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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Ja, versetzte der Müller, und meinen sie denn, ihr Unschick sei
dadurch ungeschehen gemacht, daß man nicht davon reden soll?

Auf die Länge läßt's sich natürlich nicht verbieten, sagte der
Schütz. Der Befehl ist aber, man solle vorderhand kein unzeitig Ge¬
schrei machen, wenn er aber so verwegen sei, daß er sich abermals in
die hiesige Gegend ziehe, so solle man unverweilt und mit der größten
Oeffentlichkeit einen Preis von hundert Gulden auf seinen Kopf setzen.

Hundert Gulden? rief der Fischer. Auf sein' Kopf? rief der

Müller.

Hundert Gulden, wer ihn bringt, lebendig oder todt, antwortete
der Schütz.

Der Fischer schlug die flachen Hände auf den Tisch. Den Preis
will ich verdienen, sagte er.
Ich auch! rief der Müller.

Und ich! rief der Knecht, dem die Gespensterfurcht zu vergehen
schien, seinem Meister nach.

Die andern Gäste tranken schweigend aus, und ihre langen Ge¬
sichter verriethen, daß das Gelübde der Drei sie nicht sonderlich im
Glauben an die Sicherheit des Fleckens befestigt habe. Bei dem all¬
gemeinen Aufbruch waren der Invalide und der Schütz die Letzten.
Gelt, Beck, hast auf eine größere Zech' abgehoben? sagte dieser zum
Bäcker, und jetzt ist auf einmal ein Haar in dein' Wein gefallen.
Ich will dich wenigstens einigermaßen schadlos halten. Gib mir ein
paar Schoppen mit, das Amt soll's zahlen. Es muß heut Nacht
etliche Mannschaft auf'm Rathhaus wachen, für alle Fäll'. Der Herr
will ruhig schlafen können, denn 's ist ihm doch nicht ganz wohl bei
der Sach'. Aber trotzdem bricht er einmal über's ander' in ein Lachen
aus, daß ihm der Bauch wackelt, und sagt' vor sich hin: Ich ver¬
nemme, daß die Anstalten des Herrn Vogts nicht die besten sind.

Er empfing den verlangten Wein und ging mit dem Invaliden
fort. Der Bäcker, der jetzt allein war, zündete eine Küchenampel an,
löschte die Lichter und setzte sich in den hinterlassenen Lehnstuhl seiner
verstorbenen Frau, um hier die nahe Backstunde abzuwarten, viel¬
leicht auch in der Hoffnung, an die Wachmannschaft auf dem Rath-
hause noch etwas von seinem Wein abzusetzen. Er schlief ein, glaubte
aber noch nicht lange geschlafen zu haben, als er, durch ein Geräusch

Ja, verſetzte der Müller, und meinen ſie denn, ihr Unſchick ſei
dadurch ungeſchehen gemacht, daß man nicht davon reden ſoll?

Auf die Länge läßt's ſich natürlich nicht verbieten, ſagte der
Schütz. Der Befehl iſt aber, man ſolle vorderhand kein unzeitig Ge¬
ſchrei machen, wenn er aber ſo verwegen ſei, daß er ſich abermals in
die hieſige Gegend ziehe, ſo ſolle man unverweilt und mit der größten
Oeffentlichkeit einen Preis von hundert Gulden auf ſeinen Kopf ſetzen.

Hundert Gulden? rief der Fiſcher. Auf ſein' Kopf? rief der

Müller.

Hundert Gulden, wer ihn bringt, lebendig oder todt, antwortete
der Schütz.

Der Fiſcher ſchlug die flachen Hände auf den Tiſch. Den Preis
will ich verdienen, ſagte er.
Ich auch! rief der Müller.

Und ich! rief der Knecht, dem die Geſpenſterfurcht zu vergehen
ſchien, ſeinem Meiſter nach.

Die andern Gäſte tranken ſchweigend aus, und ihre langen Ge¬
ſichter verriethen, daß das Gelübde der Drei ſie nicht ſonderlich im
Glauben an die Sicherheit des Fleckens befeſtigt habe. Bei dem all¬
gemeinen Aufbruch waren der Invalide und der Schütz die Letzten.
Gelt, Beck, haſt auf eine größere Zech' abgehoben? ſagte dieſer zum
Bäcker, und jetzt iſt auf einmal ein Haar in dein' Wein gefallen.
Ich will dich wenigſtens einigermaßen ſchadlos halten. Gib mir ein
paar Schoppen mit, das Amt ſoll's zahlen. Es muß heut Nacht
etliche Mannſchaft auf'm Rathhaus wachen, für alle Fäll'. Der Herr
will ruhig ſchlafen können, denn 's iſt ihm doch nicht ganz wohl bei
der Sach'. Aber trotzdem bricht er einmal über's ander' in ein Lachen
aus, daß ihm der Bauch wackelt, und ſagt' vor ſich hin: Ich ver¬
nemme, daß die Anſtalten des Herrn Vogts nicht die beſten ſind.

Er empfing den verlangten Wein und ging mit dem Invaliden
fort. Der Bäcker, der jetzt allein war, zündete eine Küchenampel an,
löſchte die Lichter und ſetzte ſich in den hinterlaſſenen Lehnſtuhl ſeiner
verſtorbenen Frau, um hier die nahe Backſtunde abzuwarten, viel¬
leicht auch in der Hoffnung, an die Wachmannſchaft auf dem Rath-
hauſe noch etwas von ſeinem Wein abzuſetzen. Er ſchlief ein, glaubte
aber noch nicht lange geſchlafen zu haben, als er, durch ein Geräuſch

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[352/0368] Ja, verſetzte der Müller, und meinen ſie denn, ihr Unſchick ſei dadurch ungeſchehen gemacht, daß man nicht davon reden ſoll? Auf die Länge läßt's ſich natürlich nicht verbieten, ſagte der Schütz. Der Befehl iſt aber, man ſolle vorderhand kein unzeitig Ge¬ ſchrei machen, wenn er aber ſo verwegen ſei, daß er ſich abermals in die hieſige Gegend ziehe, ſo ſolle man unverweilt und mit der größten Oeffentlichkeit einen Preis von hundert Gulden auf ſeinen Kopf ſetzen. Hundert Gulden? rief der Fiſcher. Auf ſein' Kopf? rief der Müller. Hundert Gulden, wer ihn bringt, lebendig oder todt, antwortete der Schütz. Der Fiſcher ſchlug die flachen Hände auf den Tiſch. Den Preis will ich verdienen, ſagte er. Ich auch! rief der Müller. Und ich! rief der Knecht, dem die Geſpenſterfurcht zu vergehen ſchien, ſeinem Meiſter nach. Die andern Gäſte tranken ſchweigend aus, und ihre langen Ge¬ ſichter verriethen, daß das Gelübde der Drei ſie nicht ſonderlich im Glauben an die Sicherheit des Fleckens befeſtigt habe. Bei dem all¬ gemeinen Aufbruch waren der Invalide und der Schütz die Letzten. Gelt, Beck, haſt auf eine größere Zech' abgehoben? ſagte dieſer zum Bäcker, und jetzt iſt auf einmal ein Haar in dein' Wein gefallen. Ich will dich wenigſtens einigermaßen ſchadlos halten. Gib mir ein paar Schoppen mit, das Amt ſoll's zahlen. Es muß heut Nacht etliche Mannſchaft auf'm Rathhaus wachen, für alle Fäll'. Der Herr will ruhig ſchlafen können, denn 's iſt ihm doch nicht ganz wohl bei der Sach'. Aber trotzdem bricht er einmal über's ander' in ein Lachen aus, daß ihm der Bauch wackelt, und ſagt' vor ſich hin: Ich ver¬ nemme, daß die Anſtalten des Herrn Vogts nicht die beſten ſind. Er empfing den verlangten Wein und ging mit dem Invaliden fort. Der Bäcker, der jetzt allein war, zündete eine Küchenampel an, löſchte die Lichter und ſetzte ſich in den hinterlaſſenen Lehnſtuhl ſeiner verſtorbenen Frau, um hier die nahe Backſtunde abzuwarten, viel¬ leicht auch in der Hoffnung, an die Wachmannſchaft auf dem Rath- hauſe noch etwas von ſeinem Wein abzuſetzen. Er ſchlief ein, glaubte aber noch nicht lange geſchlafen zu haben, als er, durch ein Geräuſch

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/368>, abgerufen am 28.11.2024.