſchen mit dem Menſchen. Ein Geſicht gefällt Einem, ein anderes iſt Einem zuwider. Uebrigens hat er's nicht an thätlichem Anlaß fehlen laſſen. Er war ein ſtolzer übermüthiger Bub', der Keinen was neben ſich gelten ließ. Beim Soldätlesſpiel war er der General, und wenn man Räuberles ſpielte, mußte er der Hauptmann ſein. Commandiren und die An¬ dern herumpudeln, das war ſein Pläſir. Die ihm recht unterthänig waren, denen ſpendirte er, was er nur aufbringen konnte. Mir hat er nie was geſchenkt.
Das muß man ihm laſſen, ſagte der ältere Müller, gutherzig und freigebig iſt er allezeit geweſen.
Ja, aber da hat der Fiſcherhanne doch recht, fügte der Jüngere hinzu, am gutherzigſten war er eben gegen ſolche, die ſeinem Stolze am beſten hofiren konnten.
Gutherzig? rief der Fiſcher. Eine eigne Art von Gutherzigkeit hat er von jeher gehabt. Er war noch nicht acht Jahre alt, ſo jagte er den Nachbarn zum Spaß die Hühner fort, aus purer guter Laune ſchlug er ihnen die Gänſe todt, hetzte die Hunde auf Weiber und Kinder, und lachte wie ein kleiner Teufel über ihre Angſt. Und wie er dann zu ſeinem Namenstag eine Flinte bekam, da hieß es erſt: Hellauf! Da ſchoß er mitten im Ort auf Hühner, Enten, Gänſe, was er erwiſchen konnte, und der Sonnenwirth bezahlte den Schaden und war ſtolz darauf, daß er ihn zahlen konnte!
Und noch mehr darauf, daß die Blitzkröte ſchon ſo ein guter Schütz war, fiel der jüngere Müller ein. Das war's ja eben! Durch die Nachſicht, die man ihm ſchenkte, und durch den Beifall der Speichellecker, die bei den Eltern einen Stein im Brett gewinnen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0039"n="23"/>
bei ihm ſah, manchmal zu ſchaffen machten; aber ſo gar mißver¬<lb/>
günſtig bin ich doch nicht, und werd's auch damals nicht geweſen<lb/>ſein. Seine Gelehrſamkeit hat mir's auch nicht angethan. Der Ehr¬<lb/>
geiz hat mich nie geſtochen; meine Vorfahren ſind arme Fiſcher ge¬<lb/>
weſen, ſo weit man hier in Ebersbach zurückdenken kann, und darum<lb/>
hab' ich auch weder Vogt noch Profeſſor werden wollen.</p><lb/><p>Aber womit hat er dir's denn angethan?</p><lb/><p>Warum ſtellen ſich Hund und Katze wider einander, wenn ſie<lb/>
einander anſichtig werden? Warum gibt's Leute, die manche Thiere<lb/>
nicht leiden können? Gerade ſo geht's auch dem Menſchen mit dem<lb/>
Menſchen. Ein Geſicht gefällt Einem, ein anderes iſt Einem zuwider.<lb/>
Uebrigens hat er's nicht an thätlichem Anlaß fehlen laſſen. Er war<lb/>
ein ſtolzer übermüthiger Bub', der Keinen was neben ſich gelten ließ.<lb/>
Beim Soldätlesſpiel war er der General, und wenn man Räuberles<lb/>ſpielte, mußte er der Hauptmann ſein. Commandiren und die An¬<lb/>
dern herumpudeln, das war ſein Pläſir. Die ihm recht unterthänig<lb/>
waren, denen ſpendirte er, was er nur aufbringen konnte. Mir hat<lb/>
er nie was geſchenkt.</p><lb/><p>Das muß man ihm laſſen, ſagte der ältere Müller, gutherzig<lb/>
und freigebig iſt er allezeit geweſen.</p><lb/><p>Ja, aber da hat der Fiſcherhanne doch recht, fügte der Jüngere<lb/>
hinzu, am gutherzigſten war er eben gegen ſolche, die ſeinem Stolze<lb/>
am beſten hofiren konnten.</p><lb/><p>Gutherzig? rief der Fiſcher. Eine eigne Art von Gutherzigkeit<lb/>
hat er von jeher gehabt. Er war noch nicht acht Jahre alt, ſo<lb/>
jagte er den Nachbarn zum Spaß die Hühner fort, aus purer guter<lb/>
Laune ſchlug er ihnen die Gänſe todt, hetzte die Hunde auf Weiber<lb/>
und Kinder, und lachte wie ein kleiner Teufel über ihre Angſt. Und<lb/>
wie er dann zu ſeinem Namenstag eine Flinte bekam, da hieß es<lb/>
erſt: Hellauf! Da ſchoß er mitten im Ort auf Hühner, Enten,<lb/>
Gänſe, was er erwiſchen konnte, und der Sonnenwirth bezahlte den<lb/>
Schaden und war ſtolz darauf, daß er ihn zahlen konnte!</p><lb/><p>Und noch mehr darauf, daß die Blitzkröte ſchon ſo ein guter<lb/>
Schütz war, fiel der jüngere Müller ein. Das war's ja eben! Durch<lb/>
die Nachſicht, die man ihm ſchenkte, und durch den Beifall der<lb/>
Speichellecker, die bei den Eltern einen Stein im Brett gewinnen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[23/0039]
bei ihm ſah, manchmal zu ſchaffen machten; aber ſo gar mißver¬
günſtig bin ich doch nicht, und werd's auch damals nicht geweſen
ſein. Seine Gelehrſamkeit hat mir's auch nicht angethan. Der Ehr¬
geiz hat mich nie geſtochen; meine Vorfahren ſind arme Fiſcher ge¬
weſen, ſo weit man hier in Ebersbach zurückdenken kann, und darum
hab' ich auch weder Vogt noch Profeſſor werden wollen.
Aber womit hat er dir's denn angethan?
Warum ſtellen ſich Hund und Katze wider einander, wenn ſie
einander anſichtig werden? Warum gibt's Leute, die manche Thiere
nicht leiden können? Gerade ſo geht's auch dem Menſchen mit dem
Menſchen. Ein Geſicht gefällt Einem, ein anderes iſt Einem zuwider.
Uebrigens hat er's nicht an thätlichem Anlaß fehlen laſſen. Er war
ein ſtolzer übermüthiger Bub', der Keinen was neben ſich gelten ließ.
Beim Soldätlesſpiel war er der General, und wenn man Räuberles
ſpielte, mußte er der Hauptmann ſein. Commandiren und die An¬
dern herumpudeln, das war ſein Pläſir. Die ihm recht unterthänig
waren, denen ſpendirte er, was er nur aufbringen konnte. Mir hat
er nie was geſchenkt.
Das muß man ihm laſſen, ſagte der ältere Müller, gutherzig
und freigebig iſt er allezeit geweſen.
Ja, aber da hat der Fiſcherhanne doch recht, fügte der Jüngere
hinzu, am gutherzigſten war er eben gegen ſolche, die ſeinem Stolze
am beſten hofiren konnten.
Gutherzig? rief der Fiſcher. Eine eigne Art von Gutherzigkeit
hat er von jeher gehabt. Er war noch nicht acht Jahre alt, ſo
jagte er den Nachbarn zum Spaß die Hühner fort, aus purer guter
Laune ſchlug er ihnen die Gänſe todt, hetzte die Hunde auf Weiber
und Kinder, und lachte wie ein kleiner Teufel über ihre Angſt. Und
wie er dann zu ſeinem Namenstag eine Flinte bekam, da hieß es
erſt: Hellauf! Da ſchoß er mitten im Ort auf Hühner, Enten,
Gänſe, was er erwiſchen konnte, und der Sonnenwirth bezahlte den
Schaden und war ſtolz darauf, daß er ihn zahlen konnte!
Und noch mehr darauf, daß die Blitzkröte ſchon ſo ein guter
Schütz war, fiel der jüngere Müller ein. Das war's ja eben! Durch
die Nachſicht, die man ihm ſchenkte, und durch den Beifall der
Speichellecker, die bei den Eltern einen Stein im Brett gewinnen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/39>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.